Profis 28.06.2022 - 18:30 Uhr
Leitsch: Von vorne nach hinten durchgereicht
Maxim Leitsch verlässt das Ruhrgebiet, um sich in Mainz weiterzuentwickeln und Stammspieler zu werden. Auf einer Position, auf der der frühere Offensivspieler erst seit wenigen Jahren zuhause ist.
Beim VfL Bochum war Maxim Leitsch Stammspieler, Leistungsträger, der Abwehrchef. Viele dort haben sich gewundert, als sich der 24-jährige Innenverteidiger vor der neuen Saison dem Bundesliga-Konkurrenten 1. FSV Mainz 05 angeschlossen hat. "Tatsächlich hat man mir gerne nachgesagt, ich würde meinen Arsch sowieso nie aus Bochum wegbewegen, weil ich so familienverbunden bin und alle in meiner Familie aus dieser Ecke kommen", erzählt der neue 05-Innenverteidiger im Mediengespräch auf der Haupttribüne des Bruchwegstadions im Anschluss an das Vormittagstraining der Mainzer Profis am Dienstag.
Leitsch ist in Essen geboren, wohnt schon sein ganzes Leben dort, spielte seit seinem zehnten Lebensjahr für den VfL Bochum, eine viertelstündige Fahrt mit dem Auto von zu Hause entfernt. Der Verteidiger ist ein Kind des Ruhrgebiets, für den Konstanz und Bodenständigkeit wertvolle Begriffe sind. Leitsch hat fünf Geschwister und sagt: "Alle wohnen in Essen. Ich kann sagen: von der Oma bis zu Cousins und Cousinen, von der Verwandtschaft bis hin zu den Freunden wohnen alle in Essen."
England nicht interessant
Und vielleicht ist das genau der Grund, warum sich der Profi nun dazu entschieden hat, zum FSV nach Mainz zu wechseln. Ein neuer Klub zwar für den im Ruhrgebiet tief verwurzelten Spieler, aber ein Verein, ähnlich bodenständig und auf Konstanz in allen Bereichen ausgerichtet. Und ein Wechsel, der nicht diesen gewaltigen Sprung verlangt, wie ihn beispielsweise Leitschs Partner in der Bochumer Innenverteidigung gewagt hat. Armel Bella-Kotchap ist nach der abgelaufenen Saison zum FC Southampton in die Englische Premier League gewechselt. "Für mich hat so etwas keine große Rolle gespielt, es nicht interessant. Ich glaube, der deutsche Stil passt eher zu mir", erklärt der Neuzugang, der beim VfL eine Ausstiegsklausel hatte und diese dann recht früh wahrgenommen hat.
"Ich habe mir keinen Druck gemacht. Dadurch, dass die Gespräche direkt gut liefen, habe ich mir gesagt, dass ich früh Klarheit haben, mich einleben und nicht erst die Hälfte der Vorbereitung in Bochum mitmachen möchte, bevor ich wechsle. Ich wollte von Anfang an fest dabei sein und alles mitmachen." Und so ist er seit dem Trainingsauftakt am vergangenen Dienstag fester Bestandteil des Bundesliga-Kaders von Bo Svensson.
Reichlich Verbesserungspotenzial
Er habe schon vor diesem Sommer den Gedanken gehabt, mal etwas anderes zu wagen und deswegen jetzt entschieden, diesen nächsten Schritt zu gehen. "Ob das andere auch so sehen oder nicht: Für mich ist das hier sportlich der nächste Schritt. Mainz ist seit vielen Jahren konstant in der Bundesliga. Auch wenn sie nicht immer um den achten Platz mitspielen. Ich denke, dass in der Mannschaft, die wir jetzt hier haben, Qualität drinsteckt und wir eine gute Rolle spielen können."
