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Vorberichte 19.03.2015 - 12:26 Uhr

Warum nicht auf den Gegner freuen?

VfL Wolfsburg klingt wie Volkswagen, kommt aber als Formel-1-Bolide

Foto: rscp

Die Liga zittert vor dem FC Bayern. Klar, jeder weiß warum. Weil sich niemand mit dem deutschen Rekordmeister messen kann, offenbar nicht einmal Borussia Dortmund. Da hatte der BVB über zwei Spielzeiten ganz aufmüpfig am Thron gewackelt. Und heute? Übrig geblieben ist davon nur eine Erinnerung, weil die Bayern auf diesen Frontalangriff mit noch mehr sportlicher Qualität und noch mehr Dominanz reagiert haben. Und diese Erkenntnis währt nun auch schon bald drei Jahre.

Der Kampf um die Pole Position in der Bundesliga ist, sagen wir es ehrlich, ein echter Langeweiler. Keiner der weiteren Bayern-Konkurrenten verfügte bisher über die Qualität und die Konstanz, um ihnen das Wasser zu reichen. Potenzial zur fußballerischen Revolution gleich Null. In diesem Jahr bekommt der vakante Platz des ersten Bayern-Verfolgers allerdings ein neues Gesicht. Der VfL Wolfsburg thront ähnlich unangefochten auf dem zweiten Tabellenplatz wie der Erste an der Spitze, weit zwar hinter den Bayern, aber auch schon neun Zähler vor dem fußballerisch betrachtet kleinen Bayern-Klon aus Mönchengladbach.

Das ist nicht wirklich eine Überraschung. Die Qualifikation zur Champions League ist angesichts dieser Ausgangslage und der Ambitionen im Vereinsumfeld eine Pflichtaufgabe, welche der Klub in diesem Sommer erfüllen wird. Und doch löst der Name VfL Wolfsburg bei den Fußballfans noch lange keine revolutionären Fantasien aus wie beispielsweise der BVB. Das liegt natürlich am Image des künstlich hochgezüchteten Werksklubs, das auch der Titelgewinn 2009 kaum verrückt hat. Das liegt natürlich an der übergroßen Unterstützung durch Volkswagen.

Dabei ist gerade Volkswagen das tragende Argument, weshalb die Wolfsburger die Rolle eines großen Bayern-Verfolgers auch nachhaltig für sich beanspruchen könnten. Die Strukturen von Europas größtem Automobilkonzern tragen nicht nur die Hauptlast des gesamten Fußballprojekts, sondern auch der Transfers von Kevin de Bruyne im vergangenen Sommer und André Schürrle im Winter. Der FC Chelsea soll für beide Spieler in Summe mehr als 50 Millionen Euro aus Wolfsburg eingestrichen haben. Bei solchen Summen horcht sogar der FC Bayern auf, die meisten anderen Konkurrenten in der Bundesliga bekommen Schnappatmung. Da kommt nicht Volkswagen in die Coface Arena, sondern ein stolzer Bolide aus der Formel 1.

Aber die durchaus kritisch zu hinterfragende Chancengleichheit im Wettbewerb der Bundesliga soll hier gar nicht Thema sein. Eher ein Lob an den VfL Wolfsburg. Ja, wirklich. Denn unter der sportlichen Führung von Klaus Allofs (Geschäftsführer Sport) und Trainer Dieter Hecking hat die Mannschaft in den vergangenen zwei Jahren sportlich auf hohem Niveau an Konstanz gewonnen und dabei ein Gesicht entwickelt, zu dem neben Stars wie de Bruyne und Schürrle auch Eigengewächse wie Verteidiger Robin Knoche oder Offensivmann Maximilian Arnold gehören.

Die Wolfsburger, die man am Donnerstagabend noch im Achtelfinale der Europa League im Duell bei Inter Mailand bewundern kann, sind ein absolutes Top-Team der Bundesliga. Ihrem Auftritt kann man auch einfach mal entgegenfiebern. So wie Martin Schmidt. Der Mainzer Trainer gerät bei den Namen der Wolfsburger Spieler ins Schwärmen. „Wir wissen doch alle hier in Mainz, was André Schürrle kann. Er ist und bleibt ein Weltklassespieler, auch wenn er, bedingt durch den Vereinswechsel, im Moment vielleicht ein paar normale Anpassungsprobleme hat.“ Und Kevin de Bruyne? „Ein außerordentlicher Spieler, ein sehr komplexer und intelligenter Spieler. Europäisches Top-Niveau. Er ist fast an jedem Treffer der Wolfsburger direkt oder indirekt beteiligt. Er sieht und bespielt Räume, die wir erst wahrnehmen, wenn er den Ball dorthin gespielt hat“, sagt Schmidt.

Doch zu viel Ehrfurcht will der Mainzer Trainer dann bei aller Lobhudelei nicht aufkommen lassen. „Auf so einen Spieler musst du dich einfach freuen, ihn in deinem Stadion spielen zu sehen. Aber als Mannschaft musst du dich auch darauf freuen, diesen Spieler vielleicht sogar gut zu verteidigen“, ergänzt er. Um den Respekt vor dem kommenden Gegner nicht zu groß werden zu lassen, wird Schmidt seinen Spielern dessen Potenzial in der Analyse nur in homöopathisch vertretbaren Dosen verabreichen und ansonsten seine Mannschaft auf die eigenen, wieder belebten Qualitäten einschwören. Sechs Punkte vor dem Relegationsrang haben die Nullfünfer aktuell sowieso rein gar nichts zu verschenken.

„Klar ist, wenn die Wolfsburger hier am Sonntag einen Rosentag erwischen, dann wird es schwer für uns“, sagt der Mainzer Trainer. Einen Rosentag? „Na eben einen guten, einen strahlenden Tag“, präzisiert Schmidt und schiebt gleich hinterher. „Aber vielleicht bekommen sie hier bei uns ja nur den dornigen Stiel der Rose zu packen.“ Vielen Dank für die Blumen, mag man da grinsend anfügen und insgeheim darauf hoffen, dass die Wolfsburger am Ende einer Kette englischer Fußball-Wochen am Sonntag vielleicht doch nicht die geballte Qualität auspacken können. Und was wäre ein kleiner Kratzer für den VfL Wolfsburg denn überhaupt für ein Makel bei diesen rosigen Perspektiven?