Profis 27.09.2023 - 15:00 Uhr
El Ghazi: Drei Schlüssel zum Erfolg
Der niederländische Neuzugang über seine besondere Trikotnummer, Erfahrungen im Tabellenkeller & die ersten Tage als 05ER
Er kommt aus der Kabine zur Medienrunde auf die Haupttribüne des Bruchwegstadions, setzt sich auf einen Platz inmitten der Journalisten am Treppenaufgang, sieht die Platznummer 34, lächelt und sagt: "Das passt ja gut." Die 34, die Neuzugang Anwar El Ghazi am Samstagnachmittag in Augsburg erstmal auf dem Rücken des 05-Jerseys trug, ist eine besondere Zahl für den Niederländer. Es war die Trikotnummer von Kumpel Abdelhak Nouri, der 2017 in einem Freundschaftsspiel einen Herzstillstand erlitt und bleibende, schwere Hirnschäden davontrug. Erst in der Akademie und später bei den Profis hatten El Ghazi und der zwei Jahre jüngere Nouri gemeinsam für Ajax Amsterdam auf dem Platz gestanden. "Als er in die erste Mannschaft gekommen ist, habe ich ihn als kleinen Bruder gesehen und ihm geholfen“, erinnert sich der heutige FSV-Profi.
Heute noch in Kontakt
Auch mehr als sechs Jahre nach dem tragischen Herzstillstand während eines Testspiels des niederländischen Rekordmeisters gegen Werder Bremen habe El Ghazi noch "guten Kontakt“ zu Nouris Familie. Versuche, diese mindestens einmal im Jahr während der Sommerpause zu besuchen. "Es ist so schmerzhaft, weil er ein guter Junge ist. Er war sehr talentiert und gleichzeitig ein toller Mensch“, sagt der 05-Neuzugang. "So etwas wünscht man nicht mal seinem größten Feind.“
Die Rückennummer 34 hat für Anwar El Ghazi eine ganz besondere Bedeutung.
Mainz 05 "das, was ich gebraucht habe“
Nach der traurigen Geschichte zu Beginn der Medienrunde, ist dem Niederländer in seiner ersten vollständigen Woche als 05ER aber auch die Freunde anzumerken, bei Mainz 05 und in der Bundesliga spielen zu dürfen. "Es ist eine der besten Ligen und ein guter Wettbewerb“, sagt der 28-Jährige, der bereits für LOSC Lille in der Ligue 1, Ajax Amsterdam und PSV Eindhoven in der Eredivisie sowie Aston Villa in der Premier League auflief.
Auch das hohe Leistungsniveau der Liga sei ein Argument für die Vertragsunterschrift beim FSV gewesen, Gespräche mit Phillipp Mwene, der bis zum Sommer gemeinsam mit El Ghazi bei PSV spielte, sowie Austausch mit den ehemaligen FSV-Spielern
und Jeremiah St. Juste hätten den Niederländer von Mainz 05 überzeugt. "Schon vor ein paar Jahren haben sie mir in einem gemeinsamen Urlaub von Mainz 05 erzählt. Über die Fans und die Leute hier, dass es eine richtige Familie ist. Das habe ich nicht vergessen“, berichtet El Ghazi. In den Gesprächen mit den Verantwortlichen habe der Niederländer große Anerkennung erfahren. "Das war das, was ich gebraucht habe“, erläutert der Neuzugang, der mit Ambitionen an den Bruchweg kommt.Gekommen, um zu spielen
"Ich bin hierhergekommen, um in der Startelf zu stehen“, so El Ghazi selbstbewusst, nachdem er in der jüngeren Vergangenheit primär als Einwechselspieler zum Zug kam. "Ich werde mein Bestes geben, um dem Trainer die Entscheidung so schwer wie möglich zu machen“, erklärt der Angreifer. Auch Bo Svensson habe bei verschiedenen Offerten eine Rolle in der Entscheidung zugunsten der 05ER gespielt. Mit dem Dänen habe El Ghazi "ein gutes Gespräch“ gehabt, in welchem dieser ihm seine Erwartungshaltung erläuterte. "Er möchte, dass ich dem Team helfe, Chancen zu kreieren und aus dem Nichts vor dem Tor auftauche. Das ist genau mein Spiel“, so der Neuzugang.
