Profis 22.11.2023 - 18:30 Uhr
Mwene: "Ein kleines EM-Fieber entfacht"
Der österreichische Außenverteidiger ist am Mittwochnachmittag wieder nach Mainz zurückgekehrt, nachdem er in Wien ein denkwürdiges Länderspiel gegen Deutschland erlebte. Im Interview lässt er den Abend Revue passieren und spricht über die Herausforderungen in der Bundesliga.
Am Dienstagabend stand Phillipp Mwene für die Nationalelf Österreichs über 69 Minuten auf dem Rasen des Wiener Ernst-Happel-Stadions und durfte im Anschluss einen verdienten 2:0-Erfolg über das DFB-Team bejubeln. Nach seiner Rückkehr sprach er über eine der spielentscheidenden Szenen, die Stimmung in seinem Heimatland sowie die Situation beim FSV.
Glückwunsch zum Sieg gegen Deutschland, Phillipp! Wie hast du den Abend in Wien erlebt?
Mwene: Es war eine super Geschichte als Abschluss des Länderspieljahres. Wir sind es nicht wie ein normales Testspiel angegangen, Österreich gegen Deutschland ist immer auch ein kleines Länderderby. Für mich war vor allem super, dass ich weiter Spielpraxis sammeln konnte. Es war eine starke Leistung der gesamten Mannschaft. Wir wissen um die Qualität der Deutschen, aber wir haben unsere aggressive, auf hohe Ballgewinne ausgelegte Spielweise durchgezogen. Wir haben fast nichts zugelassen und hätten es vorne mit Ball sogar noch etwas besser machen können.
Wie ging der Abend nach dem Länderspiel für euch weiter?
Mwene: Wir haben nach dem Spiel noch ein bisschen gefeiert, vor allem in der Kabine mit dem gesamten Staff. Da wurden dann ein paar Austropop-Lieder angestimmt, anschließend sind wir im Hotel aber relativ schnell zur Ruhe gekommen.
Die Stimmung in Fußball-Österreich ist aktuell nicht so schlecht...
Mwene: Es ist sicher das Gegenteil von der aktuellen Atmosphäre in Deutschland. Das ganze Land ist sehr euphorisch. Wir haben durch die Quali ein kleines EM-Fieber entfacht. Man merkt, dass bei jedem Spiel Feuer drin ist, auch von den Rängen, das macht derzeit wirklich Spaß, für die Nationalmannschaft zu spielen.
Wie schade ist es, dass du auf deinen Reisepartner verzichten musst, nachdem Karim Onisiwo kürzlich das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere bekanntgegeben hat?
Mwene: Sehr schade! Das hat die Fahrten immer ein bisschen lustiger und kurzweiliger gemacht. Aber Karim hat sich entschieden, sich voll auf Mainz zu konzentrieren, das steht ihm zu. Die Daumen wird er uns weiter drücken.
An einer der spielentscheidenden Situationen im Duell mit Deutschland warst du unmittelbar beteiligt. Kannst du die Szene in der 49. Minute aus deiner Sicht schildern?
Mwene: Ich habe den Ball bekommen und bin an Leroy Sané vorbeigegangen. Er hat mir dann, ohne eine Chance auf den Ball, in die Wade getreten. Mich hat das aufgeregt, weil er auch davor schon einige unserer Jungs gefoult und seinen Frust rausgelassen hat. Ich bin aufgestanden und habe ihn konfrontiert, ihn auch ein bisschen am Hals gepackt im Eifer des Gefechts. Das war sicherlich auch nicht ganz korrekt. Wie er darauf reagiert hat, war aber stark übertrieben. Ich bin zu Boden gegangen, weil er mich am Hals und am Kopf erwischt hat. Das ist dann eine klare Rote Karte. Nichtsdestotrotz muss ich ihm zugestehen, dass er sich nach dem Spiel bei mir entschuldigt hat. Er hat sich hinreißen lassen, für mich ist das damit aber ausgeräumt, da bleibt nichts hängen.
Die Qualifikation für die EM im Sommer habt ihr souverän gemeistert: Was ist drin für euch beim Turnier im kommenden Sommer?
Mwene: Das übergeordnete Ziel, die Qualifikation, haben wir erreicht. Jetzt haben wir noch vier Testspiele, in denen wir uns in die bestmögliche Verfassung bringen wollen. Mein Ziel ist es dabei zu sein, zum Einsatz zu kommen und mein Land so gut wie möglich zu vertreten. Weiter denken wir noch nicht.
In den kommenden Wochen möchte der Außenverteidiger wieder angreifen und das 05-Spiel über die Flügel ankurbeln.
Nach deiner Verletzung hast du erst vor der Länderspielpause gegen Darmstadt dein Comeback gefeiert, deine Nominierung darf man insofern sicherlich als Vertrauensbeweis von Ralf Rangnick werten, oder?
