Profis 25.11.2019 - 13:00 Uhr
"Besser kann man es teilweise nicht spielen"
Achim Beierlorzer feiert Einstand nach Maß: 05ER haben beim 5:1 in Hoffenheim die Schlüsselmomente auf ihrer Seite und beeindrucken in Unterzahl mit gnadenloser Effizienz
Es war der Moment in der 86. Minute: Robin Zentner hatte das Hoffenheimer Aufbäumen gerade mit einer spektakulären Aktion gegen Torjäger Andrej Kramaric endgültig beendet, da meldeten sich die rund 1100 mitgereisten 05-Fans lautstark zu Wort und sangen minutenlang "der FSV ist wieder da". Und wie! Die 05ER legten noch zwei prächtige Kontertore nach, sicherten sich einen unfassbaren 5:1 Auswärtserfolg und ihrem neuen Trainer einen perfekten Start. Beim Seriensieger der vergangenen Wochen. 45 Minuten lang in Unterzahl. "Fußball ist manchmal nicht zu beschreiben. Heute waren wir auch mal an der Reihe", sagte Sportvorstand Rouven Schröder nach Abpfiff.
Auswärtssiege sind für den 1. FSV Mainz 05 in der Bundesliga nichts Alltägliches. In dieser Höhe schon gar nicht. Das 6:2 beim VfL Bochum in der Saison 2004/05 war der bisherige Ausreißer nach oben. Nun dieses 5:1 bei der TSG 1899 Hoffenheim. In einer Situation und nach dem, was zuletzt alles passiert ist, in der Form absolut unerwartet. Der FSV legte einen Auftritt hin, der beeindruckte. Mit großem Teamgeist, Entschlossenheit, Konzentration, Mut, enormer Leidenschaft. Und mit dem nötigen Matchglück. Sie steckten den Verlust von Ridle Baku weg, der kurz vor der Pause nach einem Foul an Sebastian Rudy und nach Einschreiten des Video-Assistenten die Rote Karte gesehen hatte.
"Großes Lob an alle"
"Wir sind natürlich überglücklich", sagte Achim Beierlorzer nach seinem Einstand mit Paukenschlag. "Es ist gar nicht hoch genug anzurechnen, was die Mannschaft heute auf den Platz gebracht hat. Ein ganz großes Lob an alle.
Diese drei Punkte tun uns unheimlich gut", sagte der 52-Jährige, der die Meriten für diese Vorstellung jedoch nicht für sich alleine beanspruchte, sondern seinen Vorgänger mit einbezog. "Ich darf jetzt hier stehen und dieses Spiel kommentieren, aber die Arbeit wurde vorher geleistet. Sandro hat großen Anteil daran. Wir schließen da jetzt an", erklärte Beierlorzer.
Die Tatsache, dass der Trainer vor 14 Tagen bereits mit dem 1. FC Köln gegen die TSG gespielt, dem Favoriten ebenbürtig gewesen war und erst in der 98. Minute durch einen Elfmeter verloren hatte, erwies sich nun für die Mainzer als Vorteil. Der Coach kannte den Gegner, wechselte von der Raute auf ein sehr flexibel ausgerichtetes 3-5-2, überraschte mit der Versetzung von Edimilson Fernandes in die Zentrale der Dreierkette mit Jeremiah St. Juste und Moussa Niakhaté. Die Hoffenheimer Offensivwucht sei mit einem zusätzlichen zentralen Verteidiger besser zu kontrollieren, erklärte Beierlorzer. Fernandes als passsicherer Spieler, der Situationen auflösen könne, habe sich da angeboten. Davor agierte der überragende Kunde Malong mit dem Auftrag, vor der Abwehr alles abzuräumen. Der Sechser wurde zur Schlüsselfigur, der in der Anfangsphase mit einem vor der Linie geretteten Ball den Rückstand verhinderte und später zwei Kontertore im Vollsprint erzielte: zum 3:0 und zum 5:1.
Disziplin und Umschaltstärke
Levin Öztunali als hoch stehender Außenverteidiger und Schütze der 1:0-Führung war eine weitere Personalveränderung, die aufging. "Und dann sieht man wieder, wie Fußball manchmal läuft. Man braucht halt auch das Quäntchen Glück. Das zweite Tor ist so ein Beispiel", sagte Beierlorzer. Jeremiah St. Juste nahm sich ein Herz, sprintete über rechts allen davon. Seine scharfe Hereingabe versenkte Pavel Kadarabek unglücklich per Eigentor zum 0:2. "Das ist natürlich der Moment, den man braucht in Unterzahl, um es dem Gegner noch schwerer zu machen. Das sind Schlüsselerlebnisse. Die Disziplin im Positionsspiel in der zweiten Halbzeit war sensationell, die Art und Weise, wie wir verteidigt haben absolute Klasse. Und die Umschaltmomente waren bemerkenswert. Besser kann man es teilweise nicht spielen", schwärmte der 05-Trainer nach der Partie von seinem neuen Team, das ein neues Gesicht gezeigt hatte. "Klar ist, dass Erfolgserlebnisse im Spiel die Brust der Spieler breiter machen, Selbstbewusstsein entstehen lassen."
Beim sehenswerten 4:1 von Jean-Paul Boëtius war dann auch Beierlorzer nicht mehr zu halten, sprintete im Pulk mit allen übrigen Mainzern von der Bank Richtung Eckfahne zum Schützen. "Da war es klar, dass wir das Ding in der Tasche hatten. Und ich habe mich so gefreut über das Tor von Boëtius, weil er ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht hat. Aber ich muss sagen, ausnahmslos alle haben ein Top-Spiel abgeliefert. Sie wurden immer stabiler und sicherer", sagte der Coach. "Es hilft natürlich einem neuen Trainer enorm, wenn man mit einem Sieg startet. Weil die Mannschaft wieder vermehrt an sich glaubt. Jetzt können wir uns eine Woche lang auf die schwere Aufgabe vorbereiten, die wir gegen Frankfurt haben." Das Rhein-Main-Duell in der OPEL ARENA steigt am kommenden Montag (20.30 Uhr).