Verein 04.01.2023 - 10:00 Uhr
Jörg Happel: Keine Angst haben, Schiedsrichter zu werden
Der Amateur-Schiedsrichter über die Herausforderungen und Freuden als Referee
Jörg Happel ist Schiedsrichter für den 1. FSV Mainz 05 und mittlerweile von der Bezirks- bis zur Verbandsliga im Amateurfußball als Unparteiischer aktiv. Begonnen hat die Referee-Karriere des 46-Jährigen erst vor drei Jahren – und hat einen etwas kuriosen Ursprung. Zum Abschluss der ersten Phase der Wintervorbereitung leitete Happel das interne Testspiel der 05-Profis und sammelte dort neue Erfahrungen "auf einem ganz anderen Niveau.“ In einem Interview erklärte er, was für ihn den Reiz des Schiedsrichterwesens ausmacht, wie man richtig mit Spielern und Fans umgeht und mutmaßt über Gründe für den Mangel im Nachwuchs.
Vielfältige Herausforderungen
"Du musst topfit sein, denn du läufst oft mehr als die Spieler", sieht Happel die Fitness als Grundlage für jeden Schiedsrichter. "Ich bin früher Marathons gelaufen, aber hier geht es um kurze Antritte, Richtungswechsel, Sprints von einem Strafraum zum anderen, um immer auf Ballhöhe zu sein. Dazu kommt die Fähigkeit, Situationen schnell zu bewerten, zu den eigenen Entscheidungen zu stehen und diese begründen zu können", zählt Happel weitere Herausforderungen auf. Das Wichtigste sei aber die Kommunikation und Körpersprache. "Ich will Spaß auf dem Platz haben, genau wie die Spieler auch. Das geht nur mit dem richtigen Ton und einem Gespräch auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt. Die Spieler sollen merken, dass man normal mit mir reden kann", so der Referee weiter. Denn jeder mache Fehler, die Spieler, die den Ball mal nicht optimal treffen, aber auch der Schiedsrichter, der mal nicht richtig steht und etwas übersieht.
Happel sei es ein Anliegen, dass Spieler und Zuschauer immer realisieren, dass er es richtig machen will, um das Fußballspiel gemeinsam zu einem "tollen Erlebnis" zu machen. Man müsse als Referee stets mit der richtigen Einstellung auf den Platz gehen, entsprechend auf die Partie vorbereitet sein. Dazu gehöre es, alle Utensilien dabeizuhaben, pünktlich zu sein und schon vor dem Spiel den Austausch mit beiden Mannschaften zu suchen. Fit und motiviert zu sein, das Beste zu geben, seien zudem Grundvoraussetzungen und eine gute Basis für einen erfolgreichen Spielverlauf. Happel pfeift inzwischen in der Bezirksliga im Gespann, also mit Assistenten, für Mainz 05 und ist in der Verbands- und Landesliga in ganz Rheinland-Pfalz als Linienrichter tätig.
In jedem Spiel dazulernen
Im nationalen und internationalen Fußball gebe es viele Schiedsrichter, von denen man sich etwas abschauen könne. Aber auch im Amateurbereich könne man von vielen Unparteiischen lernen. "Gerade wenn ich als Assistent im Einsatz bin, schaue ich mir Dinge vom Schiedsrichter ab, denn ich höre über das Headset, wie er mit den Spielern umgeht", berichtet Happel. "Man lernt in jedem Spiel etwas dazu, macht zwar immer wieder Fehler, aber mit zunehmender Erfahrung kann man viele Dinge besser bewerten", erzählt der Unparteiische.
Happel selbst ist erst vor rund drei Jahren Schiedsrichter geworden. "Ich habe mich bei einem Jugendspiel über die Schiedsrichterentscheidungen aufgeregt und mich als Zuschauer nicht korrekt verhalten. Da wurde mir ans Herz gelegt, es doch selbst einmal zu versuchen." So besuchte Happel die ersten Lehrgänge und fand Freude an seinem neuen Hobby. "Die ersten anderthalb Jahre waren geprägt von Coronapausen, aber danach ging es richtig los", erinnert er sich. Insgesamt sei er durch das Schiedsrichter-Dasein ruhiger und weniger hitzig geworden, er analysiere mehr, auch im Privaten. "Die Hektik kommt auf dem Platz von den Spielern oder von außen. Da ist es wichtig, dass der Schiedsrichter als Ruhepol cool entgegenwirkt", weiß der Referee. Als 05-Mitglied und -Fan sei ihm direkt klar gewesen, dass er seine Spiele für den FSV pfeifen möchte.
Besonderes Erlebnis am Bruchweg
Entsprechend besonders war das interne Testspiel der FSV-Profis zum Abschluss der ersten Phase der Wintervorbereitung, in welchem Happel als Referee zum Einsatz kam. "Das erlebt man als Amateur-Schiedsrichter nicht jeden Tag, es war ein tolles Erlebnis", resümiert er. Das Spiel habe auf einem anderen Niveau stattgefunden, als es Happel gewohnt ist und ein viel höheres Tempo gehabt. "Letztendlich gelten aber dieselben Regeln wie im Amateurbereich, ein Fußballspiel ist ein Fußballspiel", sagt er rückblickend.
