Profis 29.04.2024 - 14:00 Uhr
"Aufrichten und auf nach Heidenheim"
Nach dem Remis gegen Köln wurden die Gründe von Seiten der 05ER vor allem im zu verhaltenen Auftritt nach dem Seitenwechsel ausgemacht
Als der Schlusspfiff diesem dramatischen Abstiegskampfkrimi nach gut 102 Spielminuten ein Ende setzte, lagen die Spieler beider Mannschaften erschöpft und völlig ausgelaugt auf dem Rasen und wirkten kollektiv enttäuscht. Denn das 1:1 zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und dem 1. FC Köln in der ausverkauften und vor Emotionen bebenden MEWA ARENA werteten die Beteiligten gleichermaßen nicht unbedingt als einen gewonnenen Zähler in diesem so spannenden und immer enger werdenden Kampf um den Klassenverbleib in der Bundesliga. Nicht die Mainzer Profis, die bis zur 90. Minute den Sieg noch in der Tasche und sich in der Tabelle vor den VfL Bochum und Union Berlin auf den 14. Platz vorgeschoben zu haben schienen. Auch nicht die Kölner, die in der Nachspielzeit zwar durch einen umstrittenen Foulelfmeter noch das Remis erreichten, sich aber darüber grämten, dass sie es nicht geschafft hatten, in der überlegen gestalteten zweiten Hälfte die zum sportlichen Überleben so notwendigen und vielleicht auch möglichen drei Punkte aus diesem prekären Duell mitzunehmen.
Die Gastgeber mussten in der Nachspielzeit allerdings nicht nur den Ausgleich hinnehmen, sondern verloren auch noch Phillipp Mwene, der eine völlig überzogene Rote Karte kassierte, nachdem zuvor schon Karim Onisiwo wegen einer Handverletzung hatte ausscheiden müssen. Außerdem sahen in dieser Partie Brajan Gruda und Nadiem Amiri jeweils die fünfte Gelbe Karte und fehlen deshalb im Auswärtsspiel am Sonntag beim 1. FC Heidenheim ebenfalls.
Am Ende doch wieder mittendrin
"Das ist brutal. In der 90. Minute hast du eigentlich alles in der Hand, bist auf Platz 14 und am Ende doch wieder mittendrin“, kommentierte Martin Schmidt das Ergebnis. "Es ist aber vom Spielverlauf her gerecht. Wir hatten nicht mehr verdient. So bleibt alles, wie es war. Wir haben fünf Punkte Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz. Platz 14 hätte sich gut angehört und es wären zwei Punkte mehr gewesen. Der Abstiegskampf wäre jedoch auch weitergegangen, wenn wir als 14. nach Heidenheim gefahren wären. Egal, wo wir stehen, wir müssen uns auf uns fokussieren und unsere Punkte machen, nur das ist das Thema. Die nächste Herausforderung ist jetzt Heidenheim auswärts. Der werden wir uns stellen“, erklärte der Sportdirektor des FSV.
An diesem 31. Spieltag hatten die Mainzer zum ersten Mal im sich zuspitzenden Abstiegskampf etwas zu verlieren. Nach dem Sieg des VfL Bochum war klar, dass ein Punktverlust sie wieder auf den gerade erst verlassenen Relegationsplatz zurückwerfen würde. Und dieser Gedanke schien schwer zu wiegen, da die Kölner im Wissen um ihre wohl letzte Chance von Beginn an Druck machten.
Barreiro vollendet perfekten Konter
Eine Viertelstunde dauerte es, bis es den Mainzern gelang, sich zu befreien und selbst offensive Akzente zu setzen. Die Führung für den FSV resultierte aus einem Kölner Freistoß und einem perfekt vorgetragenen Konter: Amiri auf Jonny Burkardt, der kurz hinter der Mittellinie gefoult wurde. Schiedsrichter Benjamin Brand erkannte aber den Vorteil, der sich aus Onisiwos Ballbesitz ergab. Dessen Schrägschuss faustete Marvin Schwäbe nach vorne, genau in den Laufweg des heranstürmenden Barreiro, der zum 1:0 traf. Wenig später hatte Burkardt nach dem nächsten Konter das 2:0 auf dem Fuß nach einer Flanke von Brajan Gruda, schoss aber übers Tor.
