Profis 16.08.2021 - 14:00 Uhr
"Ich glaube, ich hatte heute 40 Mal Gänsehaut"
Nach dem 1:0-Auftaktsieg über RB Leipzig dominiert der Stolz auf den leidenschaftlichen Mainzer Auftritt - auf und neben dem Platz
Den ultimativen Härtetest mit Bravour bestanden: Der Auftritt des 1. FSV Mainz 05 beim 1:0 (0:0)-Sieg gegen Vizemeister RB Leipzig zum Auftakt der neuen Bundesliga-Saison beeindruckte – sowohl die Klub-Verantwortlichen als auch die 10.500 Fans in der MEWA ARENA, die ihr Team über 90 Minuten bedingungslos nach vorne peitschten und unterstützten. Nach einer mehr als herausfordernden Woche, in der notgedrungen kaum trainiert werden konnte, überzeugten die 05ER – Mannschaft wie Fans gleichermaßen – mit purer Leidenschaft. "Ich bin sehr stolz auf die Gruppe. Wie die Spieler zusammen funktioniert haben, ist sehr bemerkenswert. Dass es am Ende mit so einem Ergebnis ausgeht, ist natürlich sehr schön, aber die Art und Weise, zusammenzustehen und sich als Mannschaft zu präsentieren, ist für mich der alles entscheidende Punkt", so Cheftrainer Bo Svensson auf der Pressekonferenz nach dem Auftaktsieg, den so sicherlich nur wenige für möglich gehalten hätten.
"Wir haben ein Problem, und bei Problemen stehen wir in Mainz zusammen", hatte sich 05-Sportvorstand Christian Heidel vor der Partie geäußert – und der 58-Jährige, der den Verein wohl wie kaum ein anderer kennt, sollte Recht behalten. Mehrere Corona-Fälle und 14 Quarantäne-Verordnungen hatten bekanntlich dazu geführt, dass Svensson zum Ligastart nur elf Feldspieler und die beiden Torhüter aus dem Profikader zur Verfügung standen. Die völlig neu zusammengestellte Mannschaft und das Publikum machten den entstandenen Nachteil schnell vergessen.
Sonderlob für Tauer & Nebel
"Ich habe die Woche über sehr viel gehadert, war mit Selbstmitleid unterwegs, habe dann irgendwann aber Gott sei Dank den Schalter umgelegt und den Fokus auf die Dinge gelegt, die ich und die Mannschaft ändern können", gab Svensson einen Einblick in die außergewöhnliche Spielvorbereitung. Kurzerhand wurde der Kader mit Spielern aus der U23 und der U19 des eigenen Nachwuchsleistungszentrums ergänzt. Mit Paul Nebel und Niklas Tauer standen zwei ehemalige Mainzer NLZ-Spieler sogar erstmals in der Startelf – und bekamen nach der Partie ein Sonderlob vom Cheftrainer ausgesprochen: "Beide haben es hervorragend gemacht. Niklas hat eine überragende Leistung gezeigt, Paul hat eine geile Mentalität, hat alles reingehauen. Sie werden uns bestimmt viel Freude bringen in der Zukunft."
Exemplarisch für die kämpferische Höchstleistung der Rheinhessen, war eine perfekt getimte Rettungsgrätsche des gebürtiger Mainzers Tauer, die von den Mainzer Anhängern mit Standing Ovations quittiert wurde. Es war dieses besondere Zusammenspiel zwischen Fans und Mannschaft, das einen fast vergessen ließ, dass die MEWA ARENA corona-bedingt nur zu knapp einem Drittel ausgelastet war. "Es hat sich angefühlt, als wäre das Stadion voll gewesen", meinte ein beeindruckter Robin Zentner nach Spielschluss. Nach langen Monaten der Geisterspiele feierte Mainz seine Not-Elf und verwandelte das Stadion in einen Hexenkessel. "Wenn wir zusammenhalten, können wir jeden schlagen", brachte es der 20-jährige Tauer später auf den Punkt.
Gänsehaut & ein enormer Schub
Dass der spektakuläre Bundesliga-Auftakt vor den eigenen Fans dann sogar mit einem Sieg endete, war Kapitän Moussa Niakhaté zu verdanken, der mit einer beispielhaften kämpferischen Leistung voranging und mit seinem Treffer in der 13. Spielminute den gelungenen Nachmittag abrundete. Zur Belohnung gab es die Nominierung in die erste Kicker-Elf des Spieltags und auch Trainer Svensson stellte dem frischgebackenen Vater ein gutes Zeugnis aus: "Moussa war diese Woche zweimal in Frankreich, hat einmal trainiert, kam gestern sehr spät hierhin – und trotzdem war er in der Lage, diese Leistung abzurufen. Er ist unser Kapitän und es gibt auch einen Grund, warum er das ist. Moussa bringt einfach alles mit, ist ein sehr intelligenter Mann, der gerne Verantwortung übernimmt. Ich bin sehr glücklich darüber, dass er sich darüber bewusst ist, diese Qualitäten seiner Persönlichkeit einzusetzen."
Der Siegtorschütze selbst äußerte sich später bei 05ER.tv: "Der Sieg war kein Wunder, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Wenn wir uns so präsentieren wie heute mit dieser Entschlossenheit, ist es sehr schwer gegen uns zu bestehen. Heute nach anderthalb Jahren wieder vor Fans zu spielen, war außergewöhnlich. Sie haben uns enorm getragen. Wir wollten ihnen heute den Sieg schenken." Auch Niakhatés Teamkollegen zeigten sich beeindruckt ob der beinahe ekstatischen Stimmung auf den Rängen. "Nach 60 Minuten war ich eigentlich schon komplett am Ende, aber, wenn man dann die Fans von draußen hört, pusht einen das nochmal extrem, das war ein guter Schub", verriet Tauer und 05-Schlussmann Zentner ergänzte: "Ich glaube, ich hatte heute 40 Mal Gänsehaut, von der Stimmung her, war es überragend."
Nach der leidenschaftlichen Mentalitätsleistung zum Saisonstart, gilt es nun, das Augenmerk auf die kommende Auswärtsaufgabe in Bochum (Samstag, 15:30 Uhr) zu richten, die nicht weniger kompliziert werden dürfte angesichts des nach wie vor ersatzgeschwächten Mainzer Kaders. Dass der Auftritt gegen Leipzig als Blaupause dienen darf in Sachen erfolgreicher Problembewältigung, steht indes außer Frage.