Profis 06.01.2023 - 13:00 Uhr
Fernandes: Mehr als nur ein "guter Kicker"
Wie eine gute Trainingseinstellung und harte Arbeit den Schweizer zu einem wichtigen Bestandteil des FSV-Spiels machen
Er war sicherlich eine der Überraschungen der ersten Saisonhälfte: Edimilson Fernandes. Im Sommer lange als Abgangskandidat gehandelt, stand er zum Liga-Auftakt beim VfL Bochum, auch bedingt durch die Ausfälle von Silvan Widmer und Danny da Costa, plötzlich als rechter Außenverteidiger in der Startelf. Der gelernte Mittelfeldspieler machte seine Sache gut, glänzte unter anderem mit einem Assist und empfahl sich auch im Training für weitere Einsätze - und diese folgten. Ob als Außenverteidiger, defensiver Mittelfeldspieler oder später auch als Innenverteidiger, Fernandes stellte seine Wichtigkeit für die Mannschaft immer wieder unter Beweis und wurde so im Laufe der Hinrunde zu einem festen Bestandteil der Mainzer Dreierkette. Im Trainingslager möchte Cheftrainer Bo Svensson die Umschulung des Schweizers zum Verteidiger weiter vorantreiben. "In der Torverteidigung und generell im Verteidigungsverhalten macht er es gut, aber es geht noch besser", erklärte der 05-Coach nach der zweiten Einheit in Marbella. Neben dem Training auf der Position spreche man viel mit Fernandes und zeige ihm Videos, stelle ihm also "ein ganzes Paket" zur Verfügung, um in der hintersten Reihe noch heimischer zu werden.
Die Chance durch harte Arbeit genutzt
Der ausschlaggebende Faktor für die positive Entwicklung des 26-Jährigen, da sind sich Spieler und Trainer einig, sei die veränderte Arbeitsmoral seit der Rückkehr nach Mainz im vergangenen Sommer. "Ich habe mir vorgenommen, härter zu arbeiten, mehr zu trainieren als die anderen, um meine Chance zu bekommen. Das hat der Trainer, glaube ich, gesehen und letztlich belohnt", kam der Schweizer mit neuen Vorsätzen von seinen Leihstationen bei Arminia Bielefeld und Young Boys Bern zurück nach Rheinhessen. Im Sommer 2021 war Fernandes zunächst nach Ostwestfalen verliehen worden, verlor dort jedoch krankheitsbedingt den Anschluss und konnte sich entsprechend nicht durchsetzen, weshalb es nach nur acht Pflichtspielen im Winter in die Schweizer Hauptstadt ging. "Nach der Zeit in Bielefeld wollte ich wieder zurück nach Mainz, um mich dort in der Bundesliga durchzusetzen", erinnert sich Fernandes in Marbella rund ein Jahr zurück.
Zurück beim FSV nutzte Fernandes seine zweite Chance, arbeitete, besonders körperlich, hart an sich. "Während meiner ersten Zeit in Mainz war ich unzufrieden, dass ich nicht so viel gespielt habe, verließ mich aber auch nur auf meine Qualitäten. Das hat nicht gereicht", erklärt der Schweizer selbstkritisch. "Ich habe verstanden, dass im mentalen und physischen Bereich mehr dazugehört, um sich hier durchzusetzen."
Gute Spiele, aber noch Verbesserungspotential in der neuen Rolle
Fernandes sei "mehr Mann geworden", wisse mittlerweile, was es braucht, um zu seiner Spielzeit zu kommen, bescheinigt auch Svensson dem Schweizer wesentlich mehr Engagement als noch vor anderthalb Jahren. "Er ist zwar nicht der Lautsprecher, aber man merkt ihm an, dass er Selbstvertrauen gewonnen hat, welches er mit einer guten Trainingseinstellung paart. Er ist konzentriert und hat eine gute Ausstrahlung", lobt der FSV-Coach weiter. Die Forderungen nach Spielzeit unterstreiche der 26-Jährige also nicht mehr nur damit, ein "guter Kicker" zu sein, sondern auch mit der Attitüde, die er an den Tag legt.
Die neue Rolle in der Innenverteidigung sei für Fernandes weder eine Überraschung noch ein Problem, er nehme die Rolle gerne an. Er müsse sich erstmal an die Position gewöhnen, Svensson erkläre ihm aber viel, worauf es ankommt. "Mit dem Ball muss er nicht viel lernen, da bringt er viele Voraussetzungen mit", weiß der 05-Trainer um die Qualitäten des Schweizers. In Sachen "Verteidigungsverhalten" könne er die Position aber noch "besser lernen, um konstanter seine Leistungen abzurufen", sieht der Däne Steigerungspotential. "Er hat sehr gute Spiele und Halbzeiten gezeigt, aber um kontinuierlich auf dieses Top-Level zu kommen, braucht er die Abläufe gegen den Ball und Erfahrung in der Zweikampfführung auf dieser Position, denn die Situationen sind schon anders als im Mittelfeld", führt Svensson weiter aus.
WM und Vertragsverlängerung
Die Belohnung für die "sehr guten Spiele": Die Nominierung für den Kader der Schweizer Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in Katar, die für Fernandes mit Blick auf die Vergangenheit "eine Überraschung" war. "Ich hatte lange Zeit nicht gespielt, war etwas von der Blickfläche verschwunden. Umso schöner, dass es geklappt hat", hatte der 26-Jährige eine WM-Teilnahme zunächst gar nicht im Kopf. Das Turnier sei für ihn daher ein "Zusatz" gewesen, habe "Erfahrungen und Selbstvertrauen" gebracht. Beides möchte Fernandes nun auch in Mainz in die Mannschaft einbringen.
Auch im Verein wurden die starken Leistungen des "Nati"-Akteurs honoriert, im November verlängerte der 58-malige Bundesliga-Spieler seinen Vertrag beim FSV langfristig bis 2026. "Die einzig logische und für mich beste Entscheidung", wie Fernandes im Rahmen der Verlängerung zu Protokoll gab. Eine Entscheidung, die dem Schweizer scheinbar nicht schwer viel, denn die Extension seines Kontrakts beschreibt der WM-Teilnehmer als "keine große Sache". Als das Angebot kam, sei ihm direkt klar gewesen, dass er bei Mainz 05 bleiben möchte. "Ich möchte hier wachsen und mich weiterentwickeln, deswegen freue ich mich, hierzubleiben", blickt Fernandes voller Tatendrang in die Zukunft.