Profis 01.12.2022 - 10:00 Uhr
Wache: "Ich bin keine Kopie von Kuhni"
Der 05-Legenden-Adventskalender: Türchen Nummer 1
Zehn Wochen ohne Bundesliga-Fußball unserer 05ER - das dauert viel zu lange, oder? Wir wollen diese Zeit mit gemeinsamen Erinnerungen überbrücken und haben uns etwas Besonderes ausgedacht: Der diesjährige Adventskalender steht ganz im Zeichen der 05-Legenden.
Passend zur früheren Rückennummer eines Ehemaligen präsentieren wir euch auf unserer Website täglich Mainzer Fußball-Geschichte und Geschichten zu unseren ehemaligen Profis. Unseren bewährten Adventskalender mit täglich neuen Gewinnchancen von Mainz 05 und unseren Partnern erreicht ihr auchüber die Story auf unserem Instagram-Kanal.
Präsentiert wird der Kalender auch in diesem Jahr von Haupt- und Trikotsponsor Kömmerling.
Dimo Wache, die "Krake aus Brake", war von 1995 bis 2009 unangefochtener Stammtorwart beim 1. FSV Mainz 05. Bis heute ist der Ehrenspielführer des FSV mit insgesamt 406 Einsätzen Rekordspieler der 05ER. Seit 2013 trainiert Wache die Torhüter von Darmstadt 98. Mit dem mittlerweile 49-Jährigen lassen wir die Zeiten in Mainz Revue passieren, blicken auf die Entwicklung in Darmstadt, aber auch eine lange persönliche Leidenszeit und was er daraus gelernt hat.
An sein erstes Spiel im Trikot der 05ER kann sich Wache noch gut erinnern. "Das war ein Auswärtsspiel bei Fortuna Köln." Im September 1995 stand der Torhüter im Kölner Südstadion in der zweiten Bundesliga bei der 0:1-Niederlage erstmals für den FSV zwischen den Pfosten. Eine Szene aus der Partie ist im dabei bis heute präsent: "Ich habe einen Ball mit den Stollen auf der Torlinie gestoppt. Der wäre fast durchgeflutscht." Dennoch entwickelte sich Wache in den folgenden 14 Jahren zu einer prägenden Figur am Mainzer Bruchweg. Er erlebte sportliche Highlights wie die zwei Bundesliga-Aufstiege und eine UEFA-Cup-Teilnahme mit dem Spiel beim FC Sevilla mit. Wache war ein wichtiger Teil der positiv rasanten Entwicklung der 05ER. Trotz mehrerer Verletzungen in seiner Laufbahn ist er immer noch amtierender Rekordspieler des Klubs. "Es waren unheimlich viele Sachen, die sehr positiv waren, auch weil es eine Entwicklung war, die wir alle gerne mitgegangen sind", erzählt Wache im Gespräch.
Entwicklung von Mainz 05 miterlebt und geprägt
Als der gebürtige Braker im Sommer 1995 von Borussia Mönchengladbach als junger Torwart neben Routinier Stephan Kuhnert nach Mainz wechselte, sah die Situation noch etwas anders aus. "Es gab Bälle, aber sie waren oftmals nicht aufgepumpt. Wir sind zum Training in Kleinbussen nach Mombach oder Bretzenheim gefahren. Walter (Notter, Anm. d. Red.) hat die Klamotten in die Mitte geschmissen und jeder hat sich das genommen, was er brauchte." Einen Torwarttrainer, wie es ihn heute in jedem Verein gibt: "Wir hatten keinen." Kuhnert, mit dem sich Wache von Anfang an sehr gut verstand, musste ran. "Kuhni hat das in dieser Saison ein bisschen übernommen und ist in die Geschichte reingewachsen. Seine ersten Gehversuche als Torwarttrainer habe ich glücklicherweise hautnah miterleben dürfen."
Viele Jahre in der zweiten Liga, der erste Aufstieg, der Abstieg 2007 und der erneute Wiederaufstieg 2009: Wache war zwischen den Pfosten eine zuverlässige Konstante beim FSV. Auch aufgrund einer schweren Verletzung kam er dann ab der Saison 2009/10 in der Bundesliga nicht mehr zum Einsatz. Nach einem kurzen Abstecher zum Oberligisten SV Mehring beendete er 2012 endgültig seine aktive Karriere. Zum Abschiedsspiel im ausverkauften Bruchwegstadion im Juli 2011 kamen zahlreiche Weggefährten nach Mainz, um ein letztes Mal mit Wache auf dem Platz zu stehen.
