Profis 21.08.2024 - 19:05 Uhr
Nebel "Der Adrenalinkick macht es möglich"
Nach mehr als zwei Jahren wird Paul Nebel am Wochenende wieder Bundesliga-Luft schnuppern & Bo Svensson wieder begegnen
Nach zwei Jahren Leihe zum Karlsruher SC ist das 05-Eigengewächs zurück beim FSV, um viele Erfahrungen reicher, nach wie vor entwicklungsfähig und seit einigen Wochen auf einer neuen Position unterwegs. Vor dem Bundesliga-Auftakt gegen Union Berlin am Samstagnachmittag spricht der 21-Jährige über seine Rückkehr in die MEWA ARENA ("Hoffentlich ist die Hütte voll"), erinnert sich an sein denkwürdiges Startelf-Debüt vor drei Jahren und verrät, wer nach der Partie am Wochenende sein Trikot bekommen wird.
Paul, am Samstag wirst du zum ersten Mal nach über zwei Jahren wieder in einer nahezu vollbesetzten MEWA ARENA auflaufen. Kribbelt es schon?
Nebel: "Ich freue mich, das volle Stadion endlich wieder zu erleben. Hinter dem Tor entdecke ich immer viele Gesichter von Freunden, mit denen ich zur Schule gegangen bin. Das ist jedes Mal sehr besonders und nach so langer Zeit umso mehr. Ich habe schon häufiger betont, dass es sich wie ein Nachhause kommen anfühlt. Hoffentlich ist die Hütte voll."
Dann dürftest du nach dem Spiel die Qual der Wahl haben, wem du das erste Trikot der Saison schenkst?
Nebel: "In diesem Fall nicht, das bekommt meine Mutter, sie wird im Stadion sein und hat es auf jeden Fall verdient."
Erinnerst du dich an dein letztes Spiel zuhause vor deinem Wechsel nach Karlsruhe?
Nebel: "Das müsste gegen Frankfurt gewesen sein und war damals ein stimmungsvoller Abschluss der Saison und für einige Spieler auch ein Abschied."
Unter Tränen wurde damals auch Daniel Brosinski verabschiedet, mit dem du jetzt nochmal zwei Jahre spielen durftest. Er hat seine Karriere im Sommer beendet. Hat er dich um deine Rückkehr nach Mainz beneidet?
Nebel: "Er hat hier eine tolle Karriere gehabt und wahnsinnig viel geleistet. Er hat sich für mich gefreut, dass ich wieder zurückgehe. Gerade am Montag war er in Mainz zu Besuch zum Kaffeetrinken und essen gehen. Sicherlich wird er auch mal wieder am Bruchweg vorbeischauen bei Gelegenheit. Wir haben ein super Verhältnis, ich habe die zwei Jahre mit ihm in Karlsruhe sehr genossen. Er ist ein top Typ und hat mich schon als ganz junger Spieler in Mainz unterstützt, dafür werde ich ihm für immer dankbar sein."
Auch Bo Svensson hat in deiner Karriere eine wichtige Rolle gespielt....
Nebel: "Wir kennen uns gut, schon aus der Jugend. Am Samstag auf dem Platz gibt es aber keine Freunde. Nach dem Spiel wird vielleicht Zeit zum Reden sein. Die Konstellation ist sicher etwas Besonderes, aber vor allem wollen wir drei Punkte holen."
Drei Punkte gab es auch vor fast genau drei Jahren, als, ebenfalls am ersten Spieltag, ein Spiel unter besonderen Vorzeichen gegen Leipzig stattfand. Mit dir in der Startelf und Bo als 05-Trainer. Wie präsent sind die Erinnerungen bei dir?
Nebel: "Es war mein Startelf-Debüt, was es allein zu etwas Besonderem gemacht hat. Hinzu kam, dass gefühlt der halbe Kader in Quarantäne war. Niklas Tauer und ich durften von Anfang an spielen, wurden reingeworfen. Es war unbeschreiblich. Gegen Leipzig waren wir ohnehin Underdogs, so dass uns die Situation umso mehr zusammengeschweißt hat – das hat man auf dem Platz gemerkt. Die Fans waren an dem Tag auch nochmal ganz anders drauf, obwohl nur 10.000 im Stadion waren. Eine solche Stimmung gibt es nicht so häufig. Ich erinnere mich an viele Kleinigkeiten wie das Einlaufen, das Siegtor, aber vor allem, dass wir gekämpft haben um jeden Zentimeter, dass jeder sich komplett verausgabt hat und für den anderen da war. Die Grätschen von Niklas oder Hacki. Da kommen viele Momente hoch. Letztendlich stand dieser Auftritt für alles, was Mainz 05 auszeichnet. Ich habe den Eindruck, dass genau das auch heute in unserem Kader steckt, weil der Trainer es vorlebt. Eine solche Atmosphäre in einem Heimspiel kann ohne Zweifel zusätzliche Prozente herauskitzeln, das ist so. Jeder war am Limit, keiner hat aufgehört, genau darum geht es. Der Adrenalinkick macht es möglich im Zusammenspiel mit unseren Fans."
