Profis 21.11.2024 - 13:15 Uhr
Bungert: "Wir sind auf einem guten Weg"
Der Sportdirektor von Mainz 05 im großen Interview
Mehr als 100 Tage sind bereits vergangen, seit Niko Bungert seine neue Funktion als Sportdirektor von Mainz 05 angetreten hat. Als sein Vorgänger Martin Schmidt sich aus persönlichen Gründen aus der operativen Ebene zurückzog, wurde Bungert, als Teil eines Duos mit dem Technischen Direktor Meikel Schönweitz, quasi ins kalte Wasser geworfen, denn die heiße Transferphase lief bereits. Der 38-Jährige war aber bestens vorbereitet, denn "die Idee, mal sportliche Verantwortung zu tragen, hatte ich schon ziemlich früh nach meinem Karriereende", betont der ehemalige Spieler und Co-Trainer von Mainz 05.
Im Interview zieht er eine "rundum positive" Zwischenbilanz zu seiner neuen Tätigkeit in der sportlichen Führung der 05ER, spricht über seine erste Transferphase, den Kader, die aktuelle sportliche Situation vor dem Auswärtsspiel am Sonntag (15:30 Uhr, live auf DAZN und 05ER.fm) in Kiel, die Zusammenarbeit mit Bo Henriksen und den Spaß an einem abwechslungsreichen Job.
Hallo Niko, was macht ein Sportdirektor in der Länderspielpause? Hattest du Zeit, auch mal abzuschalten?
Niko Bungert: "Ein bisschen und dennoch war genug zu tun. Die Kaderplanung schreitet weiter voran. Es gibt viele Themen, zu denen wir uns in der sportlichen Leitung immer wieder austauschen. Außerdem habe ich mir viele Spieler und Spiele angeschaut, es ploppen immer wieder kleinere Themen rund um die Mannschaft und das Personal auf, die zu bearbeiten sind. Am Samstag habe ich mir außerdem unsere Talente beim Heimspiel der U23 angeschaut, der Sonntag stand im Zeichen der Mitgliederversammlung.
Mit dem ersten Heimsieg im Rücken war es sicherlich angenehmer, in diese Pause zu gehen. Wie würdest du die sportliche Situation nach den ersten zehn Spieltagen bewerten?
"Wir haben uns eine gute Ausgangssituation verschafft, um unser Ziel, das wir in jeder Saison verfolgen, zu erreichen. Das heißt, so viel Abstand wie möglich zu den Abstiegsplätzen zu haben und so früh wie möglich den Klassenerhalt klarzumachen. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir haben fast ein Drittel der Spiele absolviert und bis jetzt ist alles in Ordnung."
"Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Stärke sind momentan groß bei den Jungs."
Woran machst du das fest?
"Die Leistungen waren bis jetzt unter dem Strich ordentlich. In den letzten Wochen konnte man nochmal eine deutliche Steigerung erkennen. Das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Stärke sind momentan groß bei den Jungs."
So kann es also weitergehen.
"Ja, aber außer einer guten Ausgangslage haben wir noch nichts erreicht. Wir müssen so weitermachen, Woche für Woche fleißig um Punkte kämpfen und möglichst viele davon einsammeln. Beim nächsten Auswärtsspiel am Sonntag in Kiel wollen wir direkt an unsere guten Auftritte der letzten Wochen anknüpfen."
Auswärts hat das in dieser Saison meist gut funktioniert, in der MEWA ARENA war es komplizierter. Habt ihr dafür schon Gründe in der Analyse gefunden?
"Wir haben das Thema gar nicht so hoch gehängt. Das war für mich auch ein Aspekt, damit der Knoten gegen den BVB endlich platzen konnte. Wir haben generell Vertrauen in unsere Stärke, weil wir schon gezeigt haben, dass wir in dieser Konstellation erfolgreich Fußball spielen können. Jedes Heimspiel hatte dazu seine eigene Geschichte. Gegen Union hätten wir vielleicht drei Punkte verdient. Gegen Bremen haben wir lange ein gutes Spiel gemacht, in Überzahl aber nicht die richtigen Lösungen gefunden. Das hat sich gegen Heidenheim und Leipzig weiter so durchgezogen, gegen Mönchengladbach war dann schon eine Leistungssteigerung erkennbar."