Mwene: Auf jeden Fall, ich habe mich riesig gefreut, wieder dabei sein und jetzt das Spiel gegen Deutschland erleben zu dürfen. Es unterstreicht das Vertrauen und ich denke, dass ich es auch zurückzahle.
Bist du schon wieder bei 100 Prozent?
Mwene: Es dauert sicher noch ein bisschen. Ich fühle mich gut, habe in Darmstadt über 70 Minuten gespielt, gestern fast 70. Ich gehe davon aus, dass es sehr bald wieder für 90 Minuten reichen wird.
Du bist in Augsburg im September mit einer Kniereizung ausgefallen, dein Comeback hat länger als angenommen auf sich warten lassen. Woran lag das?
Mwene: Das Problem war, dass es schwer ist, eine Prognose zu treffen. Man muss von Tag zu Tag, von Woche zu Woche schauen. Anfangs ist es kaum besser geworden, so dass ich fast sechs Wochen raus war. Es gibt nicht die eine Methode, sondern geht darum, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um das Knie zu entlasten. Es war eine intensive Zeit, in der ich viel im Kraftraum gearbeitet habe, viele Behandlungen und Therapie hatte. Jetzt bin ich einfach froh, wieder mit den Jungs auf dem Platz stehen zu können.
Vom Verletzungspech scheinen wir derzeit verfolgt zu werden...
Mwene: Es ist wie verhext, jetzt hat es Maxim wieder erwischt. Wir müssen noch enger zusammenhalten, man weiß nie, wann sich der nächste verletzt. Jeder wird gebraucht und muss fit sein.
Du musstest aufgrund deiner Verletzung wochenlang tatenlos zusehen, wie die Mannschaft den Turnaround verpasste. Dann folgte der Abschied von Bo. Deine Rückkehr hattest du dir sicher völlig anders vorgestellt.
Mwene: Ich habe die letzten zwei Jahre immer verfolgt, was hier entstanden ist. Und Bo war natürlich ein ganz großer Faktor für meine Rückkehr. Dass ich nicht helfen konnte, hat es noch schwerer gemacht und wehgetan. Indirekt macht man sich Vorwürfe, weil man in einer solchen Phase einfach da sein will. Aber so ist das Geschäft, wir müssen nach vorne gucken. Es tut mir sehr leid, wie das geendet ist. Aber die Situation ist nach wie vor nicht einfach. Wir müssen weiter Punkte sammeln.
Zuletzt blieben wir zweimal ohne Gegentor und haben Platz 18 verlassen: Was braucht es, um bis unsere Ausgangssituation in den Partien bis Weihnachten weiter zu verbessern?
Mwene: Für unser Spiel brauchen wir Energie, sie hat uns davor vielleicht ein wenig gefehlt. Weshalb ist schwer zu sagen, da spielt auch der Kopf eine Rolle. Ganz entscheidend können die ersten Zweikämpfe oder angekommenen Pässe in einem Spiel sein. Wir dürfen aber nicht nur hoffen, sondern müssen proaktiv bleiben und das bestmögliche rausholen. Wir müssen von unserer Qualität überzeugt sein und auch in komplizierten Phasen selbstbewusst auftreten. Dann können wir, wie man gesehen hat, auch Top-Teams schlagen. Selbstvertrauen bekommt man als Fußballer letztendlich in erster Linie über Ergebnisse und Punkte.
Und wie erlebst du die bisherige Zusammenarbeit mit Jan?
Mwene: Die angesprochene Energie hat er uns mit seinen Ansprachen und seinem Elan sicherlich als Allererstes wieder eingeflößt. Er hat gebrannt in den ersten paar Tagen. Wahrscheinlich war es genau das, was wir zu dem Zeitpunkt gebraucht haben. Natürlich dauert es immer eine gewisse Zeit, um sich an einen neuen Trainer mit neuen Ideen zu gewöhnen. Aber wir sind alle Profis und müssen auf die Umstände so gut es geht reagieren. Wir haben ein offenes Ohr für neue Impulse, die bringt Jan in der täglichen Arbeit ein.
Am Sonntag sind wir vor 2.500 Mainzern im Gästeblock in Hoffenheim gefordert: Was erwartest du für eine Partie?
Mwene: Über die Unterstützung freuen wir uns enorm und brauchen sie auch. Hoffenheim ist eine gute Mannschaft, die spielerische Qualität mitbringt. Aber wir sehen unsere Chancen auch ganz klar in hohen Ballgewinnen und Umschaltaktionen. Ich habe die Woche aber noch nicht trainiert und werde ab morgen sicher in unseren genauen Plan eingeweiht werden.
Sportlich lief dein Comeback Mainz bislang durchwachsen, seid ihr privat dennoch glücklich mit eurer Entscheidung?
Mwene: Keine Frage! Meine Frau und ich haben uns in meiner ersten Zeit hier schon sehr wohlgefühlt. Daran hat sich nichts geändert. Insofern sind wir wirklich froh, wieder hier zu sein.