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Profis 18.12.2018 - 10:00 Uhr

Schröder: ...dann "verzeihen Fans auch Fehler"

05-Sportvorstand Rouven Schröder im Interview vor dem Rhein-Main-Derby über Kaderplanung, Sandro Schwarz und die Entwicklung der Mannschaft

Die Spielplangestalter der Bundesliga haben es so gewollt: Das Fußballjahr 2018 des 1. FSV Mainz 05 in der OPEL ARENA endet mit einem Abendspiel gegen Eintracht Frankfurt, dem immer spannenden Nachbarschaftsduell im Rhein-Main-Gebiet. Wir haben mit unserem Sportvorstand Rouven Schröder über den Gegner, über das Spiel und die Erwartungen gesprochen:

Rouven, wie habt ihr die Partie in Leipzig analysiert?

Schröder: "Letztendlich war es eine Niederlage, die wir uns weitestgehend selbst zuschreiben müssen, aus der wir aber dennoch auch positive Dinge mitnehmen. Wir waren nah dran, bei einer Top-Mannschaft etwas mitzunehmen. Leider aber eben nur nah dran, wie in dieser Saison schon häufiger gegen Gegner mit anderen finanziellen Voraussetzungen und anderem sportlichem Anspruch! Auf dem Niveau werden falsche Entscheidungen oder Momente der Unachtsamkeit einfach gnadenlos bestraft. Das Ergebnis ist mit 4:1 zu hoch ausgefallen, wobei man auch klar sagen muss, dass wir die unglücklichen Gegentore durch unsere Fehler begünstigt haben. Es gibt jetzt allerdings nichtmal ansatzweise einen Grund, die Köpfe hängen zu lassen. Vielmehr freuen wir uns darauf, so schnell die Möglichkeit zu haben, es schon am Mittwochabend in unserer OPEL ARENA gegen Eintracht Frankfurt wieder besser zu machen."

Die Eintracht wird allgemein als die Überraschung der Saison angesehen. Wie bewertest du das?

Schröder: "Nach dem Weggang von Niko Kovac haben viele geunkt, dass nach dem herausragenden letzten Jahr mit dem DFB-Pokal-Sieg der Übergang zu einem neuen Trainer vielleicht schwierig werden könne. Obwohl sie eine gute Mannschaft haben. Wer Adi Hütter kennt, weiß, dass er ein hervorragender Trainer ist, der im Ausland seine Meriten erworben und sehr gute Arbeit mit jungen, aber auch erfahrenen Spielern geleistet hat. Von daher ist es für mich keine Überraschung. Denn der Kader ist auch in der Breite ambitioniert, ausgeglichen und gut aufgestellt. Die Wahrnehmung ist dadurch noch vehementer, weil der europäische Wettbewerb dazu gekommen ist, mit diesen souveränen drei Highlight-Spielen daheim und mit der vollen Punktzahl in der Gruppenphase. Aber auch durch ihren Offensivfußball, durch ihre drei Angreifer, die natürlich nicht alles sind, aber schon beeindruckend. Sie spielen aktuell eine gute Vorrunde."

Du hast die Stürmer angesprochen. Weshalb passt das mit den Angreifern so gut zusammen, das alle drei konstant treffen?

Schröder: "Ich glaube einfach, sie haben ein System gefunden, diese drei zu integrieren, so dass alle zum Zug kommen und ihre Stärken ausspielen können. Jeder Einzelne hat viel Qualität. Ein Rebic, der durch die WM weiter auf sich aufmerksam gemacht hat, seinen Weg geht und sich zur Eintracht bekannt hat. Jovic, der in der ersten Saison nicht so viele Spielanteile gehabt hat, sich erst an die Bundesliga gewöhnen musste und jetzt im zweiten Jahr mit seinem enormen Potential so richtig aufblüht. Haller ist ein gestandener Stürmer, der perfekt ins System passt. Alle sind in einem guten Alter. Aber eines ist auch klar, unsere Offensivkräfte müssen sich ihnen gegenüber nicht verstecken."

Worin unterscheidet sich deren Kaderplanung in der von Mainz 05?