Bungert im Gespräch mit Journalisten nach einem Heimspiel in der MEWA ARENA: Medienarbeit ist eines der vielen Themen, die der Sportdirektor bearbeitet.
"Wir können solche Spieler nicht einfach eins zu eins nachkaufen"
Deutlich weiterentwickelt haben sich im Saisonverlauf auch einige unserer Neuzugänge Ist auch das ein Grund für die Leistungssteigerung?
"Wir haben vor der Saison, das gehört bei Mainz 05 dazu und darauf sind wir auch angewiesen, mit Brajan Gruda, Leo Barreiro und Sepp van den Berg drei Jungs in einem sehr hohen Marktwertbereich verloren. Wir können solche Spieler nicht einfach eins zu eins nachkaufen, sondern haben den Kader mit vielversprechenden Talenten aufgestellt, die bereit sind, den nächsten Schritt zu machen und sich in einer Bundesligamannschaft zu etablieren. Das sieht bei Kaishu Sano immer besser aus. Auch bei Paul Nebel ist das schon sehr gut gelungen, er hat Geduld bewahrt und sich in die Stammelf gespielt. Armindo Sieb macht es sehr gut, er war schon ein paar Mal in der Startelf und hat zwei Tore geschossen. Und wir haben mit Nelly Weiper, Niki Veratschnig oder Gabi Vidovic weitere Jungs, die in kleinen Schritten weiter reinwachsen und ihre Chance nutzen können. Zusätzlich hat Moritz Jenz als bereits gestandener Spieler als Soforthilfe gut ins Team gepasst."
Seht ihr den Kader aktuell gut aufgestellt, sodass in der Winterpause keine Transfers nötig sind?
"Ja, aktuell sieht es so aus. Wir stellen den Kader immer mit einer etwas kleineren Anzahl an Spielern zusammen. Das hat mehrere Gründe. Mehr Spieler kosten tendenziell mehr Geld. Wenn niemand verletzt ist, hat man eine riesige Gruppe, viele unzufriedene Spieler. Und wir wollen in erster Linie den jungen Spielern den Weg nicht verbauen, damit sie sich entfalten können und überhaupt die Möglichkeit haben, auf die Bundesliga-Bühne zu kommen. Wir hatten gegen den BVB vier Eigengewächse in der Startelf mit Robin, Bello, Paul und Jonny. Alle aus unterschiedlichen Generationen. Das spricht für unseren Weg. Bei Verletzungen kann das dazu führen, dass man auf der ein oder anderen Position mal einen Engpass hat. Genau dafür haben wir die Jungs, die zeitweise in der zweiten Reihe stehen, in die wir großes Vertrauen haben und die jederzeit da sind, wenn wir sie brauchen."
Wir haben in Mainz auch einen weiteren Nationalspieler entwickelt. Wie nimmst du Jonny in dieser Phase wahr?
"Jonny hat sich, trotz Rückschlägen durch Verletzungen, Schritt für Schritt verbessert und viel investiert in allen Bereichen. Er macht auch neben dem Platz einen absolut professionellen Job, haut sich in jeder Trainingseinheit rein. Er hat sich die Nominierung für den DFB mit sehr viel Fleiß über Jahre hinweg erarbeitet. Man sieht ihm den Spaß und die Lust an, sich weiterzuentwickeln. Das spricht in erster Linie für Jonny und seinen Charakter, aber auch für die hervorragende Arbeit, die im NLZ und im Verein geleistet wird um Spieler auszubilden."
Bungert (damals noch in seiner Funktion als Co-Trainer) in der vergangenen Saison nach dem Klassenerhalt in Wolfsburg mit Neu-Nationalspieler Jonny Burkardt.
"Diese Phase war sehr fordernd, hat mir aber gleichzeitig extrem viel gebracht"
Du bist seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt als Sportdirektor. Wie fällt deine erste persönliche Zwischenbilanz aus?
"Rundum positiv. Die Arbeit macht mir unglaublich viel Spaß! Ich habe allerdings zwei komplett unterschiedliche Zeiträume erlebt. Die ersten vier Wochen nach meinem Beginn ging es in der Transferphase heiß her. Jeder Tag war geprägt von Gesprächen mit Beratern, Verhandlungen teilweise bis spät in den Abend, neuen Spielern die auf den Markt gespült wurden, oder Angeboten für Spieler die bei uns unter Vertrag sind. Diese Phase war sehr fordernd, hat mir aber gleichzeitig extrem viel gebracht. Nach dem sogenannten 'Deadline Day', konnte ich mich dann mit etwas mehr Ruhe auch den vielen spannenden Themen abseits der Arbeit am Kader widmen."
