Profis 06.12.2022 - 10:30 Uhr
Lars Schmidt: Königstransfer in den neunziger Jahren
Der 05-Legenden-Adventskalender: Türchen Nummer 6
Zehn Wochen ohne Bundesliga-Fußball unserer 05ER - das dauert viel zu lange, oder? Wir wollen diese Zeit mit gemeinsamen Erinnerungen überbrücken und haben uns etwas Besonderes ausgedacht: Der diesjährige Adventskalender steht ganz im Zeichen der 05-Legenden.
Passend zur früheren Rückennummer eines Ehemaligen präsentieren wir euch auf unserer Website täglich Mainzer Fußball-Geschichte und Geschichten zu unseren ehemaligen Profis.
Lars Schmidt, der routinierte Mittelfeldmann, war der Königstransfer der 05ER in den 1990er Jahren: Vor seinem Wechsel nach Mainz während der Hinrunde der Saison 1995/96 war der damals 29-Jährige bereits Kapitän des Karlsruher SC mit der Erfahrung von 197 Bundesligaspielen. Und auch am Bruchweg hatte er bald die Binde am Arm.
Bei der SpVgg Bad Homburg war der Hesse zum Rechtsaußen ausgebildet worden. In Karlsruhe entwickelte er sich zu einem offensivstarken Rechtsverteidiger. In Mainz war Schmidt dagegen fast nichts anderes als der erste klassische Sechser: ein aggressiver, laufstarker, schneller Balleroberer. Schmidt war ein Spieler mit einer beachtlichen Kondition; das zentrale Mainzer Mittelfeld mit Bruno Akrapovic an seiner Seite war ein kaum zu knackendes Bollwerk auf gehobenem Zweitliganiveau.
Ein Profi in jeglicher Hinsicht
Schmidt war Profi in jeglicher Hinsicht. Eine Integrationsfigur in der Mannschaft, einer, der die Leute zusammenhielt, der mit Menschen umgehen konnte, auch mit den Medien. Wie Zejlko Buvac ein geborener Trainer, anders als dieser aber einer, der nach dem Ende Karriere nach 99 Zweitligaspielen für den FSV und anschließend noch 29 Partien für die Offenbacher Kickers nur im hochklassigen Amateurfußball arbeitete.
Der Weggang des erfahrenen Bundesliga-Profis vom KSC hatte 1995 die Medien beschäftigt. "Mir liegt ein gutes Angebot von 05 vor, für das auch die geographische Nähe spricht. Es gibt aber auch Angebote zweier West-Regionalligisten. Ich muss mir überlegen, ob ich im Profifußball bleiben, oder mir beruflich etwas aufbauen will", sagte Schmidt seinerzeit und konkretisierte dies später: "Im Prinzip wechsle ich nach Mainz."
Gemeinsamer Start mit Wolfgang Frank
Der Wechsel wurde offiziell Ende September 95 bekannt gegeben, es war eine Ausleihe. Zur gleichen Zeit wurde die Verpflichtung von Wolfgang Frank gemeldet. Der Kulttrainer erklärte im ersten Interview dem Kicker, er hätte neben Lars Schmidt auch gerne noch Adrian Spyrka genommen, der aber in Wattenscheid unterschrieb und erst 1996 für sechs Jahre an Bruchweg kam.
Ihr Debüt beim FSV gaben Frank und Lars Schmidt am 30. September 1995 beim 2:2 in Wolfsburg. Wegen einer Verletzung verpasste Schmidt das 3:1 gegen Haching, das 1:6 in Jena, das 4:2 gegen Chemnitz und das 0:2 in Bielefeld. Ab dem 10. November war er Stammspieler, fiel nur gelegentlich wegen Sperren aus und war sonst immer von Anfang bis Ende dabei.
Beim legendären Aufstiegsduell in Wolfsburg dabei
Darunter auch beim erstes Duell um den Bundesliga-Aufstieg: Am 34. Spieltag der Saison 1996/97 hätten die nun von Frank-Nachfolger Reinhard Saftig (ab März 97) trainierten Mainzer mit einem Sieg beim VfL Wolfsburg bereits ins Oberhaus einziehen können, scheiterten aber in einer kuriosen Begegnung mit 4:5 und die Norddeutschen stiegen auf.
Schmidt behauptete lange Zeit hartnäckig, dass an der Sache etwas faul gewesen sei. "Zu dem Spiel in Wolfsburg fällt mir spontan ein, dass wir zwei unrechtmäßige Elfmeter kassiert haben", erklärte der damalige Kapitän einmal, den das verlorene Endspiel am meisten mitgenommen hatte. "Wir hatten dort eine große Chance, aber ich hatte immer das Gefühl, dass wir dort nicht fair behandelt worden sind."
"Mit dem 'großen Fußball' nichts mehr am Hut"
In der Folgesaison musste Trainer Saftig bereits relativ früh seinen Posten räumen. "Unser Ziel ist der sportliche Erfolg. Und der war zuletzt nicht mehr gegeben. Der vom Vorstand eingeschlagene Weg wird von der Mannschaft mitgetragen", sagte Schmidt danach dem "Kicker". Die Systemsicherheit sei einfach nicht gegeben gewesen. "Jeder Trainer hat seine Ideen, wie er zum Erfolg kommt. Ich bezweifle, dass der Weg zu uns gepasst hat. Wir sind eine lauf- und kampfstarke Truppe und da müssen wir wieder hinkommen."
Schmidt ist heute 57 Jahre alt und hat sich beruflich eine Existenz aufgebaut als Partner bei einer Immobilien-Firma in Mülheim am Main. "Ich trainiere auch die Sportfreunde Seligenstadt", erzählt der Ex-05-Profi. "Wir sind letztes Jahr aufgestiegen aus der Gruppenliga in die Verbandsliga. Ich hatte sie damals schon trainiert in der Oberliga. Der Verein musste aber nach dem Tod des Präsidenten aus diversen Gründen zurückziehen. Jetzt wollen wir noch mal angreifen. Mit dem großen Fußball in Anführungszeichen habe nichts mehr am Hut, bin auch ganz selten noch bei irgendwelchen Spielen, weil die Zeit es einfach nicht hergibt."