Profis 21.01.2019 - 15:30 Uhr
Schienbeinschoner kommt an die Wand
Alexander Hacks Hilfsmittel beim 3:0 bekommt Ehrenplatz - 05-Abwehrspieler und Torhüter selbstkritisch: Passivität und zwei unnötige Gegentore beim Sieg in Stuttgart
Beim 1:1 in Hoffenheim am Tag vor Heiligabend war Alexander Hack kurz vor der Pause für den angeschlagenen Moussa Niakhaté ins Spiel gekommen. Weil der Franzose seitdem noch keine komplette Trainingswoche absolviert und auch in den Testspielen in Spanien nur eine Stunde auf dem Platz gestanden hatte, entschloss sich Sandro Schwarz mit Hack und Stefan Bell als Innenverteidiger-Duo ins neue Jahr zu starten. Eine gute Entscheidung: Hack erzielte beim 3:2-Erfolg des 1. FSV Mainz 05 beim VfB Stuttgart das letztlich entscheidende Tor zum 3:0. "Ich glaube, es war mein Schienbeinschoner, mit dem ich getroffen habe. Den werde ich mir an die Wand hängen", sagte der 25-Jährige nachher schmunzelnd.
Dass diese Aktion des Abwehrspielers noch einmal eine solche Bedeutung erlangen sollte, war in dieser 72. Minute nicht absehbar. Der eingewechselte Gerrit Holtmann hatte im Konter den Eckball gezogen, Aarón die Kugel von links vors Tor gebracht. Hack stand blank und vollstreckte. Dabei war sein Plan eigentlich, Bell freizublocken. "Es ist oft so, dass derjenige, der versucht, dem anderen den nötigen Raum zu verschaffen, am Ende auch frei ist. Das übt man oft im Training, damit die Abläufe passen", erzählte Hack. "Das ist der Klassiker", bestätigte Bell.
"Schwimmen und ins Ziel retten"
Nicht geplant war allerdings, dass die Partie nach diesem klaren Vorsprung in eine solch dramatische Schlussphase entglitt. Unnötige 05-Passivität nach dem 3:0 und der schnelle Anschlusstreffer des VfB gaben dem Spiel eine neue Eigendynamik. "Kämpfen, kratzen, alles reinschmeißen, schwimmen und ins Ziel retten", beschrieb Bell das Finale. Auch wenn die Mannschaft im Endeffekt aufs ganze Spiel gesehen verdient drei Punkte mitgenommen habe. "Das passiert nicht, weil wir irgendwas grundsätzlich falsch gemacht haben. Wir haben aber die Flanken zu einfach zugelassen, vor allem zwei Kopfballduelle verloren und zwei individuelle Fehler gemacht", so der Kapitän. "Dass du dann beim 3:2 auswärts unter Druck gerätst, ist klar." Beide Gegentore seien unnötig gewesen, betonte Hack. Diese unerklärliche Passivität ziehe sich seit der Vorbereitung wie ein roter Faden durch das eigene Spiel. "Dass wir zweite Halbzeit nicht mehr konsequent weiter spielen, daran müssen wir arbeiten. Nach einem 3:0 auswärts muss einfach der Deckel drauf sein. Wir müssen konzentriert bleiben, die Zweikämpfe gewinnen, auf die zweiten Bälle gehen, dann passiert so was auch nicht. Dann setzen wir noch einen Konter und dann war's das."
Die Selbstkritik seiner Vorderleute teilte auch der 05-Torhüter. Florian Müller hatte vom Trainer den Vorzug vor Robin Zentner erhalten und war als Nummer eins in die Rückrunde gestartet. Der 21-jährige Keeper ärgerte sich besonders über das zweite Gegentor, den Kopfballtreffer von Marc-Oliver Kempf. "Wir verlieren das Kopfballduell und ich riskiere es, rauszugehen, komme aber nicht dran. Der wäre sicher sowieso drin gewesen, es sieht aber trotzdem nicht gut aus bei mir", sagte Müller, der ansonsten ein starkes Comeback gab. "Ich habe ein sehr gutes Gefühl aus dem Trainingslager mitgenommen. Die ersten Aktionen haben sofort geklappt, dann ist man eigentlich direkt wieder drin. Mein Anspruch war auf jeden Fall zu spielen. Für mich war es eine Bestätigung für die Leistung, die ich in der Vorbereitung gebracht habe. Ich habe auch wieder ein neues Selbstbewusstsein dadurch bekommen."
Hausaufgaben mitgenommen
Hack für Niakhaté, Müller für Zentner. Der 05-Kader zeigt seine ganze Breite und dass nicht nur im Mittelfeld-und Offensivbereich Qualität in der Reserve steckt. Levin Öztunali bestätigte in Stuttgart seine Formsteigerung aus dem Trainingslager. Und dass Hack ein ähnlich starker Innenverteidiger wie sein französischer Kollege ist, hat er häufig genug bewiesen. "Hacki hat es sich verdient. Er hat Ende der vergangenen Saison überragende Spiele gemacht, hat gegen Leipzig und Dortmund fast alleine die Abwehr zusammengehalten mit einer Weltklasseleistung. Dann war er leider verletzt, sonst hätte er vielleicht auch gespielt zu Saisonbeginn", so der 05-Kapitän.
Der Konkurrenzkampf lebt. Auch ein Grund dafür, dass die 05er nun schon seit geraumer Zeit über weite Strecken des Spiels konstante Leistungen anbieten. "In Stuttgart", sagte Bell, "haben wir lange sehr kontrolliert gespielt und hatten nie Phasen, in denen der VfB wirklich besser war. Ich glaube, es ist bemerkenswert, dass wir auswärts so gut auftreten und in diesem Fall verdient mit 3:0 in Führung gehen gegen ein Team, das von den Einzelspielern her eigentlich eine gute Mittelfeldmannschaft ist. Wir wissen, woran es am Ende gelegen hat, das wird uns nicht oft passieren. Vielleicht ist es trotzdem ganz gut, dass wir uns ein paar Hausaufgaben mitgenommen haben zum Abarbeiten."