Profis 03.12.2022 - 10:00 Uhr
Pospech: Damals "Glücksgriff", heute "Vollzeit-Papa"
Der 05-Legenden-Adventskalender: Türchen Nummer 3 mit Zdenek Pospech
Zehn Wochen ohne Bundesliga-Fußball unserer 05ER - das dauert viel zu lange, oder? Wir wollen diese Zeit mit gemeinsamen Erinnerungen überbrücken und haben uns etwas Besonderes ausgedacht: Der diesjährige Adventskalender steht ganz im Zeichen der 05-Legenden.
Passend zur früheren Rückennummer eines Ehemaligen präsentieren wir euch auf unserer Website täglich Mainzer Fußball-Geschichte und Geschichten zu unseren ehemaligen Profis.
"Zdenek Pospech ist ein technisch sehr versierter Spieler mit echtem Kämpferherz und großem läuferischen Einsatz", sagte Christian Heidel 2011 anlässlich der Verpflichtung des bereits 32-jährigen Tschechen. "Er wird unsere Mannschaft mit seiner immensen internationalen Erfahrung bereichern", war sich der heutige Sportvorstand des FSV seinerzeit sicher, auf dem Transfermarkt einen Volltreffer gelandet zu haben. Und er sollte recht behalten, absolvierte der ehemalige Nationalspieler (31 Einsätze) in den folgenden drei Jahren doch 100 Pflichtspiele für die 05ER, war bis zu seinem freiwilligen Abschied im Sommer 2014 fast nie verletzt und zudem durchweg Stammspieler unter Thomas Tuchel. Einem Trainer, dessen Arbeit er noch heute, rund achteinhalb Jahre nach seinem letzten Einsatz als 05ER, in lebhafter Erinnerung hat.
Spielende Kinder im Hintergrund sind unüberhörbar zu vernehmen, als Pospech in seiner Heimat ans Telefon geht. Neben einer mittlerweile 18-jährigen Tochter hat der Ex-Mainzer zwei Söhne, die gerade ein und drei Jahre alt sind. Derzeit sei er "Vollzeit-Papa", berichtet er stolz. Die meiste Zeit verbringe er, selbst gewählt, mit seinen Jüngsten. "Das macht riesigen Spaß. Bis vor gut einem Jahr war ich Vorstandsmitglied bei FC Opaba, wo ich 2016 meine Karriere beendet habe. Es gab allerdings Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung. Deswegen bin ich gegangen und genieße seitdem die Zeit mit den Kindern", erzählt der bald 44-Jährige. "Ich hatte erst einmal genug vom Fußball und brauchte eine Pause. Jetzt genieße ich mein Leben, schaue mich aber langsam wieder nach Möglichkeiten um. Wenn die Jungs älter sind, kann ich mir vorstellen als Berater oder Trainer tätig zu sein. Ich empfinde aber überhaupt keinen Zeitdruck."
Chance in Mainz ein "kleines Wunder"
Dem Fußball hatte er als Profi viele Jahre alles untergeordnet, mit Sparta Prag und dem FC Kopenhagen Champions-League- und Europa-League-Erfahrung gesammelt, und sich spät in seiner Karriere noch den Traum von einer der ganz großen Ligen erfüllen können. Als Christian Heidel rief, und Pospech nicht lange überlegen musste: "Es war sehr aufregend für mich, mit über 30 nochmal diese Chance zu bekommen. Es war schon ein kleines Wunder, dass dieses Angebot aus der Bundesliga kam. Ich war anfangs etwas nervös, weil die Liga eine der Besten in der Welt ist. Die Stadt und natürlich das neue Stadion haben mir aber sofort gefallen und die sportliche Herausforderung war großartig", blickt der frühere Rechtsverteidiger zurück.
Leicht gemacht hätten ihm das Ankommen in Rheinhessen sowohl die Fans als auch der Verein. Mainz sei nicht der größte Klub, "aber sehr familiär", erinnert sich Pospech. "Wenn man in der Stadt Menschen getroffen hat, hat immer jemand über Fußball gesprochen. Und alle in der Kabine haben wirklich perfekt zusammengearbeitet, sich gegenseitig unterstützt. Vom Management über das Trainerteam bis hin zur Mannschaft hatten wir eine echte Einheit, was es neuen Spielern leicht gemacht hat. Das war insgesamt eine sehr besondere Zeit und Erfahrung." Für die 05ER kam der dynamische Rechtsaußen, der sowohl defensiv als auch offensiv zu überzeugen wusste, bis 2014 auf 91 Einsätze in der ersten Liga, bei denen er 13 Assists lieferte und ein Tor erzielte. Ob er sich an diesen einen Treffer erinnern könne? "Natürlich, das war gegen Schalke (Anm. d. Red.: 2:2 am 16. Februar 2013). Ich habe solange darauf gewartet, ein Tor zu schießen, insofern war es ein sehr emotionales Gefühl, gerade vor unserem Publikum. Es war eines von vielen Highlights, an die ich gerne zurückdenke", so Pospech.
