Profis 24.08.2018 - 18:00 Uhr
Schwarz: Prinzipientreue nachts um drei
Der Cheftrainer des FSV im Interview vor dem Auftakt der 05er in die zehnte Bundesliga-Saison in Folge
Der 1. FSV Mainz 05 geht in seine 13. Spielzeit in der Bundesliga, in die zehnte Saison in Folge. UNSER TRAUM LEBT, so lautet das Motto vor dem Start gegen den VfB Stuttgart am Sonntagnachmittag (15.30 Uhr in der OPEL ARENA). Für Sandro Schwarz ist die Saison 2018/19 das zweite Jahr als Cheftrainer. Der 39-Jährige gebürtige Mainzer, der als Spieler 168 Zweitligaspiele für seinen Klub absolvierte und dem in seinem ersten Jahr als Trainer in einem furiosen Endspurt mit der Mannschaft der Klassenverbleib gelang, hat seinen Kader nun gut sieben Wochen lang intensiv und umfassend auf den mit Spannung erwarteten Saisonstart vorbereitet. Im Interview erzählt der 05-Trainer von seiner Herangehensweise, von neuen, klaren Prinzipien und wichtigen Voraussetzungen.
Sandro, was hast Du für ein Gefühl nach dem Ende der Vorbereitung, auch im Vergleich zum letzten Sommer?
Schwarz: "Es ist nicht zu vergleichen. Das würde der Sache nicht gerecht werden. Im letzten Jahr hatten wir ganz andere Voraussetzungen. Angefangen im Verein, der insgesamt nicht mit Ruhe gesegnet war. Es geht aber nicht darum, Parallelen aufzuzeigen oder zu sagen: ‚Es wird jetzt sicher alles besser‘. Es wird wieder Tiefen geben, die wir gemeinsam zu überstehen haben. Wir haben aber eine Basis geschaffen in den sieben Wochen und sowohl im physischen als auch im athletischen Bereich enorme Entwicklungsschritte erzielt. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir ein totales Intensitätsspiel haben wollen. In der von uns am Ende der vergangenen Saison ausgerufenen Endrunde - in diesen letzten sieben, acht Spielen - haben wir gemerkt, dass diese Intensität für uns die Basis und der Anker ist. Deshalb waren wir zu Beginn der Vorbereitung ganz tief drin in der Basisarbeit, haben darauf die Arbeit gegen den Ball aufgebaut. Wir wollten für uns verlässliche Abläufe definieren in der Grundordnung, wollen, dass sich auf dem Platz widerspiegelt, was wir trainieren. Dazu haben wir Qualität erarbeitet im vertikalen Spiel. Mit der Umsetzung in den Testspielen und nicht zuletzt im Pokalspiel in Aue war ich sehr zufrieden."
Waren die zweite Halbzeit in Vigo, aber auch der Sieg im DFB-Pokal Beispiele für das, was Mainz 05 aus deiner Sicht auszeichnen muss?
Schwarz: "Ja, diese Entwicklungsschritte sind symptomatisch für die gesamte Vorbereitung. Es ist uns immer wieder gelungen, Widerstände zu überwinden. In Vigo kamen wir nicht gut ins Spiel, in Aue gab es nach drei Minuten die Rote Karte. Am Ende haben wir die Spiele dennoch verdient gewonnen. Die Spieler geben mir ein sehr gutes Gefühl. Das betrifft den Umgang miteinander genauso wie die Leistungen im Training und in den Spielen. Gleiches gilt für den Klub, weil Ruhe herrscht und man eine Verlässlichkeit spürt. Wir haben eine Mannschaft mit viel Potenzial, in der sehr viel Talent drin steckt, sehr viel Dynamik. Es ist total spannend, mit diesem Team zusammenzuarbeiten. Unser Auftrag lautet, dieses Potential in Drucksituationen, im Alltag abzurufen und die nächsten Entwicklungsschritte zu gehen. Da ist jeder Eindruck wichtig, den wir jetzt gesammelt haben. Das sind kleine Mosaiksteinchen, die mir das Gefühl geben, dass etwas zusammenwächst. Wir müssen aber schon noch den Beweis antreten, diese Entwicklungsschritte im Alltag weiterhin bewerkstelligen zu können.
Wohin soll's fußballerisch gehen in dieser Saison?
Schwarz: "Die Voraussetzung muss sein: Wenn du uns nachts um drei anrufst und sagst, das Spiel geht los, dann muss das Basispaket stehen. Und das ist ganz klar die Intensität im Spiel, über die wir uns definieren, sowie die Vorwärtsverteidigung, darüber hinaus die Aktivität in der Arbeit gegen den Ball. Wir wollen Dominanz ausstrahlen im aktiven Verteidigungsmodus. Aber es wird auch Spielverläufe geben, die unterschiedliche Phasen mit sich bringen, auf die wir vorbereitet sein werden. Auch für Umschaltmomente nach Balleroberungen sind klare Prinzipien kommuniziert. Wir müssen zudem in der Lage sein können, ein vertikales Spiel aufziehen, wenn uns der Gegner den Ball lässt, so wie es in Vigo der Fall war. Das Basispaket muss immer auf den Punkt da sein. Darüber hinaus geht es immer um die angesprochenen Entwicklungsschritte.