Die zweite Halbzeit begann für die 05ER denkbar ungünstig: mit einem unnötigen Foul von Anthony Caci an Faride Alidou, der gerade im Begriff war, den Strafraum seitlich zu verlassen. Luca Waldschmidt setzte den fälligen Strafstoß rechts am Tor vorbei. Die Stimmung im Stadion war auf dem Siedepunkt, doch es waren nicht die Gastgeber, die von diesem emotionalen Moment profitierten, sondern die Kölner, die zunehmend stärker wurden, in der Folgezeit viel Druck aufbauten und das Geschehen im zweiten Durchgang klar bestimmten.
Vergessen, weiter Fußball zu spielen
"So ist Abstiegskampf. Ich würde nicht sagen, dass wir in der zweiten Halbzeit den Faden verloren haben, sondern wir haben uns ihrem Spiel angepasst, uns auf dieses 'kick and rush‘ eingelassen. Da waren sie heute giftiger und griffiger. Sie hatten die Lufthoheit, dadurch bekamen sie viele zweite Bälle, konnten immer wieder auf unsere Kette zulaufen, und wir kriegen das nicht geschlossen. Von draußen hat man es allmählich kommen sehen, dass es auch schief gehen kann“, so der 05-Sportdirektor.
Der Gegner habe ständig offensiv gewechselt und dadurch einen immensen Druck aufgebaut, so Schmidt weiter. "Wir haben vergessen, weiter so Fußball zu spielen wie vor der Pause, die Spielkontrolle zu übernehmen, mal den Ball einfach zu spielen, wieder zurück, hintenrum, Seitenwechsel. Sehr oft haben wir aus dem Druck heraus verpasst, den Ball links raus auf Mwene zu spielen, der oft blank stand. Wir wollten mit dem Kopf durch die Wand und unbedingt das zweite Tor machen. Das war das falsche Rezept. Das hat den Gegner stark gemacht, der seine letzte Chance gesucht hat“, so der Schweizer, dessen Devise lautet: "Aufrichten und auf nach Heidenheim. Wir müssen die Punkte nun woanders holen.“
Auch Bo Henriksen machte sich nachher Gedanken über das Nachlassen seines Teams im zweiten Durchgang: Es hat so ausgesehen, als wären wir ein bisschen ängstlich gewesen“, sagte der Cheftrainer. "Wir haben es nicht gewagt, weiter nach vorne zu gehen, uns nicht die Dinge getraut, die wir normalerweise tun und die uns stark machen“, so der Däne. Die Mannschaft, ergänzte Barreiro, habe wohl gedacht, mit der Führung im Rücken werde es schon irgendwie gehen, aber man habe es nicht mehr geschafft, Druck auszuüben, Chancen zu kreieren und habe zu viele Zweikämpfe verloren. Robin Zentner vollbrachte noch zwei Großtaten, um den dünnen Vorsprung zu sichern, verursachte dann aber den aus Sicht des 05-Keepers unberechtigten Elfmeter. Und ein zweites Mal ließen die Kölner sich diese Chance nicht entgehen.
Lee in Heidenheim wieder dabei
"Natürlich sind wir nicht glücklich“, erklärte Henriksen weiter. "Aber wir kämpfen und jeder will sein Bestes geben. Uns hat die Coolness im Spiel mit dem Ball gefehlt. Wir hätten viele Situationen besser ausspielen müssen. Manchmal ist man halt blockiert in solchen Situationen. So ist Fußball, das ist menschlich und es ist okay. Wir haben plötzlich gefühlt, wir haben jetzt etwas zu verlieren und wir müssen eingestehen, dass Köln eine fantastische zweite Halbzeit gespielt hat. So lange wir alles geben und so spielen wie in der ersten Hälfte oder in den vergangenen Begegnungen, bin ich aber zuversichtlich. Nächstes Mal müssen wir wieder besser mit dem Ball sein, das ist ein Hauptthema.“
Der Cheftrainer wollte sich auch nicht über die Schiedsrichterleistung auslassen. "Darum geht es nicht, sondern um unsere eigene Performance. Speziell in der zweiten Halbzeit müssen wir einfach besser spielen“, sagte er. "Wir sind fünf Punkte vor Köln und nur zwei hinter Bochum und Union Berlin. Das ist unser Hauptaugenmerk. Wir bleiben auf der Jagd, schauen nach vorne auf die drei Finals, die wir noch haben. Die Personallage für die Partie am Sonntag in Heidenheim ist durch die Sperren angespannt. "Wir wussten, dass Sperren drohen, doch wir werden eine starke Mannschaft nach Heidenheim schicken. Wir kriegen Jae-Sung Lee zurück, werden Lösungen finden und hoffentlich erfolgreich Jagd machen auf die drei Punkte im Auswärtsspiel“, betonte der 05-Trainer.