Schröder: "Das zu vergleichen, ist immer schwierig. Ich spreche lieber über unsere Situation. Dass wir gerne unsere Spieler komplett verpflichten, dass sie uns gehören, um die volle Wertschöpfung zu haben. Man kann ja auch nur von außen draufgucken. Sie haben eine Mannschaft, die definitiv älter ist als unsere, mit mehr Erfahrung. Jeder hat seine eigene Denkweise und Philosophie. Ich kann nur sagen, dass sie einen guten Job machen."

Was sagst du zu deiner Kaderzusammenstellung kurz vor dem Jahresabschluss?

Schröder: "Wir sind aktuell zufrieden. Trotz allem müssen wir hart, konsequent und leidenschaftlich weiterarbeiten und können jetzt nicht aufhören (lacht). Unsere Neuzugänge haben sich alle gut integriert, das ging relativ schnell. Man sieht, dass wir die Qualität deutlich erhöht haben und dass die Neuen unser Spiel beleben und dazu eine ganz andere Konkurrenzsituation schüren. Der Cheftrainer Sandro Schwarz hat die Jungs mit seinem Trainerteam in akribischer Arbeit wunderbar eingebettet. In mehreren Systemen. Fünf Zugänge sind auf Anhieb Stammspieler geworden. Wir haben mit Phillipp Mwene dazu einen Spieler bekommen, der auch einen Anspruch auf einen Stammplatz stellen würde auf verschiedenen Positionen, wenn er im Moment nicht verletzt wäre. Auch der passt perfekt zu uns. Bei Issah Abass war klar, dass er als 20-Jähriger, der aus Slowenien kam, ein Projekt für die Zukunft ist. Wir geben ihm alle Zeit, die er braucht. Wir müssen jetzt gucken, was wir machen. Er hat wenig gespielt, kann wegen seines ghanaischen Passes nicht in der U23 eingesetzt werden. Dazu haben wir ja auch eine große Qualität im vorderen Bereich."

Denkst du da über eine Ausleihe nach?

Schröder: "Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Wenn wir eine hervorragende Lösung finden würden, bei der alle Beteiligten sagen, er bekommt Spielpraxis für ein halbes Jahr bei einem guten Klub, dann würden wir das auch überlegen. Es ist für die Entwicklung immer besser zu spielen, als auf der Tribüne zu sitzen."

Zahlt es sich jetzt aus, auf einen jungen Kader, auch mit eigenen Talenten zu setzen?

Schröder: "Ich glaube schon, dass wir da gewisse Dinge angestoßen haben und uns jetzt pudelwohl fühlen in dem Konstrukt mit jungen, top-talentierten Spielern, die zu uns passen. Dazu haben wir einen Cheftrainer, der den Schneid besitzt, aus Überzeugung diese jungen Spieler auch auf das Feld zu stellen. Des Weiteren nehmen es die Mainzer an, dass sich die jungen Burschen da austoben und richtig Gas geben. Bei der Art und Weise, wie sie Fußball spielen, technisch versiert und taktisch gut eingestellt sind, leidenschaftlich kämpfend, verzeihen die Fans auch Fehler. Man sagt immer Alter schützt vor Leistung nicht, aber man kann es auch umgedreht betrachten. Wenn du beispielsweise einen 18-jährigen Jonny Burkardt hast, der vier Starteinsätze hatte und generell ein Durchschnittsalter zwischen 22 und 24, dann zeigt es ja, dass Top-Leistungen möglich sind."

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Der Kader hat sehr schnell gelernt. Ist das eine Frage der Mentalität und des Charakters?

Schröder: "Mentalität und Charakter auf jeden Fall, um sich schnell zu integrieren trotz der Sprachproblematik. Federführend ist der Cheftrainer, der mit einer klaren Linie vorangeht und ihnen die Dinge vorzeichnet. Doch auch die Intelligenz auf dem Fußballplatz ist gegeben. Schnell und klar zu wissen, was will der Trainer von mir? Wie kann ich Dinge umsetzen? Sandro arbeitet da sehr akkurat und strukturiert. Das haben die Spieler schnell verinnerlicht."

Die Mannschaft macht den Eindruck, dass sie Spaß findet daran, im Training wie im Spiel alles zu geben und besser zu werden.

Schröder: "Das ist der wichtigste Prozess. Dass die Spieler es nicht nur aufnehmen, sondern auch sehen, was das für einen Mehrwert hat. Ein Trainer mit großer Qualität, der Systeme vorgibt. Einmal ein 4-4-2 mit Raute, dann eine Woche später auf ein 3-5-2 umstellt oder auch während des Spiels die Ordnung ändert und du hast nicht das Gefühl oder sogar das Problem, dass die Spieler auf dem Platz damit nicht klarkommen. Es spiegeln sich gelebte und trainierte Automatismen wieder. Da greift ein Rad ins andere. Die größte Qualität liegt darin, den Spielern immer klarzumachen, wir spielen dieses System gegen diesen Gegner aus diesem oder jenem Grund. Sie müssen immer aus Überzeugung handeln."

Gerade bei den zwei bitteren Niederlagen vergangene Saison in Frankfurt war die Mentalität das große Thema. Hat das auch einen Impuls gegeben, um den Kader dahingehend zu verändern?

Schröder: "Unsere Aufgabe war, das zunächst ganz rational zu bewerten und nicht explizit diese beiden Spiele zum Maßstab zu nehmen. Natürlich macht es kein Spieler der Welt extra. Das sah natürlich nach außen hin wirklich nicht gut aus. Ich mache da keinem einen konkreten Vorwurf, weil ich selber Spieler war und weiß: Man will oft viel und kriegt es an diesem Tag nicht auf den Platz. Es darf halt nicht öfter vorkommen.

Trotzdem war es ein weiterer Punkt, dass wir auf Spieler setzen wollten mit starken Charakteren, die sich nicht so leicht umwerfen lassen. Die auch schon viel erlebt haben in jungen Jahren, die wissen, was Druck bedeutet und sich dagegen stemmen. Wir hatten in dieser Saison jetzt Situationen, in denen es negativ begonnen hat im Spiel, mit einem Rückstand oder vielleicht einem schwächeren Spielstart. Du hattest aber nicht das Gefühl, dass die Mannschaft dann Fragezeichen aufgeworfen hat oder nervös geworden ist. Das komplette Team hat einen Entwicklungsschritt gemacht in puncto Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigene Stärke. Sie wissen genau, sie bleiben in ihrer Struktur. Sie wissen vom Trainer, was sie zu tun haben. Das ergibt ein klares Bild."

Hat sich das abgezeichnet vor der Saison?

Schröder: "Das hat man in den Gesprächen schon gemerkt. Die Spieler, mit denen wir gesprochen und dann verpflichtet haben, hatten alle schon ihr Päckchen zu tragen in ihren Vereinen. Kunde spielte zum Beispiel mal in der dritten Liga Spaniens, da ging es um Existenz.

Mateta musste sich in Le Havre in der zweiten Liga durchbeißen, Niakhaté in Metz einen harten Erstliga-Abstiegskampf durchziehen, Aarón sich als Stammspieler bei Espanyol Barcelona beweisen: Boëtius spielte u.a. bei Feyenoord, das bedeutet liefern, Mwene erlebte Abstiegskampf in Kaiserslautern. Da weißt du schon mal Bescheid. Du siehst, dass die Historie der Spieler sehr spannend ist, sie haben Drucksituationen ausgehalten."

Ist die jetzige Partie gegen die Eintracht aufgrund der Auftritte dort in der vergangenen Runde besonders motivierend?

Schröder: "Gar nicht, weil wir einfach komplett in unserer Saison sind, die letzte Saison kein Thema mehr ist. Wir haben die Liga gehalten, spielen in der Bundesliga, weil wir hinten raus eine absolute Qualität gezeigt haben. Wir reden über jetzt, über eine gute Zeit, über harte Arbeit und Entwicklung die wir haben und das, was wir aktuell beeinflussen können."

Welche Bedeutung hat dann dieses Duell?

Schröder: "Frankfurt ist generell immer eine Herausforderung. Eine ambitionierte Mannschaft, die sich, genau wie wir, sehr gut entwickelt hat, die europäisch spielt, die unser Nachbar ist. Das ist die spannende Aufgabe. Wir haben ein Heimspiel, 20.30 Uhr, Flutlicht, OPEL ARENA. Wir wollen dieses Spiel gewinnen, die drei Punkte hier behalten und uns einfach mit einem solchen Gegner messen. Von daher können wir uns alle darauf freuen."