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Verein 22.07.2020 - 15:30 Uhr

Meenzer Bub und Grandseigneur

Ein sehr persönlicher Nachruf auf Peter Arens

Peter Arens mit einem seiner vielen langjährigen Wegbegleiter bei seinem FSV, Tobias Sparwasser, Direktor Medien & Kommunikation.

Von Tobias Sparwasser

Lieber Peter,

du bist nicht mehr unter uns. Diese Nachricht trifft mich zutiefst und macht mich unendlich traurig. Dein Wirken für Mainz 05 und dein Wesen in wenige Worte zu fassen, fällt mir schwer. Warum es mir dennoch ein sehr wichtiges Anliegen und ein Auftrag ist, liegt an den vielen Momenten, die wir beim Verein miteinander geteilt haben. Ich war 15 Jahre lang dein Fahrer.

Als der wurde ich natürlich nicht geboren, aber eigentlich haben wir uns im Auto erst richtig kennengelernt. Du warst das langjährigste Vorstandsmitglied von Mainz 05, als ich 2002 meinen Job als Pressesprecher angetreten habe. Der Dienstälteste und der Neue aus dem Container am Bruchweg, der sich alle 14 Tage die gleiche Frage stellte: Wie komme ich bloß zum nächsten Auswärtsspiel? Weil das Vereinsbudget von kostenintensiven Reisen mit Flugzeug oder Bahn abriet und du einen flotten fahrbaren Untersatz bereithieltest, hatten wir uns schnell gefunden. Du stelltest das Auto, ich meine Fahrkünste. Das passte auch ganz gut, denn du tendiertest schon leicht dazu, die Kanten deines langen BMW-Kombis in engen Parkhäusern abzuschleifen, hattest Respekt vor den immer dickeren Brummis in den Baustellen auf den Autobahnen und wolltest im Dunkeln nicht mehr unbedingt ans Steuer. Also übernahm ich dieses und gab es über viele Jahre nicht mehr her.

Oft fuhr auch Harald Strutz mit, unser Präsident. Ob als Duo oder Trio mit ihm (gerne auch mal singend) auf dem Rücksitz, es waren launige Touren, echte Roadtrips über den Asphalt und durch die Staus dieses Landes, einige bis tief in die Nacht. Wir haben viele Orte gesehen in dieser Zeit, die wir ohne Fußball vielleicht nicht gefunden hätten. Burghausen, Lübeck, Aue, Ahlen und Aalen ….. Dein Beitrag als Beifahrer war immer die Rundum-Verpflegung an Bord. Dafür räumtest du regelmäßig die Auslage der Tankstelle in der Lennebergstraße in Gonsenheim leer. Bifi mit und ohne Brotwickel, Snickers, Mars, Schokolade und Gummibärchen, am liebsten das Konfekt von Haribo. Meistens hatten wir so viel Süßkram an Bord, dass selbst nach vielen Stunden Autofahrt noch etwas übrigblieb.

Doch schwerer als die Kalorien wogen ohnehin die Gespräche mit dir. Über Gott und die Welt, über die Menschen, die Mainzer, deine Familie, über dein Leben für die Intercoiffure, deinen Salon in der Großen Bleiche, die Prinzengarde, aber immer auch über Mainz 05. Ich war dir ein treuer Zuhörer bei Geschichten über den Verein aus mehr als dreieinhalb Jahrzehnten, von deinem Engagement im VIP-Club, den Machtwechsel hin zu Präsident Harald Strutz 1988, deine Rolle als Leiter der Lizenzspielerabteilung, als Pressesprecher und manchmal sogar Stadionsprecher. Und dein Leben als Vizepräsident des Vereins, so wie ich dich kennengelernt habe.

Peter mit Christian Heidel in der Saison 1996/97.

