Nachwuchs 25.06.2012 - 17:32 Uhr
Nachwuchsleistungszentrum: Wieder drei Sterne!
Die Saison für das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Mainz 05 ist beendet – und die Verantwortlichen dürfen auf eine ebenso spannende wie auch erfolgreiche Spielzeit zurückblicken. Ein Topergebnis bei der Zertifizierung, sehr gute sportliche Leistungen vieler Teams und eine problematische Saison der U15 stehen da zu Buche. Für die beiden Macher der Bruchweg-Jugend, NLZ-Leiter Volker Kersting und den sportlichen Leiter Stefan Hofmann, Grund genug, im Doppelinterview einen Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate zu halten. Die Zertifizierung sorgte für viel positiven Wirbel. Mainz 05 ist erneut als eines der besten NLZ Deutschlands ausgewiesen worden. War das eine logische Folge des vorangegangenen Zertifizierungsverfahrens 2009?
Kersting: „Nein keineswegs! Die Kriterien und auch deren Gewichtung wurden verändert. Wir wussten nicht, wo diesmal die Schwerpunkte lagen. Das machte es spannend für uns. Deshalb haben wir einfach abgebildet, wie wir arbeiten. Und das ist ja offensichtlich nicht ganz so schlecht.“
Hofmann: „In der Zertifizierung steckt immens viel Arbeit. Bereits 2007 sind wir das Projekt positiv angegangen mit dem Ziel, die Erkenntnisse für unsere Arbeit zu nutzen. Das ist uns über die Jahre gelungen. Wir haben unsere Abläufe und Inhalte über das Zertifizierungsinstrument beleuchtet und weiterentwickelt und haben uns auch damit ein sehr gutes Fundament für unsere Arbeit geschaffen.“
Kersting: „Das Zertifizierungsverfahren war vom gesamten Aufwand wieder eine große Herausforderung. Aber die Arbeit hat sich gelohnt, wir sind wieder mit drei Sternen bewertet und gehören damit deutschlandweit zur Spitze. Wir sind wieder unter den Top Drei“
Hofmann: „Und das ist sicher für einen Verein unserer Größenordnung nicht selbstverständlich.“
Bleiben wir noch kurz beim Thema. Was hat denn in die Zertifizierung reingespielt bzw. was wurde geprüft?
Kersting: „Die Prüfung erstreckt sich auf 8 sogenannte Qualitätsdimensionen: Strategie/Finanzen, Organisation/Verfahren, Fußballausbildung, Unterstützung/Bildung, Personal, Kommunikation/Kooperation, Infrastruktur/Ausstattung und Effektivität/Durchlässigkeit. Es wird von den Prüfern alles beleuchtet, wirklich alles. In vier Dimensionen erreichen wir Spitzenwerte aller NLZ. Im Bereich Unterstützung und Bildung, der uns sehr wichtig ist, sind wir vorbildlich aufgestellt. Wir sind das einzige NLZ, das mit zwei Eliteschulen des Fußballs zusammenarbeitet. Unsere Kooperation mit der IGS Bretzenheim hat sich super entwickelt. Mit Stefan Klören haben wir dort einen Verbindungslehrer und Ansprechpartner, der uns in allen Belangen eine große Unterstützung ist. Mittlerweile besuchen mehr als 40 unserer Spieler die IGS. Auch die Zusammenarbeit mit der Elly-Heuss-Schule in Wiesbaden ist sehr positiv, dort sind 18 Spieler von Mainz 05 beheimatet. Die Eliteschulen des Fußballs sind eine große Hilfe im Gesamtkonstrukt der Nachwuchsförderung.“
Hofmann: „Für uns herausragend war auch die Beurteilung der Prüfer im Bereich der Fußballausbildung. Wir sind im Kerngeschäft, das heißt wie wir unsere Ausbildung systematisch planen, mit Inhalten füllen und letztlich organisieren und durchführen, deutschlandweit Spitze.“
Das NLZ stellt sich insgesamt immer professioneller auf. Was wurde in der abgelaufenen Saison dafür getan?
Kersting: „Wir haben mit mehr Hauptamtlichkeit Strukturen verbessert. Sabrina Schreyer ist nun Leiterin der Physiotherapie und Jonas Grünewald kümmert sich als Athletiktrainer um die Jungs.“
Hofmann: „Wir haben uns damit qualitativ deutlich verbessert. Die medizinische Versorgung in unserem NLZ ist jetzt professionell aufgestellt. Auch die Qualität unserer Trainer versuchen wir stetig zu heben. Mittlerweile beschäftigen wir drei Fußball-Lehrer und acht A-Lizenzinhaber. Zudem genießt die Trainerfortbildung bei uns einen hohen Stellenwert. In der abgelaufenen Saison haben wir alleine sieben interne Fortbildungen, zu den unterschiedlichsten Themen, im NLZ angeboten.“
Kommen wir zum Sportlichen, wie sieht die sportliche Bilanz der Saison 2011/2012 aus?
