Profis 04.10.2020 - 11:30 Uhr

Selbstkritik & harte Arbeit

Nach Bundesliga-Fehlstart: 05ER wollen und müssen nach der Länderspielpause zurück in die Spur finden - Aufarbeitung der Berlin-Klatsche begann am Wochenende

Jan-Moritz Lichte und Co-Trainer Michael Falkenmayer gaben am Freitagabend von der Seitenlinie erstmals im Tandem die Anweisungen an die 05-Profis.

Jan-Moritz Lichte hätte sich bei seinem Debüt als Cheftrainer des 1. FSV Mainz 05 eine andere Leistung und ein besseres Ergebnis gewünscht. Doch seine Mannschaft verlor auch ihr drittes Saisonspiel sang- und klanglos und geht mit einer frustrierenden 0:4-Niederlage bei Union Berlin in die zweiwöchige Länderspielpause. Die durch die Vorkommnisse der vergangenen 14 Tage entstandene Situation, sagte Lichte, "sollte jedoch auf keinen Fall für irgendwen von uns eine Ausrede dafür sein".

Das bekräftigte auch der Sportvorstand. "Wir sind brutal enttäuscht", erklärte Rouven Schröder noch in Berlin. "Wenn du die ersten drei Bundesligaspiele verlierst, ist es klar, dass du mehr falsch gemacht hast als richtig. Da müssen wir schonungslos mit uns umgehen. Es gibt keine Alibis mehr." Lichte werde den Kader in den kommenden Wochen entsprechend fordern.

Parallel dazu kündigte der Coach eine intensive Aufarbeitung an. "Wir müssen selbstkritisch mit der Situation umgehen. Ich als Trainer und die Spieler, die sich hinterfragen müssen, ob wir mit der Qualität, die wir haben, mit den Zweikämpfen, die wir in entscheidenden Momenten führen, momentan berechtigt sind, in der Bundesliga zu spielen. Wir müssen hart arbeiten, um uns da wieder hinzubringen."

Videoanalyse zeigt die Fehler

Und so wurde es eine lange Nacht in Köpenick, in der Trainercrew und Vorstand die Situation besprachen und Lösungswege suchten. Am Samstagmorgen folgten dann Heimflug, Covid-Test, Videoanalyse und Regenerationstraining am Bruchweg, ehe sich die Nationalspieler verabschiedeten und Lichte in einer digitalen Medienrunde die Probleme noch einmal präzisierte. "Natürlich war das Spiel nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben", sagte der 40-Jährige. "Die Fehler beginnen eigentlich mit dem ersten Gegentor. In einem Moment, in dem wir defensiv nicht mehr die Ordnung haben. Das ist ein entscheidender Faktor: Wir verlieren die Ordnung und die Ruhe, weil etwas passiert, mit dem wir nicht rechnen. Wir sind nicht mehr in den Positionen und neigen dann dazu hektisch zu werden. In den entscheidenden Momenten stehen wir neben dem Gegner statt nahe am Gegner."

Dieses Problem sei praktisch bei allen Gegentoren aufgetreten, dazu taktische Fehler beim 0:2. "Wir haben deutlich besprochen, woran es lag, dass wir das Spiel verloren haben und was wir tun können, um es demnächst besser zu machen", sagte Lichte. "Wir werden mit den Spielern daran arbeiten, solche Defensivsituationen im mannschaftstaktischen Verbund trainieren. Und auch das, was passiert, wenn ich draußen bin aus diesem Verbund, wie ich möglichst schnell wieder reinkomme." Es gehe darum, eine Disziplin zu schaffen, durch die jeder das Gefühl der maximalen Verantwortung bekomme, wieder in die Ordnung zu kommen, wenn etwas Negatives im Spiel geschehe. "Nicht den Kopf zu verlieren, denn wir werden definitiv hektisch, wenn etwas passiert, was nicht ganz klar in den vorher besprochenen Abläufen festgehalten ist."

Auch wenn es vier Gegentore waren, die die Mainzer erneut kassierten, das vielleicht noch größere Problem war aber das, was die Mannschaft mit dem eigenen Ballbesitz veranstaltete. Denn davon profitierte oft nur der Gegner. "Das ist der zweite wichtige Punkt", so Lichte. "Es waren oftmals die Räume da, die wir uns vorgestellt haben, auch oftmals besetzt von den Spielern die wir da haben wollten. Die Qualität unseres Passspiels hat dann aber dazu geführt, dass wir nicht in gute Ausgangspositionen gekommen sind."

Zurück zur Basis

Es sei deutlich geworden, dass die 05-Profis eine viel zu hohe Anzahl von Pässen spielten, die entweder den Mitspieler nicht erreicht hätten oder aber so schlecht waren, dass der Angespielte die Folgeaktion nicht habe umsetzen können. Allerdings auch, weil bei den Offensiven über lange Zeit die Ballannahme, der erste Kontakt genauso schlecht waren. "Das war ein großer Teil des Grundes, warum wir nicht torgefährlich geworden sind. Wir werden da zur Basis zurück müssen, definitiv", erklärte der Trainer. Es müsse in die Köpfe rein, dass diese Dinge nicht automatisch kommen, sondern nur über harte und konzentrierte Trainingsarbeit.

Lichte ist optimistisch, dass diese Arbeit tragen wird. "Mein Gefühl ist, dass die Mannschaft versucht umzusetzen, was wir als Plan entwickeln. Wir gehen kritisch mit Dingen um, sprechen alles individuell und vor der Mannschaft an, und ich glaube, dass wir darüber in eine Phase kommen, in der sich die Pläne so auswirken, dass wir wieder erfolgreich sein werden."