Profis 20.01.2019 - 16:00 Uhr
Im Verwaltungsmodus geht's nicht
05er dominieren, müssen aber nach 3:0-Führung in Stuttgart um Auswärtssieg zittern – Estepona-Syndrom beim Rückrundenauftakt überwunden
Eine Halbzeit lang souverän, zum richtigen Zeitpunkt vermeintlich alles klar gemacht und dann doch wieder vom Estepona-Syndrom befallen: Der 1. FSV Mainz 05 musste zum Rückrundenauftakt in der Bundesliga am Ende kräftig leiden, ließ sich diesmal jedoch nicht mehr wie im Trainingslager noch die Butter vom Brot nehmen und feierte letztlich einen erfolgreichen Start ins neue Jahr. "Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir in Stuttgart gewinnen", sagte Rouven Schröder nach dem 3:2-Sieg beim abstiegsbedrohten VfB. "Es wäre schade gewesen, nach einem klaren 3:0 hier noch einen Punkt abzugeben. Wir haben aber nun drei Punkte mehr. Für den Trainer ist das ideal, er hat Themen, die er ansprechen kann. Am wichtigsten ist die Erkenntnis, dass wir trotz der Wackler gewonnen haben", erklärte der 05-Sportvorstand.
Es war die 72. Minute in der mit über 50.000 Zuschauern gefüllten Stuttgarter Arena, als die enttäuschten VfB-Fans in Scharen das Stadion verließen. Deren Hoffnungen waren spätestens mit diesem Treffer von Alexander Hack im Anschluss an den Eckball von Aarón zerstört. Der 05-Innenverteidiger setzte für die in allen Belangen besseren Gäste das 3:0 oben drauf auf die beiden Treffer von Jean-Paul Boëtius und Jean-Philippe Mateta vor der Pause. Doch mit dem klaren Vorsprung im Rücken verfielen die 05er plötzlich in Passivität, kassierten das Anschlusstor, ließen sich danach von Marc-Oliver Kempfs Kopfball zum 2:3 düpieren, hatten Glück, dass Anastasios Donis nur den linken Pfosten traf und dass der Schiri nach Videoüberprüfung ein angeschossenes Handspiel von Aarón nicht mit Elfmeter ahndete.
Bilder in den Köpfen
"Man führt 3:0, denkt, man hat alles im Griff und mit dem Gegentor wird's nochmal schwierig. Es ist ganz normal, dass dann die Bilder aus dem Trainingslager wieder in die Köpfe kommen", sagte Schröder. In Andalusien hatte das Team von Sandro Schwarz nach 2:0-Führung gegen Lüttich verloren, gegen die den SC Freiburg noch zweimal Unentschieden gespielt. "Und dann kommst du im ersten Pflichtspiel wieder in eine solche Situation", sagte der 05-Trainer. "Das kriegst du nur mit Erfolgserlebnissen raus aus den Köpfen. Das war der erste Schritt. Wir haben dem Druck standgehalten und das Ergebnis gezogen." Bei allen Diskussionen darüber geriet in Vergessenheit, dass Anthony Ujah kurz vor dem Abpfiff, nach einem perfekten Konter über Levin Öztunali die Riesen-Kopfballmöglichkeit zum 4:2 vergeben hatte.
Dass der Mainzer Auswärtssieg die Kräfteverhältnisse korrekt widerspiegelte, daran gab es keinen Zweifel. Nach ein paar Minuten Anlaufzeit übernahmen die 05er die Kontrolle, dominierten, hatten Tiefgang und Torgefahr, verteidigten konsequent. "Wir hatten in der kurzen Vorbereitung das Gefühl, dass wir weitere Schritte nach vorne gemacht haben in unserem Offensivspiel", sagte Schwarz. "Dazu hat man heute gesehen, dass wir eine gute Selbstverständlichkeit in der Raumaufteilung im Ballbesitz hatten, ein gutes Gefühl in den Räumen, in den Verlagerungen. Im ersten Spiel so aufzutreten, war schon herausragend."
Tolle Aktion zum 2:0
Das zeigte sich bei den den Toren und darüber hinaus bei vielen weiteren Chancen. Der überragende Aarón spielte am linken Flügel in die Tiefe, Jean-Philippe Gbamin überlief im Vollsprint Gonzalo Castro, VfB-Keeper Ron-Robert Zieler wehrte die Flanke ab vor die Füße von Boëtius, dessen Schuss Ascacibar noch abfälschte. Torschütze Mateta selbst leitete dann das 2:0 ein, versetzte mit einem Doppelpass mit Robin Quaison die komplette VfB-Abwehr, zog im Strafraum noch kurz auf und vollstreckte. Boëtius verpasste zudem mit zwei großen Chancen das 3:0, Quaison ebenfalls. "In der zweiten Halbzeit hatten wir weniger Entlastung, nicht mehr so den Zugriff, um mehr Umschaltmöglichkeiten zu kreieren", sagte der 05-Trainer. "Wir haben aber auch keine klare Torchance wegegeben und nie das Gefühl gehabt, das Spiel könnte kippen." Bis das Team nach dem 3:0 dann den Verwaltungsmodus eingschaltet habe.
"Du musst in der Intensität drinbleiben, wenn du den Gegner am Haken hast", sagte Schwarz. "Wenn du das Ergebnis hast, musst du zeigen, dass du aktiv bleibst. Du darfst dich nicht hinten reinfallen lassen. Wir sind nicht die Mannschaft, die etwas verwalten kann. Wir müssen das Gaspedal immer durchdrücken, dann sind wir gut. Wenn wir nur Ballbesitz haben wollen ohne Spielrichtung, haben wir keine Chance. Wenn wir nur hinten drin stehen und nur verteidigen wollen, haben wir keine Chance. Wir brauchen Aktivität, Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit." Der 40-Jährige sah in diesem Auftritt dennoch einen Lerneffekt. "Wir haben drei Punkte geholt, auswärts zwei Tore geschossen. Zwei davon aus den Mustern, die wir angerissen haben in der Vorbereitung. Eines aus einem Standard. Der VfB wollte mit einer Kaderveränderung euphorisch starten, ein Zeichen im Abstiegskampf setzen. Was wir dagegen getan haben, war bis zur Schlussphase sehr gut", betonte Schwarz. "Es war ein weiterer Entwicklungsschritt."