Hofmann: „Die Saison lässt sich für das gesamte NLZ mit der Gesamtnote „gut“ bewerten. Also gutes und konstantes Niveau mit Steigerungspotential.
Was ist zu den einzelnen Teams zu sagen?
Hofmann: „Beginnen wir mit der U23, die seit dieser Saison sportlich in unser NLZ integriert ist. Wir haben den Kader in Abstimmung mit Martin Schmidt und Manfred Lorenz bewusst extrem verjüngt. Von außen, in der Öffentlichkeit wurde dieser Prozess zum Teil sehr kritisch begleitet. In der Presse wurde sogar der Begriff „Jugendwahn“ gebraucht. Wir haben diese Aufregung nicht ganz verstanden und die Mannschaft hat alle Skeptiker relativ schnell widerlegt. Die Jungs haben sich gut entwickelt, Shawn Parker rückt in den Profikader und Manuel Schneider und Benedikt Saller absolvieren die Vorbereitung mit den Profis. Letztlich hätte nur die Abschlussplatzierung etwas besser sein können, auch wenn sich eine Runde ohne Absteiger sicher sportlich relativiert.“
Kersting: „Wir haben gezeigt, dass die Spieler der U19 relativ schnell das Niveau der Herren-Regionalliga bringen können und wir in diesem Bereich nur ganz gezielt noch externe Spieler holen müssen. Es ist unsere älteste Ausbildungsmannschaft und die füllen wir mit Eigengewächsen.“
Hofmann: „Und das wird auch in der nächsten Spielzeit so. 10 Spieler rücken aus der U19 hoch, der U23-Kader wird nochmal jünger sein.“
Die A-Jugend hätte ja fast noch den Einzug in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft gepackt…
Kersting: „Stimmt. Wären mit Lukas Röser verletzungsbedingt und Fabian Kalig durch die Rotsperre in der Endphase nicht zwei wichtige Spieler ausgefallen, dann hätten wir sogar den Einzug in die DM-Endrunde schaffen können.“
Hofmann: „Wichtig war in dieser kuriosen Saison – in der phasenweise ab Tabellenplatz 5 nach unten alle Abstiegssorgen hatten – dass wir nie in diesen Sog hineingeraten sind. Wir haben gemäß unserer Zielsetzung stetig Punkte gesammelt und waren immer in ruhigem Fahrwasser, konnten den Blick dann sogar nach oben richten. Auch das war nicht selbstverständlich, Kaiserslautern war letzte Saison deutscher Vizemeister und ist abgestiegen und die TSG Hoffenheim musste bis zum letzten Spieltag zittern. Das sagt alles!“
Kersting: „Wir haben bewiesen, dass wir mit dem Team der Jahrgänge 93/94 mit der nationalen Spitze auf Augenhöhe sind. Insbesondere mit den Turniersiegen bei den Hallenturnieren in Sindelfingen und Lemgo gegen europäische Spitzenteams haben wir das auch bewiesen.“
Dann dürfen wir 2012/2013 mit einer ähnlich guten Runde rechnen?
Kersting: „Das ist schwer zu sagen. In der Jugend lässt sich das schlecht einschätzen. Wer entwickelt sich wie? Kommt der junge Jahrgang körperlich gut mit? Fakt ist aber, dass sechs jüngere Jahrgänge jetzt schon im Stamm gespielt haben. Das ist eine gute Perspektive.“
Hofmann: „Die Zielsetzung unserer Bundesligateams ist grundsätzlich immer gleich: Bis zur Winterpause möglichst viele Punkte sammeln und Luft nach hinten schaffen, um dann im Frühjahr zu sehen, ob nach oben etwas geht. Insgesamt haben wir in den vergangenen Jahren gute Grundlagen gelegt. Der Kader steht und wird sich fast ausschließlich aus eigenen Kräften zusammensetzen. Ich bin da sehr zuversichtlich.“
Bei den B-Junioren lief es ebenfalls sehr gut, oder?
