Profis 29.12.2020 - 20:00 Uhr
Ereignisreich statt besinnlich
Rückkehrer zu Gast beim Teamtraining & vor wegweisenden Personalentscheidungen
Ereignisreich statt besinnlich: Die Drähte glühten in den vergangenen Tagen, nicht zuletzt zwischen Christian Heidel und Martin Schmidt. Es galt Entscheidungen zu treffen, die sie schlussendlich zurück an den Bruchweg und am Dienstagmittag aufs Podium im Pressekonferenzraum der OPEL ARENA führten. Ruhiger dürfte es demnächst kaum werden. Im Anschluss an die Vorstellung bei den 05-Profis und dem Besuch der ersten Trainingseinheit nach der kurzen Weihnachtspause am Nachmittag müssen nun weitere Weichen gestellt werden.
"Es war das merkwürdigste Weihnachtsfest, das ich bislang erlebt habe", gab Heidel im Rahmen seiner Rückkehr zu Protokoll. "Ich muss zugeben, in diesem Jahr bestand Weihnachten aus zwei Stunden Bescherung mit meiner Tochter. Ansonsten ging es auch in der Familie um das Thema Mainz 05. Es hat sich nicht immer angenehm angefühlt, ich habe Druck gespürt, mir aber die Zeit genommen, um zu entscheiden, ob es der richtige Weg für Mainz 05, für mich und die Familie ist. Die Zeit habe ich gebraucht", so der 57-Jährige, der künftig als Vorstand Strategie, Sport und Kommunikation tätig sein wird. An Heiligabend habe er erstmals mit Martin Schmidt Kontakt aufgenommen und ihm seine Idee geschildert, ihn beim FSV als Sportdirektor zu installieren. "Ich glaube, er war überrascht. Aber wir haben uns immer ausgetauscht in den vergangenen Jahren und ich wusste, dass Martin über eine solche Veränderung nachdenkt. Ich hatte gleich den Eindruck, dass er Feuer gefangen hat. Es ging in unseren Gesprächen nie um Geld, sondern immer um die grundsätzliche Idee. Wir haben beide eine Vergangenheit hier."
Seit Montag ist nun klar, dass die beiden Rückkehrer auch Gegenwart und Zukunft der Mainzer prägen sollen, weil Rouven Schröder sich bekanntlich gegen einen Verbleib in neuer Konstellation entschieden hatte, um den Weg für neue Impulse freizumachen. Sowohl Heidel als auch Schmidt berichteten, dass Schröder sie kontaktiert und gratuliert habe. Und es wird nicht der letzte Kontakt gewesen sein, wird der bis kurz vor Weihnachten verantwortliche Sportvorstand seinen Nachfolgern doch zunächst mit "Rat und Tat zur Verfügung" stehen. "Wir haben ein gutes Verhältnis, er kennt die Mannschaft in- und auswendig. Das wollen wir nutzen", unterstrich Heidel die nach wie vor intakte Beziehung, wenngleich er bekannte, dass er die Entscheidung seines einstigen Nachfolgers bedauert habe.
Vertrauen in Siewert, Suche nach dem Lichte-Nachfolger
Die 05ER aus dem derzeit so tiefen sportlichen Tal führen und einen neuen Cheftrainer finden, müssen in den kommenden Tagen also zwei neue alte Gesichter am Bruchweg. Spätestens zu Beginn der Woche nach dem Bayern-Spiel soll der neue Mann gefunden sein, wie Schmidt sagte. Mit einem unguten Gefühl geht der Sportdirektor allerdings nicht in die kommenden Tage: Interimslösung Jan Siewert, eigentlich Cheftrainer im Nachwuchsleistungszentrums, sei begeistert "und geht mit Freude in die Woche. Die sind heiß die Jungs und wollen diese Woche, mit allem, was sie haben, begehen." Unterstützt wird Siewert dabei zunächst von Michael Falkenmayer, Patrick Kaniuth, Sören Hartung, Torwarttrainer Stephan Kuhnert und Videoanalyst Daniel Fischer. Doch nicht nur im Trainerteam stehen Veränderungen bevor, auch im Kader sind Zu- und Abgänge möglich: "Ich kann nicht versprechen, dass wir drei Neue holen, es kann auch sein, dass der eine oder andere uns verlässt. Aber wir werden ein Team auf die Beine stellen, dass den Ligaverbleib bewältigen und schaffen kann", gibt sich Schmidt trotz der Schwere der Aufgabe optimistisch. Dass dies, unabhängig von jeglichen Personalentscheidungen, kein Selbstläufer werde, darüber dürften sich alle 05ER im Klaren sein. "Man würde uns nicht ernst nehmen, wenn wir nicht über den 'worst case' nachdenken würden. Wenn es so käme, würde aber keiner von uns sagen: 'Die zweite Liga tun wir uns nicht an'", versprach Heidel. Sowohl er als auch Schmidt haben für beide Ligen gültige Verträge bis zum Sommer 2022 unterzeichnet. Gleiches soll im Übrigen auch für den neuen Chefcoach gelten. "Einen Abstieg müssen wir irgendwann in unsere Überlegungen einbringen. Darüber sprechen möchten wir allerdings nicht, solange wir die Chance haben. Und sie ist da. Fakt ist aber auch, Mainz 05 würde nicht zusammenbrechen, wenn es mal in Liga zwei gehen würde. Gegen den Abstieg zu spielen, ist auch Mainz. Dann gehen wir eben runter, um wieder rauszukommen. Am wichtigsten aber: Wir trauen uns zu, die Liga zu halten, nicht nur theoretisch, es ist auch praktisch möglich."
Wie es in Sachen Kaderplanung nun konkret weitergeht, erläuterte Schmidt: "Wir werden uns zusammensetzen und analysieren. Der neue Cheftrainer muss natürlich dabei sein und mitreden, wo er Impulse setzen möchte. Wir werden versuchen, seine Wünsche zu erfüllen, aber natürlich muss es auch wirtschaftlich passen. Das jetzige Team hat aber in dieser Konstellation bereits Erfolg gehabt, da steckt viel Qualität drin", traut der Schweizer auch dem vorhandenen Personal zu, seinen Anteil zum Ligaverbleib leisten zu können. Erste Eindrücke von diesem haben sich Heidel und Schmidt am Dienstag auf dem Rasen verschafft und dabei auch erstmals das neue Trainingsgelände am Rande des Bruchwegstadions begutachten dürfen, das im Januar 2019 fertiggestellt worden war. Ein ereignisreicher Tag neigte sich anschließend dem Ende entgegen, viele weitere dürften in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten folgen. Weshalb, auch dies dürften die Fans wohlwollend zur Kenntnis nehmen, für Heidel feststeht, dass "mein Lebensmittelpunkt Mainz sein wird", während die Familie zunächst auf Mallorca die Stellung hält. Es gilt schließlich mehr denn je, rund um den Bruchweg alle Kräfte zu bündeln im Jahr 2021.