U23 12.05.2021 - 12:00 Uhr
Gaul: "Vision, dass wir diese Schnittstelle optimal nutzen"
Der U23-Cheftrainer spricht im Interview über seine Vertragsverlängerung, die komplexe Aufgabe als Trainer der höchsten Ausbildungsmannschaft und die gute Zusammenarbeit mit dem Profibereich
Seit 2015 ist Bartosch Gaul Jugendtrainer im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FSV Mainz 05, seit 2018 vom DFB ausgebildeter Fußballlehrer und Chefcoach der U23. Jüngst hat der 33-Jährige seinen Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert und will den vor drei Jahren begonnenen Prozess in der höchsten Ausbildungsmannschaft des FSV weiter mitgestalten.
Im Interview spricht Gaul über die komplexe Aufgabe als Trainer der U23, die Motivation hinter seiner Vertragsverlängerung und die gute Zusammenarbeit mit dem Profibereich.
Du hast deinen Vertrag jüngst um zwei Jahre verlängert. Was waren die ausschlaggebenden Gründe?
Gaul: "In der U23 habe ich in den vergangenen drei Jahren Erfahrungswerte sammeln dürfen, die mir viel Freude bereitet haben. Ich kann hier als Trainer jeden Tag dazulernen und mich weiterentwickeln. Wir haben 2018 einen langfristigen Prozess gestartet, angefangen mit der Angliederung der U23 in das NLZ. Da sind wir aktuell mittendrin. Mit dem Trainerteam der ersten Mannschaft um Bo Svensson, NLZ-Leiter Volker Kersting und Jan Siewert als Junioren-Cheftrainer sind wir in einer sehr guten Ausgangssituation, um unserem Anspruch als Ausbildungsverein weiter gerecht zu werden."
Was heißt das konkret?
Gaul: "Bei einem Verein wie Mainz 05, der im Nachwuchsbereich viele gute Spieler mit Potenzial hat, ist der Weg über die U23 wirklich wichtig für die Entwicklung der Jungs. Wir haben ein super NLZ, wir spielen in einer anspruchsvollen Regionalliga Südwest, die die Jungs mehr als fordert – das ist für uns als Verein eine Riesenchance und für mich als Trainer eine spannende Aufgabe."
Ein wichtiger Teil davon ist sicherlich auch die weitere Optimierung der Verzahnung mit dem Profibereich
Gaul: "Man sieht an vielen Beispielen, dass der Schritt über die U23 für die Jungs enorm wichtig sein kann. Es ist mein Wunsch und meine Vision, dass wir diese Schnittstelle optimal nutzen und nicht als Pufferzone sehen, wenn es mal nicht direkt funktioniert. Es geht darum, den Jungs einen Weg aufzeigen, wie sie über diese Mannschaft wichtige Impulse im mentalen Bereich sammeln können. Top-Talente bekommen den direkten Sprung aus der Jugend zu den Profis manchmal hin – die meisten Spieler brauchen aber Zeit."
Ist es dahingehend ein Vorteil, dass das Profi-Trainerteam selbst aus dem NLZ kommt?
Gaul: "Ich wusste aus seiner Zeit in Mainz, wie Bo tickt, wie er zu dem U23-Thema steht und welche Ideen er hat. Er hat zudem zusammen mit Babak beim FC Liefering gute Erfahrungen sammeln können. Die Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten und den jungen Spielern eine Chance zu ermöglichen, ist absolut da. Da habe ich bei Bo das Gefühl, dass er weiß, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen, um den gesamten Prozess weiter zu optimieren. Es geht ihm um das große Ganze, er möchte etwas bewegen."
Seit 2018 bist du Trainer der U23: Was hat sich seitdem schon getan?
Gaul: "Zunächst einmal habe ich in den bisherigen drei Jahren gelernt: es geht nicht von jetzt auf gleich. Wir haben die U23 von der Ausrichtung und vom Alter her verändert. Jahr für Jahr werden wir sehen, wo wir noch Verbesserungen vornehmen müssen. Das ist kein kurzfristiges Projekt, sondern wird noch dauern. Ich habe große Lust, weiterhin daran mitzuwirken und meinen Input einzubringen."
Du hast von der U23 vor kurzem als "facettenreiche, spannende Aufgabe" gesprochen. Was verbirgt sich dahinter?
Gaul: "Es ist ein hochkomplexes Aufgabenfeld, in dem man sich als Trainer bewegt. Durch die unterschiedliche Altersstruktur der Mannschaft hat man Spieler, die frisch aus der U19 kommen, Spieler, die sich schon einige Jahre im U23-Bereich bewegen und die Führungsspieler, die eher in meinem Alter sind. Da lernt man als Trainer sehr viel im Hinblick auf Mannschaftsführung. Ein respektvoller Umgang und gute Kommunikation sind mir dabei sehr wichtig."
Welche Aspekte gibt es noch?
Gaul: "Man will seinen eigenen Ansprüchen, denen des Vereins und der Spieler gerecht werden. Zudem sind es viele unterschiedliche Felder, die man bearbeitet: Es gilt, den Kader der 'Kern-U23' zu betreuen: Da geht es um Spielvorbereitung, Automatismen oder Prinzipien. Dazu entstehen vor jeder Saison andere Herausforderungen, die immer auch von der ersten Mannschaft abhängen, mit der wir sehr eng verknüpft sind. Es gilt, die Jungprofis zu integrieren. Man braucht eine große Portion Geduld. Es dauert, bis sich Dinge einpendeln. Kommunikation und Struktur sind dabei wichtige Aspekte."
Ist auch die mentale Komponente in der Arbeit mit den jungen Spielern ein Faktor?
Gaul: "Die U23 ist immer ein Drahtseilakt für die Jungs. Sie erreichen einen Punkt, an dem sich entscheidet, in welche Richtung es mit ihrer sportlichen Karriere geht. Es ist nur menschlich, dass sie sich Gedanken machen. In meinen letzten drei Jahren bei der U23 habe ich gemerkt, wie wichtig diese Komponente im Erwachsenenfußball ist: eine mentale Widerstandsfähigkeit, in Drucksituationen trotzdem das Leistungsmaximum abrufen zu können."
Wie gehst du damit als Trainer um und welchen Ansatz verfolgst du?
Gaul: "Zum einen sind individuelle Gespräche wichtig, auch wenn man bei 24 Spielern natürlich nicht auf jeden Einzelnen in der gewünschten Intensität eingehen kann. Am Ende des Tages begleiten wir die Jungs und geben ihnen Impulse. Zum anderen ist es, wenn du von deiner Mannschaft eine gewisse Leichtigkeit erwartest, wichtig, die auch erstmal vorzuleben."
Was sicherlich auch nicht immer einfach ist
Gaul: "Ja, das ist auch wieder ein solcher Drahtseilakt, den du als Trainer permanent hast, weil es auf der einen Seite darum geht, die Jungs zum Sieg zu pushen und auf der anderen Seite zu merken, dass sie eine gewisse Gelassenheit brauchen. Diese Balance braucht man, um sein Leistungsoptimum abrufen zu können - das zu erreichen, ist mit Sicherheit als Trainer immer eine Herausforderung."