Hofmann: „Bei der U17 war ich fast über die gesamte Saison sehr nah dran, da ich Meikel Schönweitz aufgrund seiner Fußball-Lehrer-Ausbildung Montag – Mittwoch vertreten musste. Das Team und auch die einzelnen Spieler haben sich sehr gut entwickelt. Wir haben erstmals im U17 Team auch 5 Spieler des jüngeren B-Junioren Jahrgangs integriert, die sich im Laufe der Saison alle zu Stammspielern entwickelt haben. Wir haben da eine große Qualität. Das Team hat sich am Ende leider nicht für die gute Entwicklung belohnt. 3 Punkte mehr und wir hätten als Tabellenvierter abgeschlossen. Wenn man bedenkt, dass der VfB Stuttgart im Endspiel steht und wir in der Runde einmal gegen sie gewonnen und einmal unentschieden gespielt haben, weiß man, dass mehr drin war. Wir sind auf jeden Fall auf Augenhöhe.“
Und die U16?
Kersting: „Die B2 hat eine sehr solide Saison gespielt. Nur in den Spielen gegen die Top-Teams haben sie enttäuscht. Man muss aber bedenken, dass - wie Stefan bereits sagte – insgesamt 5 Spieler des 96er Jahrgangs bereits für die U17 spielten und nicht in ihrem Jahrgangskader der U16 dabei waren. Dazu mussten sie ja gerade gegen die Topteams wie den 1. FC Kaiserslautern und den 1. FC Saarbrücken immer gegen deren erste B-Jugend ran. Das waren fast alles ältere Jahrgänge.“
Größere Probleme gab es aber bei der U15?
Hofmann: „Richtig. Es kann nicht unser Anspruch sein mit unserer C1 die Saison in der Regionalliga als Vierter abzuschließen. Die Tabelle gibt da letztlich immer auch einen guten Maßstab, wo der Jahrgang im Vergleich steht. Wenn ein Team nur vier oder fünf Halbzeiten in einer Runde spielt, mit denen der Trainer zufrieden ist, dann passt das nicht zu unserem Anspruch und unserem Leistungsdenken. Wir erwarten da einfach mehr.“
Kersting: „Wir beurteilen zwar nicht nach dem Tabellenplatz, aber schauen auf die Leistungsbereitschaft. Die hat eindeutig gefehlt und zu dem Resultat geführt, was wir jetzt haben.“
Diese Einschätzung führt auch zu einem großen Umbruch im Kader?
Hofmann: „Ja, wir werden den Stamm von 12 Spielern unseres Teams mit 10 externen Zugängen ergänzen. Das ist für uns eine einmalige Situation, dass wir in einem so hohen Altersbereich so einen Umbruch planen.“
Kersting: „Eine solche Situation hatten wir schon seit Jahren nicht mehr und es ist grundsätzlich auch nicht unser Weg! Aber wir setzen damit auch ein Zeichen. Für die U15, aber auch für alle anderen im Nachwuchsleistungszentrum. Wir haben eine gewisse Erwartungshaltung an unsere Spieler. Und die wurde hier überhaupt nicht erfüllt. Unser NLZ ist nun mal leistungsorientiert, das wissen alle.“
Die Leistungsbereitschaft bei Mainz 05 wird auch gewürdigt – vor allem vom DFB seit einigen Jahren.
Hofmann: „Ja, unsere Spieler standen sehr stark im Fokus. In der abgelaufenen Spielzeit haben insgesamt 20 Spieler der Jahrgänge 1992 bis 1997 Berufungen vom DFB erhalten. Das ist eine tolle Auszeichnung für unsere Arbeit und letztlich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres NLZ.“
Kersting: „Nicht zu vergessen die Nominierungen aus anderen Ländern. Wir hatten Anfragen aus der Türkei, Kroatien, Portugal und anderen.“
Wie muss es nun weitergehen? Gibt es überhaupt noch Stellschrauben, an denen im NLZ gedreht werden kann?
Kersting: „Sicher, die gibt es immer. In Sachen Infrastruktur wird sich einiges bewegen. Mit der Geschäftsstelle sind wir bereits umgezogen. Wir bekommen neue Büros, noch bessere Trainingsmöglichkeiten.“
Hofmann: „Es geht immer weiter. Allerdings ist es insbesondere im Nachwuchsbereich auch wichtig Kontinuität zu wahren. Hier sind die Weichen gestellt. Wir haben zur kommenden Saison von der U23 bis runter zur U12 alle Cheftrainerposten mit Trainern besetzt, die auch schon in der letzten Saison für uns tätig waren. Das ist uns sehr wichtig, denn unsere Trainer folgen alle einer Linie, wie wir trainieren und Fußball spielen wollen. Sie tragen unsere Philosophie, die auch mit den Profitrainern abgestimmt ist, mit. Regelmäßige Treffen mit Thomas Tuchel und seinem Trainerstab gehören bei uns zum normalen Programm. Darauf sind wir stolz, allerdings bleiben wir trotzdem auch autark in unseren Ansätzen. Im Zusammenspiel passt das alles perfekt zusammen.“
Die Fragen stellte Thorsten Richter