Profis 12.05.2021 - 17:00 Uhr
Rekord im Dienst der Mannschaft
Sinnbild der Mainzer Aufholjagd: Jeremiah St. Juste überzeugt durch kompromisslose Zweikampfführung, Tempo & Leidenschaft - Gemeinsame Rekorde sind ihm dabei wichtiger als persönliche Bestmarken
Es war eine Szene, die viel von dem widerspiegelt, was die 05ER als Gruppe auszeichnet in dieser Rückrunde: Unbändiger Wille, Gier, die pure Leidenschaft. Frankfurts André Silva schien längst enteilt in dieser 37. Minute des Rhein-Main-Duells und auf sicherem Weg zum Ausgleich. Aus dem Windschatten des Portugiesen kam Jeremiah St. Juste angeschossen, setzte zum perfekten Tackle an und verhinderte den Torschuss des Eintracht-Torjägers. Eine Monstergrätsche (hier im Video) für den begeisterten Beobachter, für den 24-Jährigen nicht viel mehr als ein selbstverständlicher Dienst im Sinne der Mannschaft: "Das ist meine Qualität, so kann ich meinen Teil beitragen. Eine meiner Stärken ist mein Tempo, was der Mannschaft natürlich hilft, wenn wir hoch pressen", gab der Innenverteidiger kurz vor dem Auftakt in die Trainingswoche am Mittwochmittag bescheiden zu Protokoll.
Auch, dass er sich jüngst mit 36,1 km/h zum schnellsten Bundesliga-Spieler der Saison gekürt hat, nimmt er nüchtern zur Kenntnis - ein Rekord als "schöne Momentaufnahme". Viel wichtiger ist St. Juste, der seit seinem Wechsel im Sommer 2019 55 Bundesliga-Partien (2 Tore) im Trikot des FSV absolviert hat, die Saison mit den Mainzern zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Und als Mannschaft Rekorde zu brechen. Denn er weiß: "Wenn wir den Klassenerhalt schaffen trotz nur sieben Punkten aus der Hinrunde wäre das ein historischer Erfolg. Und wir wollen bis zum Saisonende weiterhin ungeschlagen bleiben – auch das wäre ein Rekord für die längste Serie in der Vereinsgeschichte."
Trotz der hervorragenden Ausgangssituation, und so sehr auch St. Juste finale Klarheit in Sachen Ligaverbleib herbeisehnt, gelte es, die Spannung hochzuhalten in den beiden anspruchsvollen Duellen gegen den BVB und Wolfsburg. "Emotional wäre der Klassenerhalt sicherlich das Größte, was ich als Fußballer erlebt habe. Aber wir müssen es zu Ende bringen, dann können wir feiern", betont St. Juste.
Wieviel Zeit zum Feiern und Abspannen dem 05-Feldspieler mit den meisten Einsatzminuten (2700 von 2880) der Saison bleibt, dürfte auch von einem im Sommer bevorstehenden Großereignis abhängen. Nach seiner erstmaligen Nominierung für die niederländische Nationalmannschaft im März darf er sich durchaus Hoffnung auf die Europameisterschaft machen, beschäftigt sich jedoch vor Erreichen des Klassenerhalts mit jedweden perspektischen Planspielen nur am Rande. "Ich will einfach hier in Mainz meine Leistung bringen, hier kann ich mich in jedem Spiel zeigen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich nominiert werde. Aber der Trainer entscheidet."
Nie den Glauben verloren
Dass es ihm am Rhein auch dank der furiosen Aufholjagd seit Januar gelungen ist, sich nachhaltig in den internationalen Fokus zu spielen, hat den kompromisslosen Abwehrmann, ungeachtet der komplizierten Ausgangssituation zu Jahresbeginn, indes nicht gänzlich überrascht. "Ich habe immer gesagt, dass ich an diese Gruppe glaube und, dass wir es schaffen können. Es war nicht einfach, es ist noch nicht geschafft, aber sieht sehr gut aus. Die Art und Weise bis hierhin ist bemerkenswert." Neben seinen Teamkollegen sei mit Bo Svensson im Winter ein weiterer entscheidender Faktor hinzu gekommen, wie auch St. Juste bestätigt. "Er hat uns aufgerichtet und uns den Weg aufgezeigt. Einen klaren Plan gegeben, wie wir spielen wollen und unsere Stärken in den Fokus gerückt. Bo hat uns mehr nach vorne verteidigen lassen, um den Gegner weiter weg von unserem Tor zu halten", erläutert St. Juste, der sich als Teil der drittbesten Defensive der Rückrunde bezeichnen darf. "Das war ein großer Turnaround und wichtiger Faktor in der Rückrunde." Zudem bringe der Trainer "unheimlich viele Energie in die Gruppe. Und das will er auch von jedem Spieler sehen".
Ins Quarantäne-Hotel am Rande des Mainzer Volksparks geht St. Juste nun mit einer Mischung aus Anspannung, Lockerheit und Vorfreude. "Wir sind es nicht gewohnt, aber nehmen die Situation an, wie sie ist", sagt er zwar mit Blick auf die ungewohnten Rahmenbedingungen im Saisonendspurt. Dennoch gehe es in erster Linie darum, die Mission Klassenerhalt nun konsequent zu vollenden. Dass dieser unter Umständen sogar am Samstagnachmittag, und ohne direkte Mainzer Beteiligung gelingen könnte, spielt mit Blick auf die Einordung aus Sicht des 24-jährigen Familienvaters keine Rolle: "Wir werden zusammen sein, und natürlich wäre es eine große Erleichterung, dafür haben wir zusammen gekämpft. Insofern wäre es nicht anders, als auf dem Platz." Dort dürfen die 05ER bekanntlich erst am Sonntagabend (18 Uhr) gegen den BVB ran. Nach vier Zählern aus den Duellen mit Bayern München und den Frankfurtern will St. Juste mit den Teamkollegen dann weiter an der beachtlichen Bilanz gegen die Spitzenteams der Liga schrauben.