Profis 06.06.2021 - 17:00 Uhr
Akt 05: Finale curioso - Klassenerhalt im Quarantäne-Hotel
Die Saison in 05 Akten – ein Rückblick
Der vom neuen FSV-Führungstrio um Trainer Bo Svensson, Sportdirektor Martin Schmidt und Vorstand Sport, Kommunikation und Strategie Christian Heidel forcierte Rückbezug zu den Mainzer Grundtugenden, Mentalität und Gruppendynamik und der besondere Umgang mit Rückschlägen hatten bei Mannschaft und Fans der Rheinhessen nach einer Hinrunde zum Vergessen neue Hoffnung im Kampf um den Klassenerhalt entfacht. Den finalen Schritt gingen die 05ER schließlich in einem Saisonfinale, das die in der Bundesliga nie zuvor dagewesene Mainzer Aufholjagd auf ihren Höhepunkt brachte.
Nach dem 1:0 gegen den SC Freiburg war das Team von Cheftrainer Bo Svensson auf den 14. Tabellenplatz geklettert – und der Lauf hielt an. Mit dem 3:2-Erfolg beim 1. FC Köln hatten die Rheinhessen bereits 21 Punkte aus elf Rückrundenpartien gesammelt und die magere Hinrundenausbeute von sieben Zählern verdreifacht. Gesichert war der Klassenerhalt damit aber noch nicht. Hertha BSC, der FC Augsburg, Werder Bremen, die Kölner und Arminia Bielefeld – sie alle kämpften noch gegen den Bundesliga-Abstieg, weshalb Svenssons Team im Saison-Schlussspurt gefordert war, nachzulegen. Zumal die Tabelle, aufgrund der Quarantäne-bedingten Zwangspause der Berliner Konkurrenz und der damit verbundenen Nachholspiele trügerisch erschien.
"Überragende Mannschaftsleistung" gegen den Triple-Sieger
Flexibilität war gefragt. Nach dem das Duell gegen Hertha BSC schließlich abgesagt wurde, galt es, alle Konzentration auf das Auswärtsspiel beim SV Werder Bremen zu legen. "Wenn wir etwas gelernt haben, ist es, den Fokus darauf zu legen, was in unserer Hand liegt. Das ist jetzt das Bremen-Spiel, darauf versuchen wir uns bestmöglich vorzubereiten", äußerte sich Cheftrainer Svensson im Vorfeld der Partie, in der Ádám Szalai mit seinem ersten Saisontreffer zum Matchwinner avancieren sollte und einen intensive und kämpferisch geführte Begegnung zu Gunsten der 05ER entschied. "Mit der Leistung bin ich nicht zufrieden, mit dem Ergebnis natürlich schon", bilanzierte Svensson nach Schlusspfiff, wohlwissend, dass es im darauffolgenden Duell gegen FC Bayern München eine Leistungssteigerung brauchen würde. "Ich werde die Jungs daran erinnern, was uns auf dem Platz auszeichnen soll", so der Däne.
Bei seiner Mannschaft schien er damit den richtigen Ton gefunden zu haben. Erst furios, dann diszipliniert: Nach sechs ungeschlagenen Partien in Serie, setzten sich die Mainzer, erstmals seit fast zehn Jahren im eigenen Stadion, gegen den Rekordmeister durch. "Wir sind sehr glücklich, weil wir auch verdient gewonnen haben. Es war eine überragende Mannschaftsleistung, auf die wir stolz sein können", bilanzierte Leo Barreiro nach dem Überraschungscoup der 05ER, die im Anschluss auch vom Triple-Trainer gelobt wurden. "Ich muss Mainz ein Riesenkompliment machen. Sie haben es sehr gut gemacht, haben aggressiv verteidigt, kompakt gestanden und ihr Tor herausragend verteidigt. Wir hatten kaum eine Chance", so Bayern-Coach Hansi Flick.
Klassenerhalt im Mannschaftshotel
Die 05ER waren ihrem großen Ziel mit dem Sieg gegen die Bayern einen großen Schritt nähergekommen – aber noch lange nicht satt. "Meine Hauptaufgabe ist nicht der Klassenerhalt oder das nächste Spiel zu gewinnen, sondern hier langfristig etwas aufzubauen", verkündete Svensson, der mit seiner Mannschaft in der Folge jeweils einen Punkt gegen Hertha BSC und Eintracht Frankfurt sammelte. Dass auch nach dem inzwischen achten und neunten ungeschlagenen Spiel in Folge neben Erleichterung Selbstkritik bei Mannschaft und Cheftrainer mitschwang, verdeutlichte einmal mehr den realistischen Umgang mit der eigenen Leistung am Bruchweg. Nach dem Rhein-Main-Duell gegen die Frankfurter war aber klar: Direkt absteigen können die Mainzer, aufgrund der vorangegangenen Kölner Niederlage gegen den SC Freiburg nicht mehr.
Für die Dauer der beiden verbleibenden Ligaspiele begaben sich die 05ER, wie alle 36 Mannschaften aus der 1. Und 2. Bundesliga, schließlich in ein "Quarantäne-Trainingslager", das die Durchführung des Spielbetriebs zusätzlich absichern sollte. Noch vor der Partie gegen den frischgebackenen DFB-Pokalsieger Borussia Dortmund am 33. Spieltag dann die erlösende Nachricht: Nach den Ergebnissen der Konkurrenz aus Bremen und Bielefeld, die bereits samstags gespielt hatte, waren die 05ER endgültig gerettet. Eine unvergleichliche Aufholjagd, die in der Bundesliga ein Novum bedeutete, hatte ihren Höhenpunkt gefunden.
Latza-Abschied & ein perfekter Abschluss
Die darauffolgende 1:3-Niederlage gegen den BVB geriet da schnell zur Nebensache – anders als der emotionale Abschied von Danny Latza, dessen 152. Bundesliga-Einsatz im 05-Trikot gleichzeitig sein letztes Heimspiel für den FSV war. Zwar fand die Partie ohne Zuschauer statt, hunderte 05-Fans hatten ihrem Team aber einen gebührenden, corona-konformen Empfang auf der Anfahrt bereitet. Nach dem geglückten Klassenerhalt ging es für die Rheinhessen am letzten Spieltag gegen den VfL Wolfsburg sportlich um nicht mehr viel – gegen den "Top-Gegner" aus der Autostadt wollte sich die Svensson-Elf zum Abschluss dennoch ordentlich verabschieden und ließ Taten folgen.
Der 3:2-Erfolg gegen die Wölfe, beim dem Stefan Bell das entscheidende Tor vergönnt war, rundete eine unglaubliche Rückrunde ab. "Es waren wunderschöne Tore, ein rundum perfekter Abschluss einer Rückrunde, die man so schnell nicht vergisst - ein Wahnsinn", sprach FSV-Sportdirektor Martin Schmidt wohl allen Fans aus der Seele.