Profis 21.02.2019 - 11:30 Uhr

Eine logische Symbiose

Vertragsverlängerung mit Chefcoach Sandro Schwarz: Das Resultat eines langfristigen Entwicklungsprozesses

Schwarz während eines Heimspiels vor der Lotto-Rheinland-Pfalz-Tribüne in der OPEL ARENA.

Der Zeitpunkt der Verkündung mag überraschen – auf den ersten Blick. Intern war die Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen Sandro Schwarz, der seit dem Sommer 2017 das Zepter schwingt bei den 05ern, und dem FSV längst vorbereitet. Vollzug ist nun am Donnerstag gemeldet worden. Eine logische Entscheidung. 

Am Dienstagmittag hatten die Journalisten am Bruchweg den Cheftrainer mal wieder in Höchstform erleben dürfen – ebenso emotional, kritisch, kämpferisch wie auch klar in seiner Analyse der vergangenen Partien sowie dem Blick auf die kommenden Herausforderungen. Bei den Pressevertretern hinterließ der ehemalige Profi damit bleibenden Eindruck und ließ gleichzeitig Erinnerungen wach werden an einen Auftritt aus dem vergangenen März, als er das Stigma des emotionslosen Mannes an der Seitenlinie auch beim Anhang endgültig hatte ablegen können. Im Nachhinein ein nicht unwesentlicher Meilenstein auf dem Weg zum Klassenerhalt. Schwarz war es mit seinen Aussagen seinerzeit gelungen, neben seinen Profis auch Fans und Kritiker zu überzeugen von der gemeinsamen Mission im Liga-Endspurt. Zu vergleichen sind die Ausgangslagen von damals und heute freilich nicht - viel zu groß der Entwicklungsschritt, den das Team des FSV seit jenem Fanabend vor elf Monaten nochmals durchlaufen hat. Beide Auftritte stehen aber allemal exemplarisch für die Persönlichkeit des gebürtigen Mainzers, der sich in seinen ersten 20 Monaten als Cheftrainer in der Bundesliga seine erste Vertragsverlängerung bei seinem Heimatverein in seiner Heimatstadt verdient hat.

Momente einer jungen (Bundesliga-) Karriere

Schröder: "Sehen eine klare Entwicklung"

Die Gründe dafür liegen auf der Hand, wie Sportvorstand Rouven Schröder am Donnerstag darlegt: "Wir sind komplett zufrieden mit Sandro und seinem Trainerteam, sehen eine klare Entwicklung. Der Cheftrainer ist eine Konstante im Verein, mit dem wir in der vergangenen Saison gemeinsam Tiefen überwunden und uns in dieser Saison weiter gesteigert und entwickelt haben. Wir sind noch variabler in unseren Spielsystemen geworden, haben unsere Spielanlage verändert und habe diese Entscheidung völlig losgelöst vom Tagesgeschäft getroffen. Es geht ausschließlich um die inhaltliche Arbeit und die völlige Überzeugung auf beiden Seiten, dass wir den Weg gemeinsam weitergehen wollen. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von absolutem Grundvertrauen. Unser Trainer ist der richtige Mann am richtigen Ort, wir als Verein sind noch lange nicht am Ende der Entwicklung."

Die Geschichte, die den akribischen Arbeiter Schwarz und seine 05er verbindet, ist eine besondere. Als Jugendlicher ging es zu Zweitliga-Zeiten als Fan mit dem Bus hoch zum damals noch maroden Bruchwegstadion. Später arbeitete sich der heute 40-Jährige vom Jugendspieler bis in den Profikader, wo er im Alter von 19 Jahren debütierte. Mit Rückschlägen lernte er schon damals umzugehen genauso wie Höhepunkte richtig einzuordnen. Die verpassten Aufstiege 2002 und 2003 stehen ebenso in der Vita des Spielers Schwarz wie der erste Bundesliga-Aufstieg im Jahr 2004. Danach war zunächst Schluss am Bruchweg für den defensiven Mittelfeldspieler, der ‚Auf Wiedersehen‘ („Ich brauchte eine klare Perspektive. Ich weiß nicht, ob es die für mich so gegeben hätte“) sagte, und 2013 zurückkehrte als U19-Trainer. Über die U23 in Liga drei brachte er sich anschließend in Position für das Engagement in der Bundesliga. Bei seinem Verein, mit dessen Historie und Innenleben nur Wenige so vertraut sind.

Identitätsstiftender Fußball

"Du darfst nie vergessen, wo du herkommst. Es darf niemals selbstverständlich sein, dass du in der Bundesliga bist. Unser Verein hat schwierige Momente erlebt und ist immer wieder aufgestanden", erinnert der 05-Trainer. "Das ist unsere Geschichte." Dass er nun auch als Chefcoach und Sohn der Stadt Teil dieser Geschichte sein darf, erfüllt ihn mit Stolz, wobei er sich als Person nie in den Mittelpunkt stellen würde. Entscheidender sei es vielmehr, grundsätzlich den Mainz 05 über all die Jahre auszeichnenden Fußball zu zeigen, mit dem die Anhänger sich identifizieren können: „Das Wichtigste ist, dass die Fans ein Bild von uns erkennen, wie wir spielen wollen, die Art und Weise, mit welcher Mentalität wir auf den Platz gehen. Da haben wir uns schon viel erarbeitet und bemerken auch den Zuspruch vom Publikum.“ Dass in den vergangenen Wochen, in denen zwei Siegen zum Rückrunden-Auftakt drei Niederlagen folgten, nicht alles optimal lief, bestätigt auch Schwarz, gesteht seiner jungen Mannschaft Phasen wie diese aber gleichzeitig zu. Letztendlich Teil des gesamten Entwicklungsprozesses, der im bisherigen Saisonverlauf zu 27 Zählern aus 22 Partien geführt hat.

Ein, hier und da in den Ring geworfenes, Einstellungsproblem bei seinem Team in der jetzigen Situation sehe er keinesfalls: "Wir müssen die Dinge, die wir können und schon gut gemacht haben, einfach wieder besser machen. Das ist der Auftrag in dieser Woche", so der Trainer wenige Tage vor dem Duell mit Schalke 04 in der OPEL ARENA.

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Klare Fußballphilosophie

Ungeachtet von Ergebnissen zeichnete den ehrgeizigen Trainer eines ohnehin stets aus: Der Anspruch, junge Spieler zu fördern und zu fordern - nicht zufällig hat Schwarz in einem der jüngsten Kader der Bundesliga in der laufenden Saison bereits drei Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zum Bundesliga-Debüt verholfen. Und gleichzeitig sein System und die Mannschaft weiterzuentwickeln. Die ideale Mischung aus Ballbesitz- und Umschaltfußball zu kreieren. Sich auf eine Philosophie oder Denkweise festlegen lassen hatte sich Schwarz schon zu Beginn seiner Trainerkarriere nicht wollen. Zu limitierend würde sich eine solche Herangehensweise auswirken, hatte er bereits als Trainer des SV Wehen Wiesbaden oder des FC Eschborn befunden. Ein Fußballspiel beinhalte Phasen, in denen eine Symbiose beider Denkarten, verschiedenste Lösungen mit allen zur Verfügung stehenden Elementen des Spiels gefragt seien.

Lösungen, an denen Schwarz mit den 05ern Woche für Woche arbeitet, um das Repertoire zu erweitern, Automatismen zu festigen. "Egal, ob wir zwei Spiele hintereinander gewinnen, oder dreimal verlieren: Unser höchster Anspruch ist immer, im nächsten Spiel wieder eine Top-Leistung abzurufen, unsere festgelegten Prinzipien im Spiel komplett einzubringen", unterstreicht der Trainer energisch. Sprich, sich im Erfolgs- wie im Misserfolgsfall von Ergebnissen freizumachen und stets das große Ganze im Blick haben, keinen Gedanken daran verschwenden, 'was wäre, wenn?' Eine Arbeitsweise, die zur Folge hat, dass Schwarz jede Einheit und jedes Spiel, in jeder Phase einer Saison, mit höchsten Ansprüchen an sich selbst und sein Team begeht. Da spielt es dann auch keine Rolle, ob die 05er mal der "unterschätzteste Verein der Liga" sind oder sich gegen Gegner wie Augsburg, Leverkusen oder Wolfsburg Dämpfer eingefangen haben. Ein Ärgernis, aber alles Teil eines fortwährenden Lernprozesses, zu dem Fußballfeste ebenso gehören wie Enttäuschungen. Es ist und bleibt die langfristige Perspektive auf die Gesamtentwicklung, die Trainer und Sportvorstand in ihrer täglichen Zusammenarbeit einnehmen.

Der Aufstiegsheld von 2004 hat seine eigene Handschrift entwickelt, sich als Trainer in der Bundesliga und am Bruchweg etabliert. Wohlwissend, wie er einst als Jugendspieler noch auf roter Asche das 05-Trikot mit Stolz getragen hatte, lange vor der Entwicklung des FSV von grauer Maus zu etabliertem Bundesligisten. Zehn Jahre Bundesliga in Serie? 2004, als Schwarz seine Perspektive realistisch abgewogen, sich gegen die Bundesliga als Spieler und für den Wechsel zu Rot-Weiß Essen entschieden hatte, ein undenkbares Szenario. UNSER TRAUM LEBT bleibt so keine leere Phrase, sondern ein in der Historie begründetes Leitmotiv für alle 05er von Spielern über Trainer sowie Verantwortlichen bis hin zum gleichfalls leidenschaftlichen wie leidensfähigen Anhang. Stolz auf das Erreichte und Rückbesinnung auf den Ursprung des Mainzer Wegs führen zur Erkenntnis, dass ein zweiter Blick genauso wenig schadet wie ein zweiter oder dritter Versuch, Großes zu erreichen. Schwarz und der FSV, das ist auf und neben dem Platz die ideale wie auch logische Symbiose.