Profis 19.02.2024 - 19:00 Uhr
Rückkehr mit Vorfreude & "voller Überzeugung"
Der 05-Winterneuzugang ist mit dem FSV am Freitagabend bei Ex-Klub Leverkusen gefordert. Die Meisterschaft gönnt er den alten Kollegen, drei Punkte zum Auftakt des 23. Spieltags nicht.
Seit Ende Januar zieht Nadiem Amiri im Mittelfeld des FSV die Fäden, kommt seinem Auftrag, voranzugehen und anzuführen seit der ersten Minute im 05-Trikot nach. Im vierten Anlauf hat es am Wochenende gegen den FC Augsburg nun auch endlich mit dem ersten Sieg geklappt - eine Befreiung, aber gleichzeitig nur ein erster, vieler weiterer Schritte, die folgen sollen. "Ich habe großes Vertrauen in die Mission hier. Es sind genug Spiele, um das Ruder herumzureißen", sagte der fünfmalige A-Nationalspieler des DFB am Montagmittag im Rahmen einer Medienrunde am Bruchweg. Zum Beginn einer Woche, in der er ganz besonders im Fokus stehen dürfte, kehrt der 27-Jährige doch am Freitagabend (20.30 Uhr) mit den Mainzern zu seinem auf der Erfolgswelle reitenden Ex-Klub zurück. Mit einer Mischung aus Vorfreude und Siegeswillen, wie er unterstreicht.
Als es mitten in der zwölfminütigen Nachspielzeit noch einmal eng wird und die 05ER minutenlang um den verdienten 1:0-Erfolg über den FCA zittern, reißt Amiri immer wieder die Arme hoch, feuert Publikum und Mitspieler an. Er selbst ist am Ende seiner Kräfte, ähnlich ergeht es den Teamkollegen nach diesem kräftezehrenden Abnutzungskampf in der MEWA ARENA. "Ich habe am Ende gemerkt, dass es lauter werden muss, weil wir müde wurden. Die Fans haben alles gegeben, die ganze Zeit hinter uns gestanden. Aber so ein extra Push auf den letzten Metern kann dir nochmal Energie geben, die du vorher schon gar nicht mehr gespürt hast", erklärt der einst bei der TSG 1899 Hoffenheim ausgebildete Mittelfeldmann. Die Unterstützung trug die 05-Profis schließlich durch die Nachspielzeit und nach dem Schlusspfiff vor die Tribüne, wo Fans und Spieler sich gegenseitig feierten nach dem 600. Bundesliga-Spiel der 05-Vereinsgeschichte. Ein Gefühl, auf das alle viel zu lange hatten verzichten müssen, wie auch der Winterneuzugang beobachtet hat. "Wir sind auf jeden Fall wieder da, sind voll drin. Wir müssen allerdings immer diese Energie auf den Platz bringen. Für die Mannschaften, die gegen uns spielen, muss es eklig bleiben. Jeder kommt nach so einem Sieg mit einem anderen Gefühl in die Kabine. Gleichzeitig ist die Gier nach Erfolg nochmal gestiegen, wenn du ihn gespürt hast." Außerdem, so ergänzte er: "Je mehr Erfolg, desto freier die Köpfe." Was fast schon als Aufforderung an sich selbst und das Team verstanden werden darf, jetzt eine Serie zu starten.
Rückkehr wie "Nachhause kommen"
Nach Leverkusen kehre er gerne zurück, freue sich auf jeden Einzelnen im Verein und auf die Fans der Gastgeber, die er selbstverständlich begrüßen werde in der BayArena ("Ich war überrascht, wie viele Bayer-Fans mir geschrieben nach dem Wechsel und mir gedankt haben. Ich freue mich, denn es wird für mich nach den viereinhalb Jahren dort wie ein Nachhause kommen"). Aber: "Natürlich gehe ich zurück, um zu gewinnen."
Moment der Befreiung: Nach Sepp van den Bergs Führungstreffer gegen Augsburg feierten Karim Onisiwo & Phillipp Mwene zuerst mit dem Vorlagengeber.
