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Profis 27.08.2021 - 12:30 Uhr

Das "Osterei" war frei von Schuld

Aus aktuellem Anlass: Erinnerungen an eine Heimniederlage & eines der wohl kürzesten TV-Interviews der Bundesliga-Geschichte - Christian Wetklo & Martin Quast erinnern sich

Wetklo streckt sich vergebens, das 'Osterei' findet den Weg ins Nest. (©imago sportfotodienst)

Erstmals seit neun Jahren empfangen die 05ER am Samstagnachmittag (15.30 Uhr) die SpVgg Greuther Fürth. Beim letzten Aufeinandertreffen in Mainz, an einem lauen Sommerabend im August 2012, unterlagen die Mainzer dem Aufsteiger seinerzeit durch ein Tor von Felix Klaus mit 0:1 – ein unmögliches Tor, dessen (missglückte) Aufarbeitung später ein legendäres TV-Interview zur Folge hatte. Die Protagonisten: Christian Wetklo und der damalige Liga TOTAL!-Reporter Martin Quast. Anlässlich der Neuauflage des Duells erinnern sich beide, denn bis heute herrscht Aufklärungsbedarf. Was hatte zum Hochkochen der Emotionen geführt in diesem Gespräch – live und zur besten Sendezeit?

Wir erreichen "Wetti" in Gelsenkirchen, wollen nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und sprechen zunächst über seinen Job auf Schalke. Soeben hat er mit der Schalker U23, bei der er Torwarttrainer ist, die zweite Mannschaft von Borussia Mönchengladbach mit 1:0 bezwungen und ist bestens aufgelegt. Beim Klub seiner Jugend hat er seine Erfüllung gefunden im Rahmen der Karriere nach der Karriere, ist mit der Familie wieder heimisch geworden. Die Arbeit mit den Nachwuchstalenten bereitet ihm viel Freude. So sehr der Bundesliga-Abstieg der S04-Profis auch den heute 41-Jährigen geschmerzt hat: An seiner Arbeit im Nachwuchsbereich hat sich nicht viel verändert, wie er erzählt. "Die Regionalliga West ist mit den Jungs eine tolle Herausforderung auf hohem Niveau. Aber der Abstieg war brutal und für mich ist bis heute unglaublich, dass das in der Form passiert ist. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Schalke einmal in die zweite Liga absteigt. Es fühlt sich immer noch komisch und nicht real an", so Wetklo.

Vertrauen in Bo

Dass den Mainzern der schwere Gang in Liga zwei in der vergangenen Saison wiederum erspart blieb, freut Wetklo. Zwei Herzen schlagen nach wie vor in seiner Brust, hat er doch für die 05-Profis einst 136 Pflichtspiele absolvieren dürfen. 14 Jahre, die er nicht missen möchte: "Ich verfolge Mainz so, wie ich zu Mainzer Zeiten Schalke verfolgt habe. Ich fiebere mit. Dass die 05ER nach der Hinrunde noch eine solche Rückrunde spielen würden, hätte natürlich niemand für möglich gehalten. Ich habe Bo im Winter geschrieben und gesagt:

'Wenn es einer schaffen kann, dann du.' Er kennt den Verein in- und auswendig und wusste, wo er ansetzen kann. Jemand anderem hätte ich es nicht zugetraut. Die Entscheidung, auf Bo zu setzen, war clever, weil klar war, dass man mit ihm auch etwas aufbaut, sofern es tatsächlich zum Abstieg kommen würde. Es ist perfekt gelaufen, weil auch die Fans sich mit ihm und der Mannschaft identifizieren konnten. Das ist als Spieler, aber vor allem für die Fans, unheimlich wichtig."

Zur Identifkationsfigur wuchs einst auch der Torhüter am Bruchweg heran, trainierte unter Stephan Kuhnert, Jürgen Klopp und Thomas Tuchel, stieg mit dem FSV auf und ab, qualifizierte sich später für die Europa League. Stets ein Mann der klaren Worte, ging er mit Leistung voran und sprach seine Meinung - gerade nach Niederlagen - offen aus. Nach besagtem Fürth-Spiel vor fast auf den Tag genau neun Jahren führte ebendiese Charaktereigenschaft zu einem bemerkenswerten TV-Interview. Die Hintergründe jedoch zeigen, dass der Schein trügen kann, denn das vom Reporter zitierte "Osterei" war wider Erwarten gar nicht der entscheidende Auslöser eines der wohl kürzesten Interviews der Bundesliga-Geschichte gewesen.

