"Besser können wir das gar nicht veranschaulichen"

Achim Beierlorzer ließ seinen Worten vom Anreisetag gleich am Montagvormittag Taten folgen: Fast 90 Minuten, exklusive des vorherigen Aufwärmprogramms in der kleinen Athletikhalle am Rande des Trainingsgeländes, ließ der 05-Cheftrainer seine Profis trainieren (hier geht’s zur Bildergalerie). Inhaltlich lag der Schwerpunkt dabei, neben der Arbeit an Schnellkraft und Dynamik, auch auf Spielformen inklusive Torabschlüssen. Kurz vor dem Ende der in Turnierform ausgetragenen Abschlussspielen wurde es kurz laut auf dem Trainingsgelände. Leidtragender war Stürmer Taiwo Awoniyi.

Die Anreisestrapazen hatten sich die 05ER in einer regenerativen Einheit am Sonntagnachmittag bereits aus den Beinen gelaufen, so dass nach dem ersten Frühstück im Wintertrainingslager an der Costa del Sol Vollgas angesagt war unter strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Dem intensiven Aufwärmprogramm folgten zu Wochenbeginn verschiedene Spielformen, in denen Überzahlsituationen simuliert wurden, die noch mehr Tiefe im Angriffsspiel provozieren sollten.

Bei besten Bedingungen war die Spielfreude der 23 mitgereisten Feldspieler sowie der drei Torhüter sichtbar, die Laune im gesamten 05-Tross bestens.

Bis zu dieser einen Szene gegen Ende des Trainings, in dem die Trainingskiebitze reihenweise schöner Spielzüge sowie erfolgreiche Torabschlüsse gesehen hatten: Nach einem flachen Rückpass von Ronaël Pierre-Gabriel vom rechten Flügel entschied sich Liverpool-Leihabe Awoniyi gegen den direkten Torabschluss aus elf Metern und versuchte das Leder mit der Hacke weiterzuleiten. Vergebens, der Ball landete beim Abwehrspieler, was den Trainer vorübergehend auf die Palme brachte. "Niemals", so Beierlorzer unmittelbar im Anschluss an die Szene solle er in einer solch aussichtsreichen Position auf den Torabschluss verzichten. "Du bist Stürmer!", erinnerte er den 22-Jährigen, den er nach Ende der Einheit in den Arm nahm und aufmunternde Worte sprach. Den positiven Gesamteindruck hatte die Szene ohnehin nicht getrübt.

Basis legen für Rückrunden-Ziel

Nach der Einheit war ebendiese Szene im Gespräch mit den Journalisten zunächst dennoch zentrales Thema, was Beierlorzer die Möglichkeit eröffnete auf seine Idee des Spiels einzugehen: "Kritik gehört zu meinem Job", sagte er hinsichtlich seines energischen Appells, der, zwar in diesem Fall an Awoniyi gerichtet, inhaltlich letztendlich alle Akteure betraf: "Wir wollen klar, entschlossen und zielorientiert nach vorne spielen. Da hat die Hacke elf Meter vor dem Tor keinen Sinn. Insgesamt sehe ich da bei uns kein Problem. Aber: Wir betreiben einen großen Aufwand, um von hinten raus zu spielen, Tiefgang zu erzeugen. Wenn sich die Chance bietet, müssen wir abschließen und einen Angriff veredeln." Es seien eben Momente, die in entscheidenden Situationen über Sieg und Niederlage entscheiden können, wie auch der Trainer erinnerte. Der einwöchige Aufenthalt in Spanien bietet dem Trainer immer wieder die willkommene Gelegenheit, den mahnenden Zeigefinger zu heben. Schließlich soll hier, in Estepona, die Basis gelegt werden, um das Ziel, die 18 Punkte aus der Hinrunde zu toppen, nach 34 Spieltagen dann auch zu erreichen.

Als Generalkritik an Awoniyi wollte der 52-Jährige die Szene aber ganz und gar nicht verstanden wissen. "Kritik soll dazu führen, Spieler zu verbessern. Und Taiwo bringt alle Grundlagen mit. Er hat einen Körper, eine überragende Athletik und Schnelligkeit. Alles, was er braucht. Jetzt benötigt er die Effektivität. Daran arbeiten wir." Als Fallbeispiele aus der Praxis für zielgerichtetes Handeln führte Beierlorzer sogleich mehrere Situationen an, die er in den sechs bisherigen Partien als 05-Trainer bereits erlebt hat. Er dachte da zum einen an diesen Schuss von Jeremiah St. Juste aus der zweiten Reihe, den Karim Onisiwo zum 1:1-Ausgleichstreffer gegen Eintracht Frankfurt abgefälscht und so den Grundstein für den Derbysieg gelegt hatte. Zudem habe sein Team zwei Eigentore in Hoffenheim und Bremen durch Flanken erzwungen. "Besser können wir das gar nicht veranschaulichen, dass das sinnvoll ist und zum Erfolg führt." Die Botschaft jedenfalls dürfte angekommen sein im Kader: Ohne Flanken, keine Abnehmer - ohne Schüsse, keine Torgefahr.

Nach der zweiten Einheit des Tages am späten Nachmittag wartet auf die 05-Profis bereits am Dienstag (16 Uhr, live auf 05ER.tv) der erste von zwei Testläufen in Andalusien. Gegner ist dann der niederländische Erstligist FC Emmen. Diese Partie könnte auch Awoniyi, dem in sechs Bundesliga-Partien bislang noch kein Treffer vergönnt war, die schnelle Gelegenheit bieten, um seine Lernfähigkeit unter Beweis zu stellen.