Trainer "wie aus einer anderen Galaxie"
Genaue Erinnerungen hat Pospech darüber hinaus an seinen damaligen Cheftrainer wie auch an dessen Nachfolger, der seinerzeit Teamkollege war. Gemeinsam mit Bo Svensson spielte der Tscheche von 2011 bis 2014 unter Thomas Tuchel, und lernte einen Fußballlehrer kennen, der ihn zwar zunächst vor Herausforderungen stellte, aber gleichzeitig tief beeindruckte, wie er heute sagt. Trainingseinheiten unter Tuchel seien stets eine "hochemotionale Angelegenheit" gewesen. "Das war ungewohnt und nicht immer einfach, weil ich eher ein ruhiger Typ bin. Ich kannte das in der Form nicht. Tuchel wirkte mit seiner Herangehensweise manchmal wie aus einer anderen Galaxie, hat aber mit seinem gesamten Trainerteam jeden Tag versucht, die Mannschaft besser zu machen, wollte stets das Beste für den Klub. Er und sein Team waren wahnsinnig akribisch und leidenschaftlich bei der Arbeit. Davon habe ich selbst in meinem Alter noch profitieren können", sagt Pospech und grinst.
Und Bo Svensson? Der Mannschaftskamerad von einst gehört neben Niko Bungert zu denjenigen Protagonisten aus den Mainzer Jahren, mit denen er regelmäßigen Kontakt pflegt. Auf einer Wellenlänge hatten die Beiden schon damals gefunkt und sich bestens verstanden. "Er war ein perfekter Teamkollege, über den ich nicht ein schlechtes Wort sagen kann. Wir haben uns viel und auch über Dinge unterhalten, die über den Fußball hinausgingen. Er blickt über den Tellerrand, was aus meiner Sicht auch ein Faktor ist, der ihn zu einem begabten Trainer macht, der sich in Zukunft noch weiterentwickeln wird."
Dass Pospech bislang noch kein Spiel von Svensson als Cheftrainer des FSV live vor Ort erlebt hat ("Mein letzter Besuch in Mainz liegt ungefähr drei Jahre zurück"), hat viel mit seiner Vollzeitbeschäftigung als Familienvater zu tun. Das Reisen sei mit zwei kleinen Kindern eben eine Herausforderung. Ein baldiger Besuch in der alten sportlichen Heimat stehe aber weit oben auf der Agenda.
Abschied als Stammspieler
Zumal der Abschied 2014 weder ihm noch dem FSV leicht gefallen war. Im Alter von 35 Jahren war beim Tschechen im Frühjahr desselben Jahres die Entscheidung gereift, zurückkehren zu wollen in die Heimat. Als unangefochtener Stammspieler - in seiner letzten Saison absolvierte Pospech 34 Bundesliga-Spiele - und Teil des Teams, das sich die letztlich doch knapp verpasste Qualifikation für die Europa League erspielt hatte. "Wir bedauern seine Entscheidung sehr, respektieren und verstehen aber natürlich seinen Wunsch zur Familie zurückzukehren. Zdenek darf seine Entscheidung zu jedem möglichen Zeitpunkt wieder revidieren, für ihn ist in unserem Kader immer ein Platz frei. Er war ein absoluter Glücksgriff für uns, sportlich wie menschlich", kommentierte Heidel damals.
Für Pospech selbst war die unverhoffte Chance auf Bundesliga-Fußball in Mainz letztlich das i-Tüpfelchen auf seine ereignisreiche Laufbahn gewesen: "Ich kann mich über meine Karriere nicht ansatzweise beschweren", sagt er. "Es war wunderbar. Es gibt so viele Spieler, die davon träumen, Profi zu werden und sich in einer großen Liga mit den Besten messen zu dürfen. Für mich hat sich wirklich alles erfüllt, es war perfekt. Gleichzeitig habe ich viele wunderbare Menschen kennengelernt, die mich als Person weitergebracht haben."
Mit seiner bescheidenen Art und stets maximalen Leistungsbereitschaft hatte sich Pospech binnen kürzester Zeit zu einem der Publikumslieblinge entwickelt und Spuren hinterlassen, wie der Harald Strutz nach dessen letztem Einsatz im 05-Trikot im Rahmen der Verabschiedung herausstellte: "Du warst nur drei Jahre bei uns, aber es hat kein Spieler geschafft, sich so schnell in die Herzen unserer Fans zu spielen", so der ehemalige Präsident des FSV damals.
Pospech selbst hatte kurz zuvor sein letzte "Humba" vor den Fans anstimmen dürfen und die Gelegenheit genutzt, sich für "drei geile Jahre“ zu bedanken. Eine treffendere Umschreibung seiner Mainzer Zeit kommt Pospech auch über acht Jahre später nicht in den Sinn.