Profis 08.04.2022 - 12:15 Uhr
Risse: "Damals habe ich in einer Studenten-WG gewohnt"
Der 32-Jährige erinnert sich an seine Zeit bei Mainz 05 und spricht über seinen aktuellen Klub, seinen Herzensverein und Gemeinsamkeiten zwischen Köln und Mainz
Mit Anfang 20 wechselte der gebürtige Kölner Marcel Risse 2010 von Bayer Leverkusen zum 1. FSV Mainz 05 - und stellte sich zunächst einer Studenten-WG in der Mainzer Innenstadt vor. "Ich wollte Leute um mich haben, mit denen es andere Gesprächsthemen gibt als das letzte Ergebnis", erzählte der mittlerweile 32-Jährige, der seit 2020 bei Viktoria Köln in der dritten Liga spielt, von seinen positiven Erinnerungen auch abseits des Sportlichen in Mainz.
Vom FSV ging es 2013 den Rhein abwärts zum 1. FC Köln, der noch immer der Herzensverein des Mittelfeldspielers mit dem starken rechten Fuß ist. Über die Gemeinsamkeiten von Köln und Mainz, ein Tor, das ihm Bo Svensson auflegte, die Viktoria und das Highlight-Tor seiner Karriere spricht er unter anderem im Interview und hat auch einen Tipp für das Duell seiner Ex-Klubs in Köln am Samstag (15:30 Uhr, live auf SKY und 05ER.fm) parat.
Hallo Marcel, kannst du dich noch an ein Tor im Trikot von Mainz 05 erinnern, das dir Bo Svensson aufgelegt hat?
Risse: "Ja, das war in einem Qualifikationsspiel zur Europa League 2011."
Richtig! Leider verlief das Spiel gegen Gaz Metan Medias trotz deines Treffers damals nicht erfolgreich. Wie sind generell deine Erinnerungen an deine Zeit bei Mainz 05?
Risse: "Super! Die Erfahrungen, die ich damals gesammelt habe, werden mich mein ganzes Leben begleiten. Ich schaue sehr gerne auf die Zeit zurück und habe noch immer Freunde in Mainz, weil ich damals in einer Studenten-WG gewohnt habe. Mit meinen ehemaligen Mitbewohnern tausche ich mich immer noch gerne aus."
In einer WG zu wohnen ist eher ungewöhnlich für einen Profi-Fußballer
Risse: "Ich war damals einfach in einem guten Alter, um zuhause rauszukommen und neue Leute kennenzulernen. Ich habe mich auch normal vorgestellt in der WG. Da musste ich schon sagen, wo ich herkomme, und was ich so mache. Der eine konnte es nicht so richtig glauben (lacht). Aber genau das war das Ziel von mir. Vorher habe ich in Nürnberg allein gewohnt und gemerkt, dass es schwierig ist, Leute außerhalb des Fußballs kennenzulernen. Ich wollte Leute um mich haben, mit denen es andere Gesprächsthemen gibt als das letzte Ergebnis. Das hat mir gutgetan und war der absolut richtige Schritt."
Waren deine Mitbewohner 05-Fans?
Risse: "Einer von den fünf war Fan, aber die anderen nicht. Durch sie habe ich aber noch viele andere Leute kennengelernt, da waren immer wieder Fans von Mainz 05 dabei. Das macht die Stadt aber so besonders, dass, egal wie es läuft, alle hinter der Mannschaft stehen, und der Druck human ist."
Würdest du sagen, die Mainzer und Kölner sind sich ähnlich?
Risse: "Den Eindruck hatte ich immer. Die Stadt hat ziemlich viel gemeinsam mit Köln. Nicht nur, weil der Rhein durch beide Städte fließt, auch von den Leuten her."
Sportlich lief es auch ordentlich, oder?
Risse: "Ja, das hat gepasst, auch wenn das letzte Jahr nicht mehr so gut bei mir lief. Insgesamt war es aber eine wunderschöne Zeit."
Thomas Tuchel war dein Trainer damals. Wie hast du ihn erlebt?
Risse: "Im taktischen Bereich war er absolute Spitze. Die Videoanalysen, die er vorbereitet hatte und die Matchpläne haben gefühlt immer funktioniert. Das war schon außergewöhnlich. Da habe ich sehr viel mitgenommen."
Seit 2021 ist Bo Svensson Cheftrainer beim FSV. Hast du damals als sein Mitspieler gedacht, dass er mal diese Richtung einschlagen könnte?
Risse: "Er war ein Führungsspieler, an dem wir uns orientieren konnten. Ich kam sehr gut mit ihm klar. Das es als Trainer so schnell ging bei ihm, und er erfolgreich ist in Mainz, freut mich sehr."
2013 bist du zum 1. FC Köln gewechselt, seit 2020 spielst du bei der Viktoria auf der anderen Rheinseite. Wie geht es dir in deiner Heimat?
Risse: "Ich kann mich nicht beschweren. Mit 32 Jahren habe ich in dieser Saison bisher 30 Spiele für Viktoria Köln in der 3. Liga gemacht, tabellarisch sieht es auch ganz in Ordnung aus, auch wenn es durch die Ergebnisse in den letzten Tagen nach unten noch einmal etwas enger geworden ist. Ich bin in meiner Heimat, verheiratet, zwei Kinder. Von daher kann ich nichts negatives sagen."
Du bist auch Kapitän deines Teams in dieser Saison, obwohl du nicht bekannt dafür bist, ein Lautsprecher zu sein. Wie interpretierst du deine Rolle?