Hast du das Gefühl, angekommen zu sein in deiner neuen Rolle?
"Ja, das ging schnell und es macht mir großen Spaß. Das Umfeld ist in der Konstellation dankbar, wir arbeiten im Team sehr gut zusammen. Christian Heidel hat in allen Bereichen einen immensen Erfahrungsschatz, unser Scouting-Direktor Bernd Legien ist eine große Hilfe mit seinem Wissen und Netzwerk. Dazu kommt Meikel Schönweitz als Technischer Direktor, der mit mir zusammen angefangen hat und Martin Schmidt, der auch weiterhin bei Fragen zu gewissen Themen zur Verfügung steht. Mit dieser Expertise im Rücken zu starten, hat mir gutgetan."
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Bo, dessen Co-Trainer du in der vergangenen Rückrunde noch warst?
"Es hat sich natürlich ein wenig gewandelt, weil ich kein Teil des Trainerteams mehr bin. Aber ich bin nach wie vor sehr viel mit Bo im Austausch. Wir sprechen über viele Themen, versuchen gemeinsam die Mannschaft zu entwickeln und eventuell aufkommende Probleme schon im Keim zu ersticken. Wir haben uns in der vergangenen Saison in anderer Konstellation kennen und schätzen gelernt. Deswegen war das von Anfang an auch auf dieser Ebene ein sehr dankbarer Beginn für mich mit ihm, der Mannschaft und dem Staff."
Als Sportdirektor bearbeitet man zahlreiche Themen. Gibt es etwas, was dir besonderen Spaß bereitet?
"Es ist das große Ganze. Viele kleine Puzzlestücke sollen am Ende dazu führen, dass die Mannschaft so gut wie möglich performt. Wir versuchen gemeinsam die Rahmenbedingungen zum Arbeiten für alle so gut wie möglich zu gestalten. Es geht natürlich in erster Linie darum, dass wir einen Kader haben, der möglichst stark ist, der aber vor allem auch harmoniert und charakterlich passt. Sehr wichtig sind auch die Personen rund um die Mannschaft, Trainerteam und der Staff. Die Trainingsbedingungen, medizinische Versorgung und Abläufe müssen stimmig sein. Außerdem möchten wir eine gute Arbeitskultur haben. Alle sollen Lust auf den Job und den Verein haben. Das versuchen wir in der sportlichen Führung zu fördern und vorzuleben. All das erhöht aus meiner Sicht die Aussicht auf Erfolg."
"Es wird nicht leicht, in Kiel zu bestehen"
Du hast nach deiner Spielerkarriere ein Trainee-Programm im Verein absolviert und alle Abteilungen durchlaufen. Inwiefern hat dir das geholfen?
"Die Idee, mal sportliche Verantwortung zu tragen, hatte ich schon ziemlich früh nach meinem Karriereende. Darauf habe ich mich im Austausch mit dem Verein versucht, bestmöglich vorzubereiten. Das Traineeprogramm war ein wichtiger Faktor. Zum einen inhaltlich, zum anderen um eine große Anzahl an wichtigen Mitarbeitern im Verein nochmal auf einer anderen Ebene kennenzulernen und deren Arbeit besser zu verstehen. Dazu kam mein Management-Studium bei DFB und DFL, das viele wichtige Aspekte meiner Arbeit beleuchtet. Der dritte Faktor war die Erfahrung im Trainerteam. Es ist im Job des Sportdirektors sehr wichtig, zu verstehen, wie ein Trainer denkt und wie der Arbeitsalltag im Trainerbüro funktioniert."
Zum Abschluss nochmal zum aktuellen sportlichen Geschehen. Was wünschst du dir für die letzten Spiele vor der Winterpause?
"Zunächst mal, dass wir gegen Kiel wieder eine konzentrierte und gute Leistung hinlegen und hoffentlich mit drei Punkten heimfahren. Das ist ein wichtiges Spiel für uns und es wird nicht leicht, dort auswärts zu bestehen. Entscheidend ist, erstmal in kleinen Schritten zu denken und dieses Spiel erfolgreich zu bestreiten, bevor wir den zweiten und dritten Schritt im Kopf haben."