Verein 05.10.2021 - 15:00 Uhr
"Was kommt jetzt, was können wir noch erreichen"
Benjamin und Sebastian Frank sprechen im Interview über ihren Vater und 05-Trainer-Legende Wolfgang Frank, gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen & erklären die besondere Verbundenheit zum FSV
Der 07. September 2021 war ein besonders emotionaler Tag für Benjamin (40) und Sebastian Frank (43), die Söhne der Mainzer Trainer-Legende Wolfgang. Am achten Todestag ihres Vaters wurde das Areal rund um das Bruchwegstadion offiziell WOLFGANG FRANK CAMPUS getauft. Die Eröffnungsveranstaltung bezeichnen sie als emotionales Erlebnis, die Umbenennung als "ganz große Geste".
Im Interview mit dem "Nullfünfer" sprechen sie über ihren Vater als Mensch und Trainer, erinnern sich an gemeinsame Erlebnisse und die nach wie vor besondere Bedeutung von Mainz 05 in ihrem Leben. Denn auch als Scouts von Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt bleiben die 05ER eine Herzensangelegenheit.
Dieses Interview erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des "Nullfünfer", der 05-Beilage im Mainzer Wochenblatt.
Im Sommer jährte sich der spektakuläre Klassenerhalt eures Vaters mit dem FSV zum 25. Mal. Nach dem letzten Platz in der Hinrunde schlossen wir die Rückrunde auf Rang eins ab und feierten den Klassenerhalt dank eines berauschenden Endspurts. Welche Erinnerungen habt ihr an die damalige Zeit?
Benjamin: Vor allem das letzte Spiel gegen Bochum ist mir in Erinnerung geblieben. Das war ein absolutes Highlight-Spiel vor voller Hütte, was wir so gar nicht gewohnt waren in Mainz. Die Euphorie war riesig, auch an die Feier im Favorite-Hotel zum Beispiel mit Klaus Hafner, der da Vollgas gegeben hat, erinnere ich mich gut. Das war eine richtig gute Zeit.
Sebastian: Das letzte Spiel war das erste, bei dem ich überhaupt da war. Die Bochumer hatten schon die Haare gefärbt, weil es für sie direkt im Anschluss nach Mallorca ging. Da hat man das erste Mal die brutale Euphorie in Mainz erlebt, im Stadion, wo die Leute nach dem letzten Spiel durchgedreht sind. Ich weiß noch, dass unser Vater sehr geschafft war nach dem Spiel. Er hatte anschließend Migräne, weil er sich so reingesteigert hat. Es war großartig, danach auch alle kennenzulernen – dass man sowas geschafft hatte, war wie ein Startsignal für die folgende Entwicklung als Verein. Man hat gesehen, was möglich ist, wenn man zusammenhält und die Leute aus der Stadt mitnimmt. Es hieß immer, dass Mainz keine Fußballstadt ist, aber es hat sich dann absolut in diese Richtung entwickelt. Die Anzahl von Fans, die zu den Spielen mitgefahren sind, hat sich stetig gesteigert. Damals hatte niemand mehr auf Mainz als absoluten Underdog der Liga gesetzt. Eine ähnliche Ausgangsituation wie im Winter 2021: Die Rückrunde war auf anderem Niveau herausragend und vielleicht noch einen Tick schwieriger. Anders als heute, hätte der Abstieg damals aber vielleicht sogar dazu geführt, dass Mainz sich gar nicht mehr erholt hätte.
Auf der anschließenden Pressekonferenz sagte euer Vater, es sei "nichts Weltbewegendes" passiert. Wenn man komme, dann wolle man auch nicht absteigen. Das "Minimalziel" sei erreicht worden. Understatement pur, könnte man meinen. Hat ihn dieser Umgang mit Erfolgen auch ausgemacht?
Benjamin: Ich glaube einfach nicht, dass er sich selbst so wichtig genommen hat. Gerade zu dieser Zeit war er so fokussiert, die ganze Geschichte hat ihn sehr viel Kraft gekostet. Das war auch im Privatleben zu spüren. In dieser Rückrunde hatte er sich komplett dieser Mission verschrieben. Am Ende ist dann innerlich viel von ihm abgefallen. Er war aber nie derjenige, der das offen zur Schau gestellt hat, auf den Zaun gesprungen ist und mitgefeiert oder die Öffentlichkeit gesucht hat. Er brