Profis 15.05.2020 - 19:30 Uhr
Rückblick: Enttäuschung nach dem erfolgreichen Finale
Erfolgstrainer wirft nach Europa-League-Quali die Brocken hin: Okazaki und Geis entpuppen sich als Volltreffer
Das nächste Kapitel unserer Saison-Rückblicke in der Corona-Krise widmet sich diesmal, kurz vor dem Bundesliga-Re-Start in Köln anno 2020, der Saison 2013/14. Eine Runde, in der sich der erste Japaner beim FSV auf Anhieb zum Torjäger entwickelte, die Torhüter eine große Rolle spielten und die Qualifikation zur Europa League erheblich getrübt wurde durch den überraschenden Ausstieg von Erfolgstrainer Thomas Tuchel.
Nach der durchwachsenen Vorsaison, in der fehlende Konstanz die einzige Konstante darstellte, hatte der 05-Manager eine umfassende Kaderbereinigung angekündigt. Und Christian Heidel handelte zügig, verpflichtete ruckzuck ein "Perspektiv-Trio", wie die Mainzer Rhein-Zeitung damals schrieb. Sebastian Polter, Julian Koch und das begehrte Mittelfeld-Talent Johannes Geis aus Fürth. Die finanziellen Möglichkeiten zum Einkaufen in dieser Transferperiode waren glänzend für Christian Heidel. Beim Wechsel André Schürrles von Leverkusen zum FC Chelsea kassierten die 05ER noch einmal kräftig mit, Ádám Szalai ging zum FC Schalke 04. Und auch Marcel Risse und Anthony Ujah (beide nach Köln) brachten Ablöse.
Okazaki kommt und wird Torjäger
Neben Geis kamen dann noch Christoph Moritz (Schalke), der Koreaner Park Jo-Hoo aus Basel und natürlich Shinji Okazaki vom VfB Stuttgart, der in seiner ersten 05-Saison sofort zum erfolgreichen Torjäger avancierte. Am Ende sollte der damals 27-jährige japanische Nationalstürmer mit seinen 15 Toren einen großen Anteil am erneuten Erreichen der Europa League haben. Ebenso wie Eric Maxim Choupo-Moting mit zehn Toren, Nicolai Müller mit neun Treffern oder auch Yunus Malli mit fünf Toren. Der 19-jährige Geis schwang sich auf Anhieb zum Stammspieler im zentralen Mittelfeld auf, überzeugte am Ende auch als zweitbester Vorlagengeber hinter dem überragenden Rechtsverteidiger Zdenek Pospech (neun Vorlagen).
var vp_youtubeid = "s7lLybAHq-M"; var vp_filename = "";Nach dem Ende der Vorbereitung sagte Heidel zufrieden: "Ich habe den Trainer selten so überzeugt gesehen. Vielleicht noch nie zuvor." Zum Auftakt gab es prompt einen 3:2-Sieg gegen Stuttgart, dann ein 2:1 in Freiburg gefolgt von einem 2:0 gegen Wolfsburg. "Das 05-Feeling ist wieder da", jubelte der damalige 05-Chef Harald Strutz in der Rhein-Zeitung. Doch die Freude verflog. Es folgten fünf bittere Niederlagen (inklusive Pokal) in Serie. Und die Grübelei begann erneut. "Ich habe gar nicht den Eindruck, dass die Mannschaft alles falsch macht, aber wir kriegen keine Ergebnisse", sagte Tuchel und forderte die Profis auf, "darum zu kämpfen, dass die Form und das Durchsetzungsvermögen zurückkommen." Das funktionierte auch in einer gewissen Konstanz. Das Team schloss die Vorrunde mit einem 3:2-Sieg in Hamburg und immerhin 24 Punkten ab.
Presseschau
Und es gab ein beherrschendes Thema: die Torhüter. Die waren schon nach dem Ende der Vorsaison stark kritisiert worden. Christian Wetklo wegen "nicht sonderlich starker Leistungen", wie die Rhein-Zeitung berichtete. Heinz Müller war aus Einstellungsgründen aus dem Kader geflogen, der junge Loris Karius sogar ins Regionalligateam degradiert worden. Als sich Müller, der nach der Vorbereitung doch wieder ins 05-Tor durfte, verletzte und Ersatzmann Wetklo in Augsburg die Rote Karte kassierte, erhielt überraschend Karius die Chance anstelle von Christian Mathenia im Derby gegen Eintracht Frankfurt. "Niemand erwartet von Loris, dass er uns das Derby alleine gewinnt", sagte Tuchel vorher.
