Profis 19.10.2016 - 12:21 Uhr
Glanz und Gegenwart
Der ehemalige Europapokalsieger RSC Anderlecht will mit Renè Weiler zurück in die Erfolgsspur finden
Am Donnerstagabend geht das Abenteuer Europa League für unsere 05er in die dritte Runde. Zu Gast in der OPEL ARENA (Anpfiff: 21:05 Uhr): Der RSC Anderlecht, hochdekorierter Gegner mit großer internationaler Tradition, beheimatet in einer von 19 Gemeinden der belgischen Hauptstadt Brüssel. Die Titelsammlung des „Royal Sporting Club“ kann sich sehen lassen. Auf kontinentalem Parkett gelang 1982/83 der Gewinn des UEFA-Cups. Den Europacup der Pokalsieger holte der RSC zweimal. Hinzu kommen 33 nationale Titel, die den Klub zum Rekordmeister unseres Nachbarlandes machen sowie neun Pokalsiege.
In den 108 Jahren seit seiner Gründung hat der Verein zahlreiche Spieler hervorgebracht, die sich über die belgischen Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht haben. Die aus der jüngeren Vergangenheit wohl geläufigsten lauten Jan Koller, der später bei Borussia Dortmund zum Publikumsliebling wurde, Vincent Kompany, von 2006 bis 2008 in Diensten des Hamburger SV und seitdem in Diensten von Manchester City, Bart Goor, hierzulande einst bei Hertha BSC am Ball oder Romelu Lukaku, 23-jähriger belgischer Nationalspieler und aktuell beim FC Everton unter Vertrag.
Allein, mit dem Glanz der Vergangenheit kann die gegenwärtige Lage beim RSC nicht ganz Schritt halten. Die letzte Meisterschaft datiert aus dem Jahr 2014, der letzte nationale Pokal durfte nach der Saison 2007/2008 in die Höhe gestemmt werden. In bessere Zeiten soll den Klub ein neuer, in Deutschland bestens bekannter Trainer führen. René Weiler wurde im Sommer vom 1. FC Nürnberg verpflichtet und ist angetreten, den Klub zumindest national wieder an die Spitze zu führen. Die Offerte aus Anderlecht habe ihn "sehr gereizt. Für meine Karriere ist das ein Schritt nach vorne", sagte Weiler nach seiner Verpflichtung.
Als Tabellenführer nach Mainz
Die erste Saisonphase hat der Schweizer Fußballehrer dabei in der heimischen Liga mit Bravour gemeistert. Am Wochenende übernahm der RSC durch ein 1:0 gegen den KSC Lokeren die Tabellenführung und reist mit neuem Selbstbewusstsein zum Europa-League-Gastspiel nach Mainz. Weilers Debüt hingegen war im Sommer weniger vielversprechend verlaufen. In der Qualifikation zur Gruppenphase der Champions-League scheiterten die Belgier am FK Rostow (2:2/0:2).
Europa League statt Königsklasse, Mainz 05 statt Bayern München, Champions-League-Gruppengegner der Russen, heißt es nun also für den RSC, der mit vier Punkten ähnlich solide in die internationale Saison gestartet ist wie Mainz 05 und die Tabelle aktuell aufgrund des besseren Torverhältnisses anführt. Einem 3:1 gegen FK Qäbälä im heimischen Constant-Vanden-Stock-Stadion folgte ein 1:1 bei AS St. Étienne, bei dem Anderlecht wie auch die 05er im ersten Gruppenspiel einen späten Ausgleichstreffer gegen die Franzosen hinnehmen mussten.
Teodorczyk im Auge behalten
Die Fixpunkte im Spiel des morgigen Gegners sind in erster Linie drei Legionäre. Kapitän Sofianne Hanni wechselte vor der Saison für 2,2 Millionen Euro vom KV Mechelen zu den Königlichen und kam mit der Empfehlung, belgischer Fußballer des Jahres zu sein nach Brüssel. Bei zehn Einsätzen in der heimischen Jupiler League verzeichnete der algerische Nationalspieler bislang drei Tore und ebenso viele Assists. Sein Partner im offensiven Mittelfeld wurde im Sommer als großes Verprechen für eine glorreiche Zukunft verpflichtet. 9,8 Millionen Euro Ablöse überwies der RSC an Steaua Bukarest, um sich die Dienste des rumänischen Nationalspielers Nicolae Stanciu zu sichern. Mit knapp 1,70 Meter Körpergröße erinnert nicht nur seine Statur an Lionel Messi, auch die Bewegungsabläufe des Mittelfeldspielers ähneln denen des Argentiniers bisweilen. Dennoch befindet sich der in seiner Heimat längst als Wunderknabe gefeierte 23-Jährige noch in seiner Eingewöhnungsphase. In fünf Einsätzen kam er bislang auf ein Tor sowie zwei Vorlagen. In der Europa League assistierte er ein weiteres Mal. Vollends eingeschlagen hat hingegen ein weiterer neuer Mann. An vorderster Front wirbelt der von Dynamo Kiew verpflichtete polnische Nationalspieler Lukasz Teodorczyk. Der Stürmer zeigte sich von Beginn an treffsicher und durfte sowohl in der Jupiler League (sechs Mal) als auch in der Europa-League-Qualifikation (zwei Mal) und der Gruppenphase der Euro League (ein Mal) bereits eigene Treffer bejubeln.
Der Neustart unter Weiler scheint geglückt, der erste Schritt in eine vielversprechende Zukunft getan. Bauen kann der RSC dabei auch in Zukunft auf eine der erfolgreichsten Nachwuchsakademien Europas. Denn weitere Talente, die Spielern wie Kompany oder Lukaku in naher Zukunft folgen dürften, scheinen bereit zu stehen. Immerhin schlug der RSC in der UEFA Youth League, der U19-Junioren-Ausgabe der Champions League, in den vergangenen beiden Jahren jeweils den FC Barcelona und damit die Auswahl aus der wohl renommiertesten Nachwuchsakademie der Welt. Ein Fingerzeig für die Zukunft? Weiler geht die Aufgabe in Belgien mit Geduld an und will die Entwicklung Schritt für Schritt vorantreiben. "In den letzten beiden Jahren ist man hier nicht Meister geworden, deswegen ist es sicher ein Ziel, wieder um den Titel mitzuspielen", sagte er im Sommer, wohlgemerkt bezogen auf die nationale Ebene. Es wäre ein erster Schritt zurück zu altem Glanz und in die Königsklasse. Auf internationalem Parkett wollen unsere 05er in den kommenden beiden Spielen dafür sorgen, dass der Glanz zumindest in dieser Saison eine reine nationale Angelegenheit bleibt. Immerhin steht das Rückspiel in Belgien bereits zwei Wochen nach dem morgigen Heimspiel an.
Die Bilanz des RSC gegen deutsche Verein in Europapokal-Duellen steht bei zwölf Siegen, vier Unentschieden und 17 Niederlagen. Von den 16 Spielen auf deutschem Terrain gewannen die Belgier vier und verloren elf Mal.