Mittlerweile achte Happel beim Fußball gucken, ob im Stadion oder vor dem Fernseher, vermehrt auf den Schiedsrichter, dessen Laufwege, Mimik und Gestik sowie die Kommunikation. "Man nimmt das Spiel jetzt ganz anders wahr", so Happel, der früher selbst als Spieler im Amateurbereich aktiv war. Diese Fußballaffinität helfe ihm heutzutage in der Bewertung von Spielszenen.
Deeskalierend wirken und Kritik annehmen
Während die Spieler nach 90 Minuten entweder als Sieger oder Verlierer vom Platz gehen, ist es als Schiedsrichter etwas schwieriger, einen erfolgreichen Arbeitstag zu definieren. "Es ist immer gut, wenn keiner etwas von mir will", erklärt Happel. Zwar ließe sich dies nicht immer vermeiden, wichtig sei aber, sich aufkommender Kritik nicht zu verschließen und auf Augenhöhe mit den Spielern zu interagieren. "Ich gehe mit den Spielern so um, wie ich möchte, dass sie mit mir umgehen. Für mich ist es wichtig, dass man nach dem Spiel im Guten auseinandergeht."
Als Schiedsrichter sei es zudem wichtig, deeskalierend zu wirken. "Natürlich hatte ich schon aggressive Spieler, aber diesen kann ich durch einen coolen, gelassenen Auftritt den Wind aus den Segeln nehmen", weiß Happel hitzige Partien zu entschärfen. "Man darf sich nicht zu schade sein, auch mal eigene Fehler einzugestehen." Dabei sei es insgesamt hilfreich, im Gespann aufzulaufen. Dieses helfe besonders bei Abseits-, Einwurf-, Foul- oder Torentscheidungen enorm, denn es sei unmöglich, als Schiedsrichter immer richtig zu stehen. Bedingt durch den Schiedsrichtermangel sei das Pfeifen mit Assistenten häufig aber erst ab der Bezirksliga möglich.
In manchen Kreisen könne die unterste Klasse im Aktivenbereich noch nicht einmal mit einem Schiedsrichter besetzt werden und auch im Jugendbereich gebe es Probleme, erläutert Happel. "Viele unserer Schiedsrichter pfeifen mehrere Spiele an einem Tag, helfen in anderen Kreisen aus, um den Mangel auszugleichen", so der Referee. Es gebe heutzutage vermutlich ein zu großes Angebot an alternativen Freizeitbeschäftigungen, mutmaßt der 46-Jährige über die Gründe für die rückläufigen Schiedsrichterzahlen im Amateurbereich. Gerade für junge Menschen sei möglicherweise auch der finanzielle Anreiz des Hobbys nicht unwichtig, um mit dem Schiedsrichter-Dasein das Taschengeld aufbessern zu können. Im vergangenen Sommer habe es zwar eine Spesenerhöhung gegeben, diese sei laut Happel aber sehr spät gekommen.
Niemand sollte Angst davor haben, Schiedsrichter zu werden
Auch die Übergriffe auf Schiedsrichter, über die immer wieder berichtet wird, seien möglicherweise ein Grund für den Rückgang bei der Zahl der Unparteiischen. Diese Vorfälle sind traurig und müssen geahndet werden, sollten jedoch niemandem davor Angst machen, das Hobby auszuüben, findet Happel. Denn die Aggressionen gegenüber Schiedsrichtern seien eher Einzelfälle, die medial häufig eine größere Präsenz haben als die positiven Erlebnisse, die laut Happel deutlich überwiegen. Zudem werde bei den regelmäßigen Schiedsrichter-Schulungen wert daraufgelegt, den richtigen Umgang mit Spielern und Zuschauern zu trainieren.
Happel selbst könne das Schiedsrichter-Dasein "jedem nur ans Herz legen", denn dies sei in der Persönlichkeitsentwicklung, gerade bei Jugendlichen, enorm hilfreich. Man lerne, Entscheidungen zu treffen und zu diesen zu stehen, mit Stress umzugehen und mit Menschen jedes Alters zu kommunizieren. Gerade die jüngeren Schiedsrichter, von denen es im Kreis Mainz-Bingen einige gibt, lernen, im Team mit erfahrenen Schiedsrichtern, Spiele in den Leistungsklassen zu leiten, erleben Teamgeist und sportliche Herausforderungen. "Und sie verdienen sich ein wenig Taschengeld", weiß Happel. "Wer jung anfängt, kann es ganz nach oben schaffen und irgendwann vielleicht auf einer DFB-Liste stehen", erklärt der 46-Jährige die Aufstiegsmöglichkeiten im Schiedsrichterwesen. Und auch im höheren Alter sei es eine schöne Möglichkeit, dem Sport verbunden zu bleiben und gleichzeitig Teil einer "tollen Gemeinschaft" zu sein.
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