Hinten reinstellen geht nach hinten los
Seine Überzeugung, mit dem FSV "so schnell wie möglich so viele Spiele wie möglich" gewinnen und am Ende trotz äußerst komplizierter Ausgangslage den Klassenerhalt feiern zu können, hat der auf und neben dem Platz vorangehende Kreativspieler vom ersten Tag als Mainzer an zum Ausdruck gebracht, allen voran in der vergangenen Woche: "Schon vor dem Spiel gegen Augsburg habe ich allen gesagt, dass wir das Spiel definitiv gewinnen werden. Nach den ersten Trainingstagen mit Bo war es unmöglich, dass wir auf den Platz gehen und dieses Spiel nicht gewinnen", so Amiri, der auch eine Vorstellung davon hat, wie es gegen seine ehemaligen Teamkollegen, mit denen er bis vor wenigen Wochen noch Tag für Tag auf dem Rasen stand, funktionieren könnte. Den Bus vor dem eigenen Tor zu parken, hält er für eine wenig erfolgsversprechende Variante: "Ich habe schon so vieles erlebt in der Bundesliga. Alles ist möglich, Mainz hat auch im letzten Jahr in Leverkusen gewonnen. Niemand erwartet etwas von uns, aber wir werden mit voller Überzeugung und Selbstvertrauen hinfahren. Sie zu schlagen, ist gerade die schwerste Aufgabe, das ist klar. Aus meiner Sicht dürfen wir uns auf keinen Fall nur hinten reinstellen, dann nehmen sie dich auseinander. Früh und hoch den Ball erobern und sie zu Fehlern zwingen könnte ein Ansatz sein. Gleichzeitig müssen wir eine gute Absicherung haben, weil wir wissen, welcher Speed auf uns zukommt."
Eine zentrale Rolle wird bei dieser nächsten, national derzeit wohl größtmöglichen Hürde, auch Amiri zukommen. Gegen Augsburg hatte er trotz seines Pfostenschusses vom Punkt kurz vor der Pause voll überzeugt. Und das nicht nur wegen seines zweiten Assists im vierten Spiel. Vier Torschüsse und sechs Vorlagen steuerte er bei, gewann an der Seite von Leo Barreiro ("Mit ihm macht es sehr viel Spaß, weil er einfach ein Krieger ist") 80 Prozent seiner Zweikämpfe und lief deutlich über elf Kilometer. Hinzu kommt die eingangs erwähnte Körpersprache sowie die Fähigkeit, seine Kollegen mitzureißen. Ein Selbstverständnis, das tief in ihm verankert ist: "Der Verein hat mich als Leader geholt. Ich lebe von Emotionen und versuche der Mannschaft immer viel Energie zu geben. Ich bin gekommen, um jeden Tag mein Bestes zu geben, der Mannschaft, dem Verein und der Stadt zu helfen", erklärt Amiri seine Rolle, die er ausfüllt in seinen ersten Wochen als 05ER.
Und als solcher identifiziert er sich mit der neuen Rolle im Abstiegs- statt im Meisterschaftsendspurt bereits vollumfänglich, wenngleich der Draht nach Leverkusen heiß ist, beziehungsweise war bis zum vergangenen Samstag. Diese Woche, so Amiri, dürfte es deutlich ruhiger zugehen in den Whats-App-Gruppen mit den alten Teamkollegen. Noch vor zwei Tagen hatten Xhaka, Stanisic, Wirtz & Co. ihm unmittelbar nach dem Sieg über Augsburg gratuliert, dabei aber auch ein wenig "geflachst wegen des Elfmeters", verrät Amiri, der ergänzt. "Sie wünschen sich aber von Herzen, auch wegen mir, dass wir in der Liga bleiben." Genauso, wie der 05-Profi dem Kontrahenten am Freitag die Meisterschaft wünscht und gönnt. Für 90 Minuten plus X müssen gute Wünsche und gegenseitige Sympathiebekundungen zum Start ins Wochenende dann aber ruhen. "Ich freue mich, nach dem Spiel rüber in die Kabine zu gehen", so Amiri abschließend - am liebsten natürlich als glücklicher Mainzer.