Szenen aus Waches Zeit beim FSV
Torwarttrainer in Darmstadt
Wache blieb dem Fußball und dem Torwartspiel treu. Beim damaligen Drittligisten Darmstadt 98 stieg er im Januar 2013 als Torwarttrainer ein. Die Gegebenheiten waren ähnlich karg wie zu seiner Anfangszeit in Mainz: "Ich musste erstmal Bälle zum Trainieren kaufen." Das blieb im Gedächtnis und spornte vor allem an. Die Entwicklung ging ebenso positiv wie vorher in Mainz voran. Mit dem SVD stieg er zeitweise bis in die Bundesliga auf. In dieser Saison stehen die "Lilien" nach der ersten Saisonhälfte in der Tabelle der zweiten Liga ganz oben. "Zufrieden sein sollte man nie, aber für den Moment können wir den Urlaub genießen."
Unabhängig von möglichen sportlichen Erfolgen mit seinem Verein, ist Wache glücklich, dass ihm die Fortsetzung seiner Arbeit als Torwarttrainer überhaupt möglich blieb. Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen 2019 und 2021 musste der 49-Jährige zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen. Die behandelnden Ärzte konnten nicht mal gewährleisten, ob Wache wieder ohne die Hilfe eines Rollators weiterhin gehen könne. Eine schwierige Zeit für den ehemaligen 05ER, der sich selbst als "nicht gerade zu den geduldigsten Menschen nach Verletzungen" beschreibt. Zudem machten ihm speziell die Ärzte der Berufsgenossenschaft anfangs nur wenig Hoffnung. "Das ist demotivierend. Im Nachhinein war das eine große Frechheit, muss ich sagen." Zweifel kamen in dieser Zeit auf: "Irgendwann stellt sich die Frage, warum ich derjenige bin, der immer wieder auf diesem blöden OP-Tisch liegen muss. Gerade, als es nicht so voranging, hat mich das auch gequält. Die Erfahrungen aus meiner Zeit als Profi haben da auch geholfen."
Zurückgekämpft
Trotz aller Widrigkeiten und Ungewissheit: Wache kämpfte sich wieder zurück. Nach der zweiten großen Operation machte es Klick. "Dann ging es Schritt für Schritt im Mombacher Reha-Zentrum. Die Damen und Herren wissen mittlerweile, wie sie mich nehmen müssen, denn ich war Dauergast. Ich bin gerade diesen Menschen sehr dankbar, wie es gelaufen ist." Neben Freunden und Familie war auch sein Verein eine wertvolle Unterstützung. "Ich wollte meinen Vertrag in Darmstadt auflösen, weil ich nicht wusste, wie es weitergeht. Der Verein hat klipp und klar gesagt: 'Du wirst gesund und kommst wieder, egal, wann.' Das war eine besondere Art der Wertschätzung, gerade im heutigen Profigeschäft."
In seiner aktiven Zeit sei er nicht so gut mit seinem Körper umgegangen. "Das war sicherlich nicht der richtige Weg, den ich gegangen bin." Die heutige Generation sei in dieser Hinsicht bewusster, aber auch sensibler. "Wie so oft im Leben zählt die goldene Mitte", findet Wache. Leistungssport ohne Schmerz werde es niemals geben. Die Schmerzen werden ihn sein ganzes Leben begleiten. "Das ist nicht angenehm, klar. Aber ich habe es mir so ausgesucht und bin kein Mensch, der zurückblickt und in irgendeiner Form jammert."
Viel gelernt und dennoch keine Kopie
Viel lieber blickt der Mainzer Ehrenspielführer auf seine Arbeit mit den aktuellen Torhütern der Darmstädter, die ihm in dieser Saison viel Freude bereiten. Abschauen für den Job konnte er sich bereits während seiner Karriere viel von 05-Torwarttrainer Stephan Kuhnert. Beide bevorzugen etwas die "alte Schule", wie Wache es beschreibt. "Ich bin aber keine Kopie von Kuhni als Torwarttrainer. Jeder hat seinen eigenen Ansatz, dennoch habe ich vieles von ihm gelernt und das möchte man auch weitergeben."
Kontakt zu den handelnden Personen bei Mainz 05 besteht weiterhin, beispielsweise zu Kuhnert, Notter oder Christian Heidel. Auch, wenn wenig Zeit bleibt, um mal in Mainz vorbeizuschauen. Er bekommt aber natürlich mit, wie sich die 05ER seit der Rückkehr von Heidel und unter Bo Svensson als Trainer entwickelt haben. "Der Verein geht genau den richtigen Weg. Bo macht es sensationell." Vielleicht kommt es in der nächsten Saison sogar zu einem weiteren Duell in der Bundesliga mit seinem Ex-Klub. Bis dahin, betont Wache aber in seiner beruhigenden Art und Weise, "läuft noch viel Wasser den Rhein runter – und auch den Main übrigens."