Inwieweit spürst du nach der Vorbereitung hier, wie wichtig diese zwei Jahre in der zweiten Liga in einem anderen Umfeld für dich waren?
Nebel: "Ich habe durch die vielen Spiele extrem viel Selbstbewusstsein getankt und auch ein anderes Selbstverständnis auf dem Platz. Mit jedem Spiel gewinnt man an Erfahrung, Situationen wiederholen sich. Man lernt immer besser, mit Erfolgen, aber auch mit Rückschlägen, umzugehen. Außerdem habe ich von super Spielern wie Lars Stindl oder Jerome Gondorf viel lernen könne. Das hat Spaß gemacht, aber jetzt bin ich happy hier zu sein, das Gelernte einzubringen und will weiter erfolgreich zu sein."
Was bedeutet dir das bevorstehende Comeback in der Bundesliga bei deinem Ausbildungsverein?
Nebel: "Es ist besonders, klar. Ich war jetzt zwei Jahre weg und habe mich natürlich gefragt, wie es wird. Aber ich muss sagen, es war von Anfang an ein super Gefühl. Völlig egal, wem ich am Bruchweg begegnet bin, es war einfach herzlich, ich habe nur offene Arme erlebt. Alle haben mich auf- und angenommen, Trainer, Mannschaft, Fans. Ich freue mich auf die Chance hier und möchte mich, genauso wie in Liga zwei, durchsetzen. Es war immer mein klares Ziel, in Mainz in der Bundesliga Stammspieler zu werden."
Seit einigen Wochen kommst du statt im Zentrum auf dem linken Flügel zum Einsatz: Siehst du die Entwicklung als Vor- oder Nachteil?
Nebel: "Ich denke, ich habe in den Testspielen meine besseren Spiele auf der Position außen gemacht. Ich kann das spielen und gebe dort Gas, wo der Trainer mich braucht. Persönlich sehe ich meine Zukunft nach wie vor eher im Zentrum. Das spielt jetzt aber keine Rolle, weil es für mich zunächst einmal um Spielzeit in der Bundesliga geht. Ich fühle mich gut, trainiere gut und bin heiß auf den Start. Wir haben alle Bock, zusammen Gas zu geben."
Wie hast du Bo Henriksen in den ersten Wochen wahrgenommen?
Nebel: "Er ist sehr ehrlich, was total wichtig ist, damit man weiß, woran man ist. Dazu gehört, auch mal unbequeme Wahrheiten auszusprechen, aber ich persönlich kann damit viel besser umgehen. Das kann ein Push in die richtige Richtung sein, wenn man weiß, was man besser machen kann. Der Trainer ist grundsätzlich zufrieden mit mir, ich soll genauso weiter machen. Ein Vorteil für mich kann sein, dass ich auf verschiedenen Positionen zum Einsatz kommen kann. Letztendlich bin ich auch in Karlsruher nicht sofort in die Startelf gerutscht, sondern musste geduldig bleiben. Damit umzugehen ist auch ein Lernprozess, wie ich heute weiß. Auch jetzt werde ich versuchen, es dem Trainer so schwer wie möglich zu machen, damit er mich irgendwann einfach bringen muss."
Worauf wird es am Wochenende im Duell mit Union vor allem ankommen?
Nebel: "Wir wollen gut starten und drei Punkte holen, dafür werden wir alle Voraussetzungen erfüllen müssen. Union steht für Kampf, Laufbereitschaft, Robustheit, eine gut organisierte Defensive, in der jeder weiß, wie er zu verschieben hat. Dafür steht auch Bo Svensson. Es wird ein Kampfspiel und total intensiv. Darauf müssen wir uns einstellen und bereit sein. Ich denke, das sind wir, wie man im Pokal gesehen hat, als wir über 120 Minuten Vollgas gegeben haben. Natürlich wollen wir auch kicken, müssen dabei aber die richtige Balance finden."