27.08.2021

Im Video: "Osterei" & Interview

Es verfolgt sie bis heute

Wetklo erinnert sich wie folgt: "Ich glaube, dieses Interview ist bei vielen mehr in Erinnerung geblieben als das Spiel selbst. Ich werde öfter daran erinnert, als mir lieb ist. Ich habe eben gerade mit Mike Büskens gesprochen (Anm. d. Red.: Heute Co-Trainer der Schalke-Profis, damals Cheftrainer von Greuther Fürth) und ihn auf das Duell Mainz 05 gegen Greuther Fürth am Wochenende angesprochen. Er hat sich sofort an den ersten Bundesliga-Sieg damals erinnert, musste aber zugeben, dass wir die klar bessere Mannschaft waren. Wir haben das Tor nicht getroffen und Fürth hat dann kurz vor Schluss mit dieser abgefälschten Bogenlampe das 1:0 gemacht und gewonnen. Klar, dass ich danach sauer war – Freitagabend, Flutlicht, ein Aufsteiger. Wir haben das Spiel dominiert und mussten wohl durch so ein Tor verlieren", erzählt Wetti. So weit, so gut, denn dann begegnete er in Reporter Quast einem guten Bekannten, dessen Ansprache ihm den Rest gab.

"Ich sag ganz ehrlich", so Wetti im feinstem Ruhrpott-Dialekt weiter. "Das größte Problem war natürlich zum einen, dass ich stinksauer war, aber zum anderen auch gar nicht richtig zugehört habe. Der Quasti und ich waren immer per Du. Er hat Filme über Mainz 05 gemacht, er war so nah dran bei uns, man kennt sich so persönlich. Und dann stehst du vor dieser Kamera und er sagt in seinem Anzug: 'Herr Wetklo, sie...' Da wollte ich eigentlich erstmal fragen: 'Hömma! Was ist denn los mit dir!?' Mir fiel aber ein, dass wir womöglich live drauf sind. Ich dachte: 'Leck mich am A…', da geht er mir jetzt mit dem 'sie' auf den Sack.' Ich habe nur 'Osterei' verstanden und gedacht, er will mir einen Vorwurf machen. Da habe ich keinen Bock mehr gehabt, und dann hat sich das so entwickelt. Vielleicht hätte ich einfach so tun sollen, als würde ich ihn nicht kennen, dann wäre es anders gelaufen. Am nächsten Tag haben wir telefoniert und er hat gesagt: 'Mensch Wetti, klasse Interview, wir haben so und so viele Klicks auf YouTube.' Wir konnten und können darüber lachen, und heute ist das Gespräch schon fast legendär." So viel zu Wetklos Sicht der Dinge, doch wie hatte eigentlich der damals stehengelassene Reporter Quast die Situation erlebt?

TV-Journalist Martin Quast im Wetklo-Trikot.

Wir fragten nach: "Auf gut Deutsch gesagt sind sich in dem Moment zwei 'Assis' auf Augenhöhe begegnet. Es war normal, dass zwischen uns auch mal das eine oder andere derbe Wort fällt, aber immer nett: Quasi hart, aber herzlich. Aus meiner Sicht hat er mich in dem Moment falsch verstanden. Kurz vorher, ungefähr 20 Sekunden, war Felix Klaus bei mir gewesen und hatte gesagt: 'Unfassbar, dass wir mit so einem Osterei dieses Spiel hier gewinnen.' Dann ging es kurz zurück ins Studio und Wetti war an der Reihe. Für mich war es logisch, Bezug auf das 'Osterei' zu nehmen – quasi als moderative Überleitung. Wir waren eigentlich total dicke miteinander, aber ich stand da mit meinem Anzug vor ihm und habe ihn - wie jeden Spieler - gesiezt. Das war wohl zu viel in dieser Situation."

Auch Bello hat nicht vergessen

Der Rest der Geschichte ist bekannt und lädt rückblickend immer wieder zum Schmunzeln ein. "Der Bello begrüßt mich übrigens heute noch jedes Mal mit den Worten: 'Dann brechen wir die Kacke ab', ergänzt Quast lachend und bestätigt, dass die Aussprache zwischen ihm und Wetklo nicht lange auf sich warten ließ. "Wir haben uns zwei Tage später am Bruchweg verabredet, zwei Bier getrunken und uns kaputt gelacht, weil wir drei Tage lang zu den am meisten geklickten YouTube-Videos in Deutschland gehört haben. Auch mich verfolgt das Video bis heute, es war Situationskomik und bleibt legendär."

Dass sich Geschichte wiederholt, glauben übrigens weder Wetklo noch Quast. Sie sind vor dem Wochenende überzeugt von einem Sieg der 05ER: "Das Spiel gegen Leipzig war schon beeindruckend, die Heimstärke ist zurück. Gerade nach dem Spiel in Bochum, denke ich, dass die Sinne wieder geschärft sind. Greuther Fürth ist schlagbar, deswegen gehe ich stark davon aus, dass Mainz 3:1 oder 4:1 gewinnen wird", so Wetklo. Quast glaubt sogar an eine weiße Weste der 05ER: 2:0; und an ein Debüt-Tor: "Stachi trifft", so der Journalist.