Historischer Erfolg auf Umwegen

Mit fünf Flugstunden in den Beinen war den Profis des 1. FSV Mainz 05 die Müdigkeit am frühen Freitagmorgen noch anzusehen. Ein Zustand, der ansonsten so gar nicht zum bisherigen Saisonverlauf passen will. Acht Spiele, acht Mal Spannung pur inklusive des dazugehörigen Offensiv-Spektakels und einem wettbewerbsübergreifenden Torverhältnis von 19:17: In diese einfache, wenn auch nicht auf jede der bislang absolvierten Pflichtübungen der 05er in gleichem Maße zutreffende Formel lassen sich die Auftritte nach dem Europa-League-Spiel gegen FK Qäbälä zusammenfassen. In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku konnten die Mainzer durch den 3:2 (2:0)-Auswärtserfolg zwar den historischen, weil ersten Sieg der Vereinsgeschichte im Rahmen der Gruppenphase eines europäischen Vereinswettbewerbs feiern. Leicht hatten es die FSV-Profis dabei allerdings wieder einmal weder sich noch den rund 300 mitgereisten Anhängern gemacht. Bevor nämlich der angestrebte dreifache Punktgewinn eingetütet war, war auch das Nervenkostüm aller rot-weißen unter den rund 8.500 Anwesenden reichlich strapaziert worden. Schließlich war der Sieg nach einem über weite Strecken dominanten Auftritt der Gäste aufgrund individueller Unachtsamkeiten im Defensivverhalten zwischenzeitlich noch einmal in Gefahr geraten.

Nach einer verdienten 1:0-Pausenführung durch Yoshinori Muto hatten Pablo De Blasis und Yunus Malli es in der Drangphase nach der Pause verpasst, den Sack zu zu machen. Aufgrund ebendieser unbefriedigenden Chancenverwertung sowie Unkonzentriertheiten in der Abwehrarbeit kam Qäbälä binnen vier Minuten nicht nur zum Ausgleich, sondern drehte die Partie sogar. „Uns war bewusst, dass Qäbälä nach dem Wechsel noch einmal alles geben würde“, sagte 05-Trainer Martin Schmidt im Anschluss an die umkämpften 90 Minuten. „Nach dem Rückstand war es dann ein völlig neues Spiel, dem wir durch die Einwechslungen von Jhon Cordoba und Levin Öztunali dann noch die Wende geben konnten – denn beide haben getroffen.“ Unter dem Strich war der Trainer nach dem Sieg und nunmehr vier Punkten aus zwei Partien in der Europa League zufrieden. „So hatten wir uns das vorgestellt. Wir wollten uns die zwei verlorenen Punkte aus dem Spiel gegen St. Étienne heute zurückholen.“   

"Wird uns Sicherheit geben"

Der Schweizer hatte in Baku am Donnerstagabend abermals ein glückliches Händchen bewiesen und intuitiv genau richtig auf den Rückstand reagiert. Gelungen war ihm dies bereits bei den Auswärtssiegen in Augsburg und Bremen, als Muto und De Blasis als Joker entscheidende Treffer erzielen konnten. Ein Hinweis auf die Breite und Qualität des Kaders. „Solche Spiele sprechen auch für unsere Mentalität, das ist extrem wichtig und wird uns Sicherheit geben“, so Schmidt. Gleichzeitig geben sie im Hinblick auf die kommenden, nicht minder anspruchsvollen Monate, Selbstvertrauen in das eigene Leistungsvermögen. Ein weiterer Faktor, der positiv stimmt, ist die Fitness des Teams und die Bereitschaft, bis zur letzten Sekunde um jeden Meter zu kämpfen, wie auch der Trainer betonte.

Dass dabei in der aktuellen Saisonphase Woche für Woche ein Spektakel zu beobachten ist, welches nicht selten einer Achterbahnfahrt der Gefühle gleicht, ist auch dem 05-Trainer bewusst. „Dafür sind wir bislang in dieser Saison bekannt“, so Schmidt. „Wenn wir immer drei Tore schießen, sind wir dennoch auf einem guten Weg.“ Klar sei für ihn trotz der guten Quote in der Offensive, dass in den kommenden Wochen dennoch mehr Ruhe und Konstanz ins Spiel seines Teams einkehren müsse. „Noch fehlt uns etwas die Stabilität zwischen Offensive und Defensive. Trotz allem sind wir aber erst einmal wir sehr glücklich über diesen ersten Europa-League-Sieg, der für die Fans und den Verein extrem wichtig ist.“

Auf die Fans ist Verlass

Auf der Arbeit an der angesprochenen Stabilität dürfte in den kommenden Wochen ein Hauptaugenmerk in den Trainingseinheiten am Bruchweg liegen. Gelingt die Umsetzung dieses Vorhabens, wären ohne Zweifel auch die Fans dankbar, eine Schlussphase demnächst zur Abwechslung ohne sich anbahnende Nervenzusammenbrüche erleben zu dürfen.

Verdient hätten sie es. Das zeigte auch die lange Reise nach Baku, auf der die Anhänger ihr Team nicht nur in der Arena frenetisch bejubelten und so ihren Teil zur Wende beitrugen, sondern die Profis zudem auf dem gemeinsamen Hin- und Rückflug im Lufthansa-Airbus feierten. Das Abenteuer Aserbaidschan wurde für den FSV somit trotz der beschwerlichen Anreise mit insgesamt über 6000 Kilometern Flugstrecke zum vollen Erfolg. Mannschaft und Fans traten als Einheit auf und bewiesen, dass der Verein reif ist für die internationale Bühne. Trainer Schmidt dankte es dem rot-weißen Fanblock in der Arena 20 Minuten nach dem Abpfiff gar mit einer gemeinsamen Gesangseinlage. Mit dem Sieg im Rücken richtet sich der Fokus nun bereits kurz nach der Rückkehr auf das nicht minder wichtigere Tagesgeschäft Bundesliga. Denn nach einer kurzen Regenerationseinheit sowie dem Abschlusstraining am Samstag geht es für die 05-Profis schon weiter nach Wolfsburg, wo am Sonntag (Anpfiff: 15:30 Uhr) die nächste Herausforderung wartet. Danach folgt die Länderspielpause – und somit etwas mehr Zeit in den Trainingseinheiten, um nach dem gelungenen Saisonstart weiter am letzten Feinschliff zu arbeiten.