Karius wird die Nummer eins
Der 21-Jährige war aber einer der Matchwinner beim vielumjubelten 1:0-Erfolg. Weil der Keeper sein Team in einigen schwierigen Phasen mit tollen Aktionen im Spiel gehalten hatte. Karius war von da an bis zu seinem Wechsel zum FC Liverpool zweieinhalb Jahre später die klare Nummer eins. Als sich Wetklo nach Ablauf seiner Sperre beim Auswärtsspiel in Nürnberg nicht auf die Bank setzen wollte, war dessen 05-Zeit quasi beendet, Müller legten die Verantwortlichen im Winter nahe, sich einen neuen Verein zu suchen. Heidel holte den Kroaten Dario Kresic aus Schalke, der in der kompletten Rückrunde auf der Bank saß.
Tuchel zog unterdessen ein positives Zwischenfazit. "Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind total überzeugt von der Entwicklungsfähigkeit der Mannschaft und glauben, dass wir die nächsten Schritte in der Rückrunde machen können." Den Optimismus stärkte zudem die Verpflichtung von Wunschspieler Ja-Cheol Koo, der vom VfL Wolfsburg kam.
Zwischen dem 12. und dem 25. Spieltag kassierten die 05ER ganze zwei Niederlagen. Und sie hatten Schlüsselerfolge wie das 1:0 am 23. Spieltag in Leverkusen und natürlich den 4:2-Erfolg am 25. Spieltag in Hoffenheim. Ein Sieg, über den "Sport aus Mainz" schrieb: "Ein Spiel zum Vergessen und eins für die Ewigkeit." Tuchel gestand später, dass er diese Partie längst abgehakt hatte. Dann "registrierte der 05-Trainer, wie Choupo-Moting, Benedikt Saller und Okazaki mit seinem Doppelpack den bis dahin für die Mainzer schmeichelhaften 0:2-Rückstand (durch das Sensationstor des Ex-Mainzers Eugen Polanski und den sehenswerten Treffer von Roberto Firmino) in ein 4:2 und einen sich wunderbar anfühlenden Erfolg verwandelten".
Acht Siege in der Rückrunde und zwei Unentschieden sorgten dafür, dass die Mannschaft im Finale zu Hause gegen den HSV die Chance hatte, sich mit dem neunten Sieg für Europa zu qualifizieren. In einer dramatischen Partie rangen die Mainzer den HSV mit 3:2 nieder und sicherten sich mit 53 Punkten die Europa-League-Teilnahme.
Tuchel mag nicht mehr
Das alles geriet jedoch im Moment dieses Erfolges zur Nebensache. Schon während des Spiels waren die ersten Meldungen über den Abschied des 05-Trainers veröffentlicht worden. Tuchel selbst wollte sich dazu erst am nächsten Tag äußern. Der Manager erläuterte: "Thomas Tuchel hat uns vor geraumer Zeit darum gebeten, diesen Vertrag aufzulösen. Diesem Wunsch haben wir nicht entsprochen. Wir wollen, dass dieser Vertrag erfüllt wird." Vier Wochen zuvor habe Tuchel dann den Vereinsverantwortlichen gesagt, dass er im Jahr 2014/15 keine Mannschaft trainieren möchte. "Man kann es Rücktritt nennen", sagte Heidel. Um den Erfolg des Teams nicht zu gefährden, habe man das Ganze geheim gehalten.
Zum letzten Training am Sonntagmorgen erschien der damals 40-Jährige schon nicht mehr. Am Nachmittag stellte sich Christian Heidel in einer Pressekonferenz in der Coface Arena, das noch nie zuvor einen solchen medialen Ansturm erlebt hatte. Tuchel blieb fern, verschickte stattdessen eine eher kryptische Erklärung an die Presse. "Stand heute ist unsere Zusammenarbeit seit gestern beendet", sagte Heidel. "Er hat mir klar zu verstehen gegeben, dass er seine Mission hier als beendet sieht." In der Stunde des außergewöhnlichen Erfolges stürzte damit ausgerechnet der Erfolgstrainer den Klub in Schwierigkeiten.