Risse: "Ich bin nicht derjenige, der die großen Reden schwingt, aber das gehört dazu und funktioniert. Ansonsten rede ich viel mit meinen Mitspielern, gerade den jüngeren. Wir haben eine junge Truppe, die sehr umgänglich ist. Aber die jungen Spieler können noch nicht immer mit Höhen und Tiefen umgehen. Das müssen sie lernen."
Die 3. Liga hat eine hohe Leistungsdichte. Wie kommt ihr damit zurecht?
Risse: "Die Saison ist sehr anspruchsvoll für uns, nach den ersten neun Spieltagen hatten wir nur fünf Punkte und den Kader noch nicht so zusammen, wie sich der Trainer das vorgestellt hatte. Teilweise haben wir mit U19-Spielern gespielt. Aus dem Tief so hervor und dahin zu kommen, wo wir jetzt stehen, ist außergewöhnlich."
Wie würdest du die Viktoria als Verein beschreiben, auch im Kontext der anderen Klubs in Köln?
Risse: "In den letzten Jahren wird immer mehr auf die Jugend gesetzt. Das ist ein Teil der Identität des Vereins. Auch die Infrastruktur wird immer besser. Die Aufmerksamkeit teilen wir uns ein bisschen mit Fortuna Köln, an den FC kommen wir natürlich nicht ran. Wir haben im Schnitt etwas über 2.000 Zuschauer, je nachdem wie viele Fans der Gegner mitbringt. Gerade für die jungen Spieler ist es ein guter Ort, um in den Profifußball reinzukommen und Erfahrungen zu sammeln."
Warum hast du den Schritt vom FC zur Viktoria gemacht?
Risse: "Es war eine lange Zeit beim FC, der immer noch mein Herzensverein ist. Natürlich war es nicht einfach, aber so ist es im Fußball, manchmal geht es nicht weiter. Das lief aber alles fair ab. Ich wollte nicht irgendwohin in die zweite Liga wechseln. Bei Viktoria kann ich ambitioniert 3. Liga spielen und bin zuhause. Das kommt mir entgegen."
Du bist gebürtiger Kölner und hast gerade auch erwähnt, dass der FC dein Herzensverein ist. Was macht den Klub besonders?
Risse: "Köln ist eine Millionenstadt und gefühlt kennt jeder zweite jeden FC-Spieler. Die Stadt ist sehr emotional. Wenn es läuft, wird schnell von den internationalen Plätzen gesprochen, wenn nicht, bekommt man das auch an jeder Ecke zu spüren. Es gibt häufig nur schwarz oder weiß. Aber wenn man eine gute Phase hat, ist es unfassbar, in dem Stadion zu spielen und die Atmosphäre in der Stadt mitzunehmen."
Die Begeisterungsfähigkeit hast du selbst erlebt, beispielsweise 2016 bei deinem Tor des Jahres für den FC im Derby gegen Mönchengladbach. Was ging damals nach deinem Treffer ab?
Risse: "Das war der Highlight-Treffer meiner Karriere. Die Aufmerksamkeit war sehr groß zu diesem Zeitpunkt, wir standen sehr gut in der Tabelle da, dann der Derbysieg: Das war unheimlich schön, die Euphorie zu spüren. Ein paar Wochen später habe ich mich dann leider schwer verletzt."
Du hattest oft mit Verletzungen zu kämpfen in deiner Karriere. Wie hast du es geschafft, diese wegzustecken und nach vorne zu schauen?
Risse: "Das gehört leider zum Fußball dazu, der eine hat ein bisschen mehr Glück, der andere weniger. Es sind aber Erfahrungen, die man für die Zeit nach der Karriere mitnehmen kann. Man muss sich da rauskämpfen, denn es gibt ja keinen anderen Weg. Ich hätte aufgeben oder aufhören können, aber das ist nicht Sinn der Sache. Es ist mein Traumberuf und da gab es keine Alternative, auch wenn es manchmal schwergefallen ist."
Du bist jetzt 32 Jahre alt. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie es nach deiner Karriere weitergehen soll oder möchtest du noch möglichst lange spielen?
Risse: "Diese Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Körperlich muss es passen. Ich muss bei 100 Prozent sein, damit es Sinn ergibt, sonst bringt das auch mein Team nicht weiter. Während meiner Karriere habe ich mir aber auch schon ein paar Standbeine neben dem Fußball aufgebaut."
Bist du zufrieden mit dem bisherigen Verlauf deiner Karriere?
Risse: "Auf jeden Fall. Mehr geht immer, aber ich kenne genug Spieler, die nach Verletzungen nicht mehr zurückgekommen sind. Von daher bin ich zufrieden."
Am Samstag spielen mit dem FC und dem FSV zwei deiner Ex-Klubs gegeneinander. Was für ein Spiel erwartest du?
Risse: "Ein Spiel auf Augenhöhe. Beide Mannschaften haben ihren Stil in dieser Saison bisher super durchgezogen. Von daher wird es für beide nicht einfach. Die Mainzer haben wieder ihre Mentalität hervorgebracht, die Kölner haben sich einen Stil angeeignet, den der Trainer mitgebracht hat, und der hervorragend funktioniert."
Wie lautet dein Tipp?
Risse: "Ich hoffe auf ein schönes Spiel. Da ich in Köln geboren bin, würde ich mich freuen, wenn die Kölner einen Sieg holen, um noch etwas Hoffnung auf die Top-6-Plätze zu haben."