Ist Mainz 05 eine Umschaltmannschaft oder eher eine Ballbesitzmannschaft?
Schwarz: "Diesen Unterschied machen wir nicht. Man darf sich nicht selbst begrenzen. Es gehört immer der Spielverlauf dazu. Die Basis bleibt die Arbeit gegen den Ball, nicht passiv zu sein im Vorwärtsverteidigen. Dazu kommen dann je nach Spielphasen die Umschaltmomente und der Ballbesitz. Die Aktivität gegen den Ball ist jedoch immer der erste Schritt. Das ist vielleicht der Unterschied zum letzten Jahr. Ich glaube, dass wir da manchmal schon den zweiten und dritten Schritt vorausgedacht haben, eine gewisse Ungeduld hatten. Dabei haben wir unsere Basis vielleicht hier und da einen Tick vernachlässigt."
Der Kader hat sich verändert, neue Spieler mussten und müssen integriert werden. Wie habt Ihr dieses Basispaket erarbeitet?
Schwarz: "Wir haben alle Spielphasen, die uns wichtig sind, ganz klar dokumentiert. Wir haben Punkte definiert, die für uns als Mainz 05 wichtig und elementar sind. Das haben wir den Spielern erläutert, damit sich für jeden ein glasklares Bild ergibt. Das betrifft beispielsweise das Strafraumverhalten in gewissen Zonen – sowohl in der Defensive als auch in der Offensive. Diese Punkte hängen auf Plakaten in der Kabine. Da laufen die Spieler jeden Tag dran vorbei. Das Ganze gibt es in unterschiedlichen Sprachen. Diejenigen, die der deutschen Sprache noch nicht so mächtig sind, haben in Englisch, Spanisch und Französisch eine Mappe bekommen, in der wir das für die Jungs übersetzt haben, damit sie genau wissen, wie diese Prinzipien aussehen. Es gibt nun noch klarere Vorgaben. Die Spieler nehmen es an, sind total neugierig und setzen es um. Unsere Prinzipien gelten immer, unabhängig von der jeweiligen Grundordnung.
In den Testspielen war die Grundordnung meist ein 4-4-2 oder ein 4-4-3. Wie soll das in der Saison aussehen?
Schwarz: "Das kann variieren. Wir möchten uns nicht festlegen darauf, ob wir ein 4-4-2, ein 4-3-3 oder ein 4-2-3-1 spielen. In der Abstiegskampf-Endrunde haben wir aber gemerkt, dass wir am aktivsten sind, wenn wir Viererkette spielen. Welche Grundordnung sich daraus ergibt, ist dann auch vom jeweils vorhandenen Personal abhängig. Das heißt nicht, dass es nicht auch mal ein Spiel geben kann, in dem wir davon abweichen. Fest steht nur: Die Viererkette bleibt unser Anker."
Wir gehen am Sonntag ins zehnte Jahr Bundesliga in Serie – UNSER TRAUM LEBT…
Schwarz: "Unser Saisonmotto passt. Definitiv. Für uns gilt es nun, den Menschen immer wieder bewusst zu machen, dass es für uns niemals eine Selbstverständlichkeit werden darf, Bundesliga zu spielen. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass wir aufhören sollten, groß zu denken oder Entwicklungsschritte zu vollziehen, die es uns erlauben, mehr zu erreichen als den Klassenerhalt. Es ist wichtig, ein solches Motto zu haben, das uns auch in schwierigen Phasen leiten kann. Wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen. Ich selbst habe hier als Spieler in einer völlig anderen Welt gelebt. Die Entwicklung, die Mainz 05 vollzogen hat, ist bemerkenswert. Jetzt sind wir zehn Jahre am Stück in diesem Bundesliga-Geschäft und wissen, was allein in diesen zehn Jahren alles passiert ist mit anderen Klubs. Wir müssen durch unsere Arbeit Voraussetzungen schaffen, Bundesliga spielen zu dürfen. Wir haben es jetzt zehn Jahre geschafft, und wir werden es wieder schaffen. Dieses Bewusstsein verleiht Energie."
Das gesamte Interview mit unserem Cheftrainer gibt es am Sonntag im "NULLFÜNFER" zum Heimspiel gegen den VfB Stuttgart. Darin spricht Schwarz u.a. auch über die Tiefpunkte der vergangenen Saison, die Bedeutung der Fan-Veranstaltung in der OPEL ARENA im März u.v.m.