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Profis 11.05.2022 - 19:30 Uhr

Widmer: "Ich passe hier wunderbar rein"

Der 29-jährige Schweizer hat die Erwartungen in seiner ersten Saison bei Mainz 05 bestätigt, wenn nicht sogar übertroffen. Mit seiner Spielweise spiegelt er die Mainzer Tugenden wider und fühlt sich in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt "sehr wohl"

Hat sich in seiner ersten Saison beim FSV zu einer festen Größe entwickelt: Silvan Widmer.

Silvan Widmer kann man fraglos als einen der Top-Transfers des 1. FSV Mainz 05 in dieser Saison bezeichnen. Der 29-jährige Nationalspieler, der bei der EM im vergangenen Sommer im Team der Schweizer so positiv in Erscheinung getreten war, hat diesen Eindruck eindeutig weitertransportiert in die Bundesliga. Widmer, der vom FC Basel kam, hat in seinem neuen Klub sofort Maßstäbe gesetzt, ist Stammspieler, Leistungsträger im Team von Bo Svensson und auch jemand, der das, was er tut und das, was seine Mannschaft leistet, klar einordnet.

Am vergangenen Wochenende war der rechte Außenbahn-Spieler maßgeblich am Erfolg des FSV im Berliner Olympiastadion beteiligt. Widmer erzielte die 1:0-Führung beim 2:1-Sieg über Hertha BSC, dem so lange ersehnten dritten Auswärtserfolg dieser Spielzeit. "Die Woche davor haben wir gewonnen gegen Bayern. Generell ist es so, dass, wenn man gewonnen oder eine gute Leistung gezeigt hat, die Stimmung ein stückweit entspannter ist unter der Woche. Nichtsdestotrotz wird uns alles abverlangt im Training, das ist auch jetzt, in der letzten Saisonwoche, nicht anders. Der Trainer ist sehr akribisch. Wenn wir auf dem Trainingsplatz stehen, verlangt er 100 Prozent von uns. Und das finde ich auch klasse", sagt der Rechtsverteidiger im Gespräch vor dem Saisonfinale in der MEWA ARENA am Samstag (15.30 Uhr, live auf SKY und 05ER.fm) gegen Eintracht Frankfurt.

Die Zielvorgabe sei sowieso stets völlig klar. Das 05-Team wolle die Saison positiv abschließen und gegen Eintracht Frankfurt gewinnen. "Wir haben noch etwas gut zu machen. Das Hinspiel dort haben wir mit 0:1 verloren. Das war auch eines dieser Auswärtsspiele, in denen wir nah dran waren, aber am Ende trotzdem ohne Punkte nach Hause mussten. So gesehen, ist da noch eine kleine Rechnung offen, und wir und möchten mit den Fans im Stadion die Saison gebührend beenden und feiern. Das geht am besten mit einem Sieg." Dass der Gegner ein paar Tage später das Europa-League-Finale gegen die Glasgow Rangers bestreitet, erhöht den Reiz des anstehenden Nachbarschaftsduells zusätzlich.

Zufrieden mit der ersten Saison als 05ER

"Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass so etwas im Hinterkopf umherschwirrt bei den Spielern. Es wäre auch verständlich, wenn die ein paar Prozent weniger geben würden, um nicht unbedingt noch Verletzungen zu riskieren. Ich erwarte aber trotzdem eine Mannschaft, die gut eingestellt sein und alles geben wird. Die haben danach auch noch fünf Tage Zeit zur Erholung“, so der 05-Profi, der sich allerdings eher auf einen harten Kampf einstellt. "Wir stellen uns immer auf den bestmöglichen Gegner ein und wissen, wir müssen erneut an unsere Leistungsgrenze gehen, um die drei Punkte hier zu behalten."

Widmer selbst hat versucht, diesen Anspruch die ganze Runde über zu beherzigen. Der Schweizer hat alle 33 Spiele bisher absolviert und dabei die meisten Spielminuten aller 05ER gesammelt. "Generell bin ich mit den Einsatzminuten mehr als zufrieden und glücklich, dass mir der Trainer immer wieder das Vertrauen geschenkt hat. Oftmals habe ich es auch mit guten Leistungen zurückgeben können. Es gab Spiele, in denen ich nicht so gut performt habe, und der Trainer hat trotzdem an mir festgehalten. Dafür bin ich sehr dankbar. Insofern ist es für mich Stand heute schon eine sehr positive Saison. 

Laufstark: Widmer hat in dieser Saison die meisten intensiven Läufe (2.800) aller Bundesliga-Profis absolviert.

Über Kampf & Laufstärke

In Berlin schoss Widmer sein viertes Saisontor, dazu kommen fünf Torvorlagen. "Neun Scorer-Punkte sind gut für einen Außenspieler, noch schöner wäre es, wenn es zweistellig werden würde. Das nehme ich mir fürs letzte Spiel vor, noch einmal einen Assist oder ein Tor beizusteuern. Grundsätzlich sind das ordentliche Zahlen, dennoch ist da Luft nach oben. Ich werde versuchen, nächste Saison mehr rauszuholen", sagt er. Mit einem in diese Richtung gehenden Auftrag an sich selbst sei er zum Bruchweg gekommen. "Ich habe gewusst, dass wir mit Dreierkette spielen und ich mich immer wieder außen in die Offensive einschalten darf. Da ist es dann einfach wichtig, gewisse Zahlen zu liefern. Daran wird man auch gemessen. Und das hat ganz gut funktioniert." 

