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Profis 06.01.2014 - 07:32 Uhr

„Schaue mehr zurück als früher“

Warum sich Bo Svensson zuweilen fühlt wie ein zu lange gebratenes Huhn

Bo Svensson ist schon seit 2007 bei Mainz 05.

Die Dänen sind die glücklichsten Menschen der Welt, so verkündete es ein Bericht der Vereinten Nationen 2013. Bo Svensson widerlegt diese These keineswegs. Der smarte Skørpinger sitzt entspannt am Hotelpool, stellt sich den Medien, blinzelt in die spanische Sonne und strahlt fast mehr Gelassenheit aus als der Dalai Lama. Wer glücklich ist, der braucht nicht viel, und das lässt sich auch an Svenssons bescheidenen Erwartungen an die Rückrunde ablesen. „Ich hoffe in allererster Linie verletzungsfrei zu bleiben und möchte persönlich ein Trainingsniveau erreichen, mit dem ich zufrieden bin. Darüber hinaus habe ich keine konkreten Ziele formuliert“, erklärt Svensson. Große Vorsätze machen, das passt nicht zu einem Realisten wie ihm. Und auch nicht zu einem, der weiß, dass er im Herbst seiner Fußballerkarriere angekommen ist. „Klar geht man an eine Rückrunde mit 34 anders ran als mit 21. Ich habe ein Alter erreicht, in dem man öfter mal nach hinten guckt und die Vergangenheit analysiert, als noch vor zehn Jahren. Das gilt sowohl für den persönlichen als auch den Mannschaftsbereich“, so der Defensivroutinier.

Hinter Svensson liegt ein Jahr voller Höhen und Tiefen. In der vergangenen Saison überraschte der selbsternannte "Abwehr-Opi" mit glänzenden Leistungen und einer starken Konstanz. Während viele bereits die jüngeren Jan Kirchhoff und Stefan Bell in der Wachablösung auf der rechten Innenverteidigerposition vermuteten, spielte der ehemalige dänische Nationalspieler routiniert seinen Stiefel runter und machte so wenig Fehler in der Defensive bzw. so viele gute Pässe in der Spieleröffnung, dass an ihm kein Vorbeikommen war. Svensson war trotz seines reifen Alters gesetzt, der Vertrag wurde noch mal um ein Jahr verlängert. Auch die Vorbereitung auf die laufende Spielzeit absolvierte der Altmeister mit Bravour, Unkenrufen aus der Presse über die Seniorenabwehrreihe der 05er setzten Nikolce Noveski, Zdenek Pospech und er starke Leistungen entgegen. „Alles lief gut, ich war trotz meiner 34 Lenze gut drauf, auch wenn ich mich manchmal gefühlt habe wie ein Hähnchen, das zu lange im Ofen war“, schmunzelt Svensson. Doch dann war auf einmal der Wurm drin. Es fielen Gegentore, davon nicht zu knapp, und diese zogen allzu oft ärgerliche Niederlagen nach sich. „Ich bin damals zusammen mit der Mannschaft in ein Loch gefallen, als wir nicht gepunktet haben. Und dann kamen auch noch die Achillessehnen-Probleme dazu“, so Svensson. Der Däne hielt nicht mehr 90 Minuten durch, zu groß war der Schmerz in der Ferse. Dass Svensson dennoch gespielt hat, wenn auch nur eine Hälfte lang, war eine gemeinsame Entscheidung des Trainers und des Spielers. „Sicherlich trifft man eine solche Entscheidung mit 34 anders als mit 18, wo man noch an die vielen Jahre als Aktiver denken muss, die man noch vor sich hat. Ich wollte mich zur Verfügung stellen und war auch in der Verfassung dafür. In dieser Phase konnte ich der Mannschaft gut helfen. Ich habe das nicht bereut.“

Als es am Ende nicht mehr ging, rückte die Jugend nach. Stefan Bell spielt seit einigen Partien konstant in der Innenverteidigung und zeigt sich von Spiel zu Spiel sicherer und abgeklärter – sehr zur Freude von Svensson. „Er macht seine Sache sehr gut. Die Jungen haben generell in einer schwierigen Phase Verantwortung übernommen und Charakter gezeigt. Das ist klasse. Die Art und Weise wie wir die Punkte geholt haben, die Form der Weiterentwicklung, die aus unserem Spiel in Hamburg deutlich abzulesen war, das lässt uns positiv in die Zukunft blicken“, schwärmt der Däne.

Worte, die sich eher anhören wie die eines Trainers als die eines aktiven Innenverteidigers. Durchaus ein denkbarer nächster Karriereschritt für Svensson. „Klar macht mache ich mir Gedanken über die Zukunft meiner Karriere. Der Trainerbereich wäre schon was für mich. Gedanklich habe ich da auch schon die ersten Schritte gemacht, aber vorstellen kann man sich viel, was dann in der Realität passiert, ist dann immer noch ein anderes Paar Schuhe“, so der 34-jährige. Er weiß um seine Stärken in der Kommunikation und Taktik, seine Leitrolle in der Mannschaft und seine guten sozialen Fähigkeiten. Den Trainerschein machen, das will Svensson auf jeden Fall, ob in Dänemark oder Deutschland steht dabei noch nicht fest, genauso wenig wie wann er ihn machen will. „Hier in Deutschland wäre es sicher schlauer, weil einem dann mehr Türen offen stehen“, mutmaßt der Abwehrspezialist. Aber ein zukünftiges Engagement als Bundesligatrainer ist für den Dänen ganz weit weg. „Man fragt ein Baby ja auch nicht danach, wie sein Leben mit 30 sein soll“, lacht der dreifache Vater, „außerdem geht es im Leben auch um mehr Dinge als nur um die Karriere. Ich finde nicht, dass sich ein Lebensweg nur von Karriereentscheidungen abhängig machen sollte.“ Glück will er nicht übers Knie brechen, sondern in und mit seiner Familie finden.

Maßgeblich mitverantwortlich für seine Gelassenheit in dieser Angelegenheit macht Svensson auch seinen Arbeitgeber. „Mainz 05 und ich, wir haben schon viele gute gemeinsame Jahre erlebt. Der Verein hat mich immer gut behandelt, hier habe ich viel gelernt“, sagt der Däne, der hier sowohl unter Jürgen Klopp als auch unter Thomas Tuchel trainiert hat. Aus diesem Grund ist seines Erachtens auch noch keine Eile geboten was Gespräche über seine Zukunft angeht, auch wenn sein Vertrag beim FSV Ende der Saison ausläuft. „Ich vertraue Christian Heidel sehr. Wir haben ein super Verhältnis zueinander. Ich weiß, dass er zu mir kommen wird, wenn er mit mir sprechen will, genau wie ich zu ihm kommen kann, wenn ich sprechen will. Das ist eben auch das Besondere an Mainz 05.“

Außerdem, so betont Svensson am Ende des Gesprächs, sei ja noch längst nicht aller Fußballertage Abend. „Als ich die Achillessehnenprobleme hatte, habe ich mich schon gefragt, ob das alles noch Sinn macht. Sogar länger als nur eine Sekunde lang. Aber jetzt bin ich beschwerdefrei, und ich habe wieder richtig Lust darauf, auf den Platz zu gehen und mein Bestes zu geben. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich auch noch gut mithalten kann“, grinst Svensson. Das Brathähnchen, es steht also im vollen Saft. Wofür es dann am Ende reicht und wo der Lebensweg hingeht, das wird die Zeit zeigen. Anders hätte es Bo Svensson auch gar nicht gewollt.