Profis 07.01.2014 - 08:44 Uhr
Geduld zahlt sich aus
Stefan Bell spricht über Chancen und Rückschläge, kurzfristige und langfristige Ziele
Bundesliga zu spielen, der Traum eines jeden Kickers. In den Nachwuchsleistungszentren der Fußball-Bundesliga tummeln sich hunderte von Talenten, doch auch wenn Sie in den A- und B-Juniorenauswahlen auf höchster Ebene spielen, bedeutet das nicht automatisch den Sprung in den Profikader. Dass die Karriere auch mal Umwege machen und wie wichtig Glück sein kann, das weiß Stefan Bell. Der junge Innenverteidiger hat mit seinen 22 Lenzen schon genug Höhen und Tiefen für eine 22-jährige Profikarriere erlebt. Seit einigen Monaten hat sich Bell, der von Thomas Tuchel auch schon rechts in der Viererkette eingesetzt worden ist, festgespielt im Abwehrzentrum des FSV. Allerdings nicht ohne Starthilfe von Fortuna.
„Des einen Glück ist im Profifußball oft des anderen Leid“, sagt 05-Trainer Thomas Tuchel und weiß, dass für junge Talente oft erst eine Verletzung oder ein Wechsel eines Teamkameraden das Ticket für ein Bundesligaspiel löst. So war es auch im Fall von Stefan Bell. Als Bo Svensson mit Achillessehen-Problemen aussetzen musste, stand der 22-Jährige parat. Und nutzte seine Chance. „Ich habe einfach mein Bestes gegeben, denn so eine Möglichkeit sich zu präsentieren will man sich ja nicht durch die Lappen gehen lassen“, sagt Bell, „ich bin auch grundsätzlich der Typ, der Leistung bringen kann in Situationen, in denen es drauf ankommt.“ Selbstbewusster und routinierter ist der gebürtige Andernacher auch auf dem Platz geworden. Und seinen Platz in der Viererkette will er nicht kampflos wieder aufgeben, auch wenn Bo Svensson wieder beschwerdefrei und Niko Bungert wieder im Mannschaftstraining ist. „Mein Ziel ist es eine gute Vorbereitung zu machen und in Stuttgart dann wieder auf dem Platz zu stehen. Ich weiß aber auch, dass das nicht einfach wird und ich hart dafür arbeiten muss.“ Dass Plätze im Kader doppelt besetzt sind, sei normal, so Bell. „Aber dieser Konkurrenzkampf ist auch gut, da er immer das Beste aus einem herauskitzelt.“
Obwohl Bell in den vergangenen Spielen überzeugen konnte, geht Thomas Tuchel sparsam mit Lob für den Defensivspieler um. „Er ist in jedem Fall ein Spieler, der hart arbeiten und immer wieder an seine absoluten Grenzen gehen muss, um auf diesem Niveau dauerhaft spielen zu können. Man muss ihn immer ein bisschen kitzeln, herausfordern“, weiß Tuchel, und Bell gibt seinem Trainer Recht. „Ich brauche Druck, damit ich nicht nachlasse. Außerdem kann ich intensive Trainingseinheiten gut wegstecken. Unser Coach kennt mich eben ein paar Jahre und weiß, wie er das Beste aus mir herauskitzeln kann.“
Für einen 22-jährigen hat Stefan Bell schon eine beachtliche Vita. Seinen Weg vom TuS Mayen nach Mainz fand der Abwehrrecke 2007 in der B-Jugend zwei Jahre später wurde Bell mit den 05ern unter Thomas Tuchel deutscher A-Junioren-Meister. Doch es war nicht der beeindruckende Erfolg mit dem FSV-Nachwuchs, der ihn auf die Karte der am meisten umworbenen Talente der Liga setzte, sondern ein Anruf aus Italien. Inter Mailand zeigte Interesse am damals 18-Jährigen. Doch Bell blieb vernünftig: „Klar ist das toll, wenn sich ein internationaler Top-Klub wie Inter Mailand für einen interessiert. Ich bin auch dankbar für das Angebot, denn es war wie ein Türöffner für den Profifußball und hat auch das Interesse von 1860 München geweckt. Die Leihe dorthin hat mir die Chance gegeben, Stammspieler zu sein in der zweiten Liga – das ist erfahrungstechnisch gesehen besser als in italienischen Jugendligen zu spielen.“
Doch auf den Erfolg in München folgten Rückschläge. „Ich hab bei 1860 gut angefangen, mich dann aber verletzt, wieder zurück auf den Platz gekämpft und dann wieder verletzt. Und dann bin ich von Mainz nach Frankfurt ausgeliehen worden, was aber auch kein Fehler war. Ich kam aus einer Verletzung da hin, wollte zu viel und musste mich am Ende doch mit wenig Spielpraxis abfinden. Als ich dann endlich am Kader dran war, habe ich mich wieder verletzt“, erzählt der 22-Jährige. Doch verzagen war nichts für Bell: „Rückschläge gehören zum Geschäft. Ich kenne keinen Spieler, der von 0 auf 100 ohne Pause durchgestartet ist.“
Am Ende führte der Weg 2012 wieder nach Mainz zurück, in die fußballerische Heimat Bells. Er wusste, dass er geduldig sein musste. „Als Offensivspieler wird man eher mal als Joker eingewechselt, bei Defensivspielern geht das nicht so schnell, meist muss man erst auf eine Verletzung oder sonstige unvorhergesehenen Umstände warten“, sagt Bell. Er entschied zu warten, musste sich aber bis zu seinem ersten Bundesligaeinsatz nicht allzu lang gedulden. Bereits gegen Ende seiner ersten Hinrunde bei den 05ern kam er regelmäßiger zum Einsatz, wenn auch auf ungewohnter Position rechts in der Viererkette. „Das hat auch gut funktioniert und macht mir auch Spaß, aber grundsätzlich sehe ich mich eher als Innenverteidiger“, sagt Bell. Auch als er nach einer starken Vorbereitung auf die Saison im Sommer wieder nur ins dritte Glied rückte, blieb der 22-Jährige geduldig. Und nutzte seine Chance, als sie schließlich kam.
Ende der Saison läuft der Vertrag des jungen Abwehrspielers aus, doch von Zukunftsplänen möchte Bell akut noch nichts wissen. „Hier im Trainingslager habe ich weiß Gott wichtigeres zu tun, als mir darüber Gedanken zu machen, was in einem halben Jahr passiert“, sagt Bell, der klar macht, dass sein Fokus auf gute Trainingsleistungen und damit auch ein Platz in der Startelf zum Spiel gegen den VfB Stuttgart liegt. „Aber Mainz 05 ist meine Heimat. Ich fühle mich hier wohl, der FSV ist also mein erster Ansprechpartner. Den Rest, den sieht man dann.“