Du warst immer die Brücke zu einer Zeit des Vereins, als noch nicht zehntausende Fans bei den Spielen mitfieberten und Mainz 05 nicht über alle TV-Kanäle flimmerte. Wir spielten in der Oberliga. Du hast Klinken geputzt, um im letzten Moment bei Sponsoren oder Gönnern des Vereins noch Spielergehälter einzutreiben. Du kanntest Zeiten, als es unserem Verein wirklich dreckig ging und hast für ihn gebürgt. Als du nach der letzten Pressekonferenz, der du als Vorstandsmitglied beiwohntest, dich bei den Journalisten für die gemeinsame Zeit bedankt und angefangen hast aus dem Nähkästchen zu plaudern, war ich froh, dass die von dir skizzierten Geschichten über Spieler, Spielerberater, Trainer und andere Klubs längst verjährt sind. Einige hätten dir sonst bestimmt noch Klagen angehängt.

Schmerzhafter Verlust, bleibende Erinnerungen

Der Verein verdankt dir unendlich viel, vor allem aus dieser Zeit, die nicht mehr viele Zeugen beurteilen können. Doch deine Rolle hat sich im Laufe der Jahre verändert. Zwangsläufig. Deine Tätigkeiten bekamen nun eigene Ressorts, eigene Mitarbeiter. Mainz 05 ist unaufhörlich gewachsen und hat sich zu einem professionellen Wirtschaftsunternehmen gewandelt. Du bist operativ ins zweite Glied gerückt. 

Heute wäre es weder nötig noch denkbar, mit 50.000 US-Dollar am Körper versteckt nach Bulgarien zu reisen und diese persönlich an Vereinsfunktionäre zu verteilen, um einen Spieler freizukaufen (wie 1988 bei Petar Kurdov geschehen, gemeinsam mit Harald). Oder einen Transfer an einer Autobahnraststätte abzuwickeln (wie 1994 bei Sven Demandt, dem letzten Transfer vor dem Engagement eines gewissen Christian Heidel). Mit diesen Geschichten und deiner liebenswürdigen, manchmal schrulligen Art, wirktest du im Zeitalter des modernen Fußballs, inmitten dieser auf Profit und Selbstdarstellung optimierten Manager, wie ein Anachronismus im Showbusiness Bundesliga.

Die Zeiten mögen sich gewandelt haben, du bist aber immer einzigartig geblieben. Du warst derjenige, der in immer größeren VIP-Räumen konsequent persönliche Begrüßungen pflegte – und sei es bis kurz vor Spielbeginn. Dir war dieser persönliche Kontakt immer ein zentrales Anliegen, gegenüber Mitarbeitern, Fans, Freunden und Gästen. Ein standfester Charakter, empathisch, emotional, harmoniebedürftig, ehrlich und immer den Menschen zugewandt. Das haben alle gespürt und dich dafür geliebt.

Mainz 05 war dabei für dich nie eine Pflicht, aber immer die größte Verpflichtung und Herzensangelegenheit im besten Sinne des Wortes. Eine Leidenschaft, die dich auch an den Rand der gesundheitlichen Belastbarkeit gebracht hat. Ich habe nie wieder einen Menschen getroffen, der unter Niederlagen seelisch und körperlich gelitten hat wie du. Autofahrten nach miesen Auswärtsspielen – und wir haben weiß Gott einige gesehen – hatten da auch eine therapeutische Wirkung. Selbst nach der allergrößten Enttäuschung, nach zwei Stunden Fahrt hatte ich dich, begleitet von Haribo Konfekt und Schokolade, eigentlich immer wieder emotional aufgepäppelt. Du warst auch ein sehr guter Zuhörer.

Ohne dich wird der Verein nicht sein wie früher. Du bist ihm treu geblieben von der Zeit als Jugendspieler in den Nachkriegsjahren bis heute. Du hast ihm Herz und Seele gegeben. Dein Abschied aus dem Vereinspräsidium 2017 war ein tiefer, auch schmerzhafter Einschnitt in deinem Leben. Deiner Liebe zu Mainz 05 hat das keinen Abbruch getan. Du bist ein unentbehrliches Bindeglied zwischen früher und heute geblieben. Du bleibst für immer ein Meenzer Bub und Grandsegnieur von Mainz 05.

Danke für alles, Peter. Auf deiner letzten Fahrt kann ich dich leider nicht begleiten. Ich hoffe aber, die Tankstelle in Gonsenheim war noch offen.

Tobi