Profis 18.08.2021 - 16:00 Uhr
Die erste Humba
Für Paul Nebel ist am Wochenende ein Traum in Erfüllung gegangen, möglich gemacht durch einen "Top-Verein" mit "Top-Fans" - Der Auftritt gegen Leipzig zeige, "was für eine enorme Kraft entwickeln, wenn wir gerade in schwierigen Momenten zusammen stehen"
Noch vor wenigen Jahren war es nur ein Traum. Als Balljunge und Jugendspieler (seit 2015 im Klub) begleitete Paul Nebel damals regelmäßig die Spiele seiner 05ER in der Arena und hoffte darauf, selbst irgendwann den Sprung zu schaffen und als 05-Profi gemeinsam mit den Fans Erfolge feiern zu dürfen. "Es ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen", sagt der 18-Jährige nun, nach seinem furiosen Bundesliga-Startelf-Debüt am Wochenende gegen Leipzig (1:0), schiebt aber nach, dass es für ihn nur ein Anfang gewesen sei, "mehr nicht".
Im 05. Einsatz im Oberhaus hat es für Nebel in diesem denkwürdigen Duell gegen den Vizemeister zum Auftakt in die Saison 2021/22 endlich geklappt. Seinem Bundesliga-Debüt als Joker, am ersten Spieltag der vorangegangen Saison ebenfalls gegen die Leipziger (1:3), waren drei weitere Kurzeinsätze gefolgt, in denen der Mittelfeldmann und seine Teamkollegen jeweils leer ausgegangen waren. Dass er nun ausgerechnet nach dieser turbulenten Woche, mit völlig neu zusammengestelltem Kader, dafür aber vor mehr als 10.000 Anhängern in der MEWA ARENA die ersten drei Zähler auf dem Rasen miterleben (und feiern) durfte, kam für den DFB-U-Nationalspieler keineswegs überraschend. "WIR SIND MAINZ", hatte er nach der Partie einen Post auf seinem Instagram-Kanal untertitelt und lieferte die persönliche Interpretation der von ihm gewählten Worte im Gespräch mit mainz05.de nach:
"Ich habe schon nach dem Spiel gesagt: Ich glaube, dass es in diesem familiären Verein und in dieser guten Mannschaft, vielleicht etwas einfacher ist, mit einer solchen Situation umzugehen, als woanders. Man hat am Sonntag gesehen, was für ein Top-Verein Mainz 05 ist, was für Top-Fans wir haben. Nur so kann man eine schwierige Situation meistern, das war sehr besonders. Die Atmosphäre im Stadion, das Spiel, der Zusammenhalt - all das zeichnet Mainz 05 aus meiner Sicht aus und zeigt, was für eine enorme Kraft wir entwickeln, wenn wir gerade in diesen schwierigen Momenten zusammenhalten."
Hängende Köpfe? Fehlanzeige
Nur zwei Tage Teamtraining hatten dem FSV vor der Partie Corona-bedingt zur Verfügung gestanden. Er war als krasser Außenseiter ins Duell mit den Sachsen gegangen und hatte den Favoriten am Ende zwar auch ein wenig glücklich, aber nicht unverdient und nach aufopferungsvollem Kampf mit leeren Händen nach Hause geschickt. Das Rezept klingt simpel: "Wir konnten zwar nicht viel trainieren, aber die Stimmung war gut. Man hatte nie das Gefühl, dass jemand den Kopf hängen lässt. Wir haben die Situation angenommen und versucht zu beeinflussen, was wir beeinflussen können: Nämlich, die Leistung auf den Platz zu bringen." Es gelang bekanntlich in eindrucksvoller Manier, woran auch der bei seiner Einwechslung in der 89. Minute völlig entkräftete Nebel gehörigen Anteil gehabt hatte, die Leipziger Offensive immer wieder beschäftigt und sich im Mittelfeldzentrum in jeden Zweikampf geworfen hatte.