Für ihn persönlich gehe es um Weiterentwicklung. "Natürlich kann ich noch vieles besser machen. An vorderster Stelle vielleicht, dass ich Robustheit dazu bekomme. Ich könnte viele Sachen aufzählen, auch das Aufbauspiel zählt dazu. Bei der Grundschnelligkeit glaube ich nicht, dass man noch viel dazu gewinnen kann. In allen anderen Sachen ist Potenzial nach oben. Passspiel natürlich, Cleverness im Zweikampf, Stellungsspiel, dass man ein Auge fürs Spiel hat. Situationen gut erkennen - wann gehe ich raus, wann bleibe ich lieber? Ich bin ein Typ, der gerne hinten rausspielen würde, Aufbau war in Bochum nicht meine Hauptaufgabe. Für mich ist es nun interessant in einer Mannschaft, die mehr Wert auf das Spielerische legt."
Mainz 05 habe er bis heute wahrgenommen als eine Mannschaft, bei der man gesehen habe, dass sie komplett als Kollektiv agiert habe. Und dass man schon einen sehr guten Tag brauchte, um gegen sie Tore zu erzielen. "Diese Geschlossenheit hat mir gefallen. Ich finde es immer gut, wenn sich die komplette Mannschaft übers Teamwork definiert und nicht zwei, drei Leute vorne sind, die gar nichts machen. Das ist nichts für mich. Ich finde es wichtig, als Team aufzutreten. Deshalb denke ich, dass das auch gut passt mit dem Klub und mir", so der Linksfuss.
Er habe keine spezielle Position in der Defensive im Auge, auf der er sich durchsetzen wolle. Er wolle einfach Vollgas geben und dort spielen, wo ihn Svensson hinstelle. Die Fünferkette ist allerdings weitgehend Neuland für ihn. "Ich habe noch nicht so wirklich Fünferkette gespielt. In Bochum haben wir es ein paarmal ausprobiert, hauptsächlich im Training. Vieles ist jetzt hier für mich neu. Ich glaube aber, dass ich mich gut daran gewöhnen kann. Es schadet auch sicher nicht, wenn man flexibel ist, in der Viererkette und in der Fünferkette spielen kann", sagt er.
Der Hauptunterschied sei der, dass er in der Dreierkette als linker Mann auch an der Außenlinie verteidigen müsse. "Der Hauptaspekt ist, dass alles etwas weiter nach außen verschoben wird und mehr Leute auf einer Linie sind. Beim Verteidigen ist das vielleicht sogar ein stückweit einfacher."
Mit 17 Riesenschuss gemacht
Leitsch weiß, dass die Ansprüche des Trainers hoch sind, auch oder vor allem an die Innenverteidiger. "Er hat es mir gesagt, dass er auf die Position ein anderes Augenmerk hat, weil er selbst Innenverteidiger war", erzählt der Profi und fügt hinzu: "Es ist doch klar, dass ich hier gefordert bin. Ich bin nicht gekommen, um zu schauen, wie es so ist, ob ich es schaffe oder nicht."
Der 24-Jährige hat als Jugendlicher als Linksaußen angefangen, ist dann immer weiter nach hinten gerückt, wurde Linksverteidiger, dann erst - im Übergang von der U17 zur U19 - Innenverteidiger. Das hatte mit seinem Wachstum zu tun. "Ich bin spät gewachsen", sagt er. "Ich war früher immer der kleinste, habe mit 16 oder 17 aber noch einen Riesenschuss in die Länge gemacht." Heute ist er 189 Zentimeter hoch. Und trotz dieser Länge sei er auch nicht gerade langsam. "Die 35 km/h habe ich auch schon geknackt", sagt er selbstbewusst. "Ich hoffe, dass ich mich hier schnell einlebe und in die Rolle hineinwachsen kann." Das Ziel sei es, Stammspieler zu werden.
Dazu ist die Wohnungssuche im Moment das Hauptthema. Einen Besichtigungstermin gab es schon, ein zweiter folgt die Tage. "Ich kriege gerade mit, wie schwer es ist, in Mainz eine Wohnung zu finden. Ich hoffe, dass es schnell gelingt, denn im Hotel zu wohnen, ist nicht so mein Ding."