Das ist Understatement, denn die Statistik liefert Werte, die besser sind als "ganz gut". Widmer ist in der Bundesliga der Spieler mit den meisten intensiven Läufen. Mit weitem Abstand vor Hoffenheims David Raum, der wiederum in Sachen Sprints knapp vor dem Schweizer liegt. Was sagt das aus? "Dass ich ein Spieler bin, der von der Physis lebt. Ich kann mich einschätzen und weiß, dass ich in jedem Spiel an meine hundertprozentige Leistungsgrenze gehen muss, damit ich ein Mehrwert für die Mannschaft bin", sagt Widmer, der an dieser Stelle "ein großes Kompliment" an die 05-Athletiktrainer richten möchte. "Seit Beginn fühle ich mich gut, bin ohne Verletzung durchgekommen." Er erkenne, dass seine Werte in Bezug auf die Sprints und intensiven Läufe toll seien. Auch weil sie das widerspiegeln, was Svensson und die Mannschaft als Spiel-Philosophie und als Identifikationsmerkmal vermitteln möchten. "Ich bin technisch nicht schlecht, aber ich weiß, dass ich eher mit meinen intensiven Läufen und meinen Sprints den Unterschied machen kann", so der Profi. Sich darüber zu definieren, gelte auch für das gesamte Team. "Wir sind technisch nicht das schlechteste Team, aber sicherlich auch nicht das talentierteste. Das heißt, wir müssen über den Kampf und das Läuferische zum Erfolg kommen. So gesehen passe ich hier wunderbar rein."

Gesunder Konkurrenzkampf in der kommenden Saison

Ungeachtet dessen haben die Mainzer in der laufenden Runde ihr Ballbesitz-Spiel deutlich verbessert. Das sei wichtig, sagt der Verteidiger. Gerade in Führung liegend den Ball laufen zu lassen, mache den Gegner müde und demotiviere ihn. Für die neue Saison gibt es weitere inhaltliche Themen, die angegangen werden müssen. Eines lautet: Mehr Konstanz. Auswärts häufiger und am besten ähnlich oft wie zu Hause auftreten. "Das ist wahrscheinlich am wichtigsten. Es muss das Ziel sein, das Ganze ausgeglichener zu gestalten. Diese Saison war aber auch Pech dabei, dass wir auswärts die engen Spiele nicht wie daheim am Ende noch zu uns gezogen haben. Das zu verbessern, dafür brauche es eigentlich nicht viel, sagt Widmer. "Jeder muss auswärts mit breiterer Brust auftreten, sich mehr zutrauen. Ich glaube als Mannschaft muss man sich auswärts noch mehr gegenseitig unterstützen, weil von den Rängen wenig Unterstützung kommt. Die muss aus dem Inneren des Teams kommen. Da ist jeder einzelne gefragt."

Das in der kommenden Spielzeit der Konkurrenzkampf weiter zunehmen wird, sollte dabei kein Nachteil sein. Widmer kriegt es dann auf seiner Position unter anderem mit Danny da Costa zu tun, der aus Frankfurt zurückkehrt. "Ich finde es super. Gesunder Konkurrenzkampf heißt, man darf sich nie ausruhen, ist gezwungen, in jedem Training Leistung zu bringen, sich dem Trainer aufzudrängen. Ich freue mich auf den Konkurrenzkampf mit Danny, habe mit ihm nach dem Bayern-Spiel schon kurz gesprochen, als er in der Arena war. Ich sehe da keine Probleme."

Wohlfühlatmosphäre in Rheinhessen

Seit fast einem Jahr lebt und arbeitet Widmer nun in Mainz. "Ich kann einfach sagen, dass ich mich hier sehr wohl fühle", betont er, "ich komme jeden Tag sehr gerne zum Training, bin glücklich hier und darüber, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe." Groß verändert habe sich sein Leben nicht gegenüber der Zeit in Basel nicht. "Sicherlich, ich habe drei Jahre zu Hause gelebt, vermisse etwas Familie und Freunde. Weil es mir hier aber sonst so gut geht, gleicht sich das aus."

Der Nationalspieler schätzt auch den Austausch mit dem Trainerteam, der immer auf direkter, fairer Basis erfolge. "Es ist mit lieber so. Ich habe gerne Kritik und finde es gut, dass alles hin und wieder kritisch hinterfragt wird. Auch sonst ist der Austausch innerhalb der Mannschaft klasse. Es ist super, dass wir starke Charaktere haben und etwas angesprochen wird, wenn jemandem was nicht passt. Es darf auch jeder was sagen. Egal, ob er 18 oder 33 ist. Jeder hat hier das Recht, etwas zu sagen, und dann wird es ausdiskutiert."

Ein Auftritt folgt nun noch vor vollem Haus. "Ich erwarte eine großartige Stimmung", sagt Widmer. "Wir werden bereit sein, wenn der Schiedsrichter anpfeift, werden alles geben, um nochmal drei Punkte zu holen. Und wir werden bereit sein für das, was danach passiert."