Dass er wenige Minuten später seine erste Humba vor heimischer Kulisse erleben durfte, war der verdiente Lohn einer eindrucksvoll gemeisterten Aufgabe gegen einen Gegner internationaler Klasse: "Ich erinnere mich, wie ich früher als Balljunge da stand und der Mannschaft beim Feiern mit den Fans zugeschaut habe. Jetzt durfte ich mittendrin sein. Es ist einfach schön zu sehen, dass sich harte Arbeit irgendwann auszahlt", erzählt Nebel stolz.
Damals wie heute
Das Vorbild ist ein Weltfußballer - Jagd nach weiteren "Traum-Momenten"
Trotz der Bestätigung in Form einer starken Leistung und anschließendem Lob von Trainer Bo Svensson gibt der Jungprofi jedoch ungefragt zu verstehen, dass er sich auf diesem Erlebnis nicht ausruhen werde und weiter an sich arbeiten müsse. In seiner Einstellung zum Sport orientiert sich Nebel an seinem Idol Cristiano Ronaldo: "Er ist immer bereit, mit harter Arbeit alles für den Erfolg zu tun. Das sind Dinge, die mich anspornen. Er strebt mit Mitte 30 noch nach den höchsten Zielen, das nehme ich mir auch für meine Karriere vor. Man darf einfach nie zufrieden sein und sich zurücklehnen, auch jetzt nicht nach so einem Traum-Moment. Denn ich hoffe, dass es nur einer von vielen weiteren Traum-Momenten gewesen ist."
Dass Nebel die Momente dieses denkwürdigen Sonntags neben den Fans auch mit reihenweise langjährigen Weggefährten aus dem Nachwuchsleistungszentrum am Bruchweg teilen durfte, rundete den ersten Bundesliga-Sieg für den gebürtigen Bad Nauheimer ab. Immerhin hatten gleich sieben Eigengewächse der Mainzer gegen Leipzig in der Startelf gestanden und nicht minder überzeugen können. "Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes, wenn man sich die ganzen Jahre schon kennt und sich auch nahe steht. Das ist ein cooles Gefühl, mit ihnen zusammen so etwas zu erreichen und macht Bock auf mehr. Mir ist aber auch klar, dass das zwar ein guter Start, aber erst der Anfang war."
Nur die Eltern fehlen
Nicht mit dabei sein konnten indes ausgerechnet die Eltern Nebels, die das Debüt des 18-Jährigen urlaubsbedingt im Fernsehen verfolgen mussten. "Natürlich haben sie sich gefreut, wären aber noch viel lieber dabei gewesen. Mein Onkel und meine Cousine sowie der eine oder andere Kumpel saßen dafür auf der Tribüne. Das hat mir sehr viel bedeutet, weil ich ein sehr familiärer Mensch bin und sie mir sehr nahe stehen."
Dafür, dass die Eltern ihren Sohn künftig noch möglichst häufig von den Rängen der MEWA ARENA aus anfeuern können, wird Nebel alles tun, wie er verspricht: "Für mich ist wichtig, dass ich noch konstanter werde, das ist im Profifußball von enormer Bedeutung. Ich will für das Team da sein und noch häufiger die richtigen Entscheidungen am Ball treffen." Das letzte Jahr sei aus seiner Sicht, auch durch die Einsätze in der U23, wichtig gewesen, um "noch mehr im Herrenfußball anzukommen. Ich fühle mich sehr fit und mein Ziel in dieser Saison ist es, noch näher an die Mannschaft zu kommen, Druck auszuüben und die Kollegen zu pushen." Das Potenzial, in den kommenden Jahren zu einem Eckpfeiler im 05-Spiel werden zu können, hat Nebel am vergangenen Wochenende mindestens angedeutet. Die nächste Humba, sie darf kommen.
Wusstet ihr schon, dass Paul irische Wurzeln hat?
"Meine Oma ist Irin, meine Mutter Halbirin. Das Land ist für mich wie eine zweite Heimat und meine Eltern sind gerade dort im Urlaub. Ich habe den irischen Pass zwar bislang nicht, überlege aber, ihn zu beantragen, weil ich das in mir trage und fühle, dass ich dort Wurzeln habe, worauf ich stolz bin", verrät das Eigengewächs.