Die Mainzer Spielphilosophie ohne eine gemeinsame Vorbereitung direkt zu adaptieren, sei nicht so einfach, berichtet Al Ghazi. "Es ist wie für jeden, der das erste Mal zum neuen Job kommt ein bisschen ungewohnt.“ Profitieren könne er beim Integrationsprozess von den Erfahrungen in unterschiedlichen Vereinen und Ländern sowie dem Umgang innerhalb des Vereins, wo er sich betont wertgeschätzt fühlt.
Schnelles Debüt dank Extra-Einheiten in Amsterdam
Zweimal hatte der Niederländer zu Saisonbeginn noch für Eindhoven auf dem Platz gestanden, bevor man den Vertrag auflöste. "Ich bin einfach glücklich, dass PSV mir geholfen hat, eine Lösung zu finden, sodass ich frei war und zu einem Verein wechseln konnte, der mich wertschätzt. Dort bin ich jetzt und glücklich darüber“, freut sich der 05-Neuzugang.
Zwischen Vertragsauflösung in Eindhoven und der Unterschrift in Mainz trainierte der 28-Jährige bei Jugendklub Ajax. "Ich habe mir ein paar Tage freigenommen, bin nach Saudi-Arabien, nach Mekka geflogen und erfrischt zurückgekommen“, berichtet El Ghazi. Anschließend ging es nach Amsterdam, wo sich der Angreifer für seine neue Aufgabe in Form hielt. "Ich habe meinen Vertrag Freitagmorgen unterschrieben und am Samstag schon gespielt. Das kann man nicht machen, wenn man nicht fit ist“, lacht der Neuzugang. Dennoch werde er einige Wochen benötigen, um seine "Match-Fitness“ vollständig wiederzuerlangen, die rund 15 Minuten in Augsburg hätten sich aber bereits gut angefühlt, wie der Niederländer berichtet.
Glaube, Zusammenhalt, Kommunikation
Der aktuell sportlich schwierigen Situation beim FSV sei sich El Ghazi von Beginn an bewusst gewesen. "Ich weiß, dass es nicht einfach und wir Ergebnisdruck haben“, sagt der Angreifer. "Aber ich bin ein Fußballer, der es liebt, unter diesen Umständen zu spielen. Ich habe keine Angst vor den Herausforderungen.“ Entsprechend bewusst sei die Entscheidung auch in einer herausfordernden Situation für ein Engagement beim FSV gewesen. "Ich glaube, dass ich in Europa noch nicht fertig bin und denke, dass ich dem Team etwas geben und dabei helfen kann, aus dieser Phase herauszukommen“, erklärt El Ghazi.
Dabei kann dem Stürmer möglicherweise auch die Erfahrung aus seinen vorherigen Stationen helfen. "Ich habe ehrlicherweise schon in Vereinen gespielt, in denen der Druck größer ist als hier“, erklärt der Niederländer, der beispielsweise mit Aston Villa nach dem Aufstieg in die Premier League um den Klassenerhalt kämpfte. "Man muss immer daran glauben, als Team zusammenhalten und viel miteinander sprechen“, zählt der Offensivspieler drei Schlüsselpunkte auf, die den AVFC letztlich in der Liga hielten. "Ich habe gelernt, dass im Fußball alles möglich ist. Wir haben den Glauben nicht verloren und es in den letzten vier Spielen gedreht“, erinnert sich El Ghazi an das Finale der Spielzeit 2019/20..
Kleine Dinge, die das Endresultat verändern
Mit dem Hunger, den er bei jedem in seiner neuen Mannschaft verspüre, werde es nicht lange dauern, bis man sich selbst aus der aktuellen Situation hinausmanövriere, glaubt der Neuzugang. Man habe ein starkes Team beisammen, eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern. "Alle trainieren hart, geben aufeinander acht und reden viel miteinander. Diese kleinen Dinge werden das Endresultat verändern“, hofft El Ghazi, trotz der bevorstehenden, schwierigen Aufgaben.
Möglicherweise könne es nach den gänzlich verschiedenen Saisonstarts sogar ein Vorteil sein, dass man als Schlusslicht gegen den Tabellenzweiten Bayer Leverkusen klar in der Außenseiterrolle ist. "Es kann ein Wendepunkt sein“, so El Ghazi. "Und wenn es nicht am Samstag ist, werden wir die Ergebnisse in den kommenden Wochen einfahren. Da bin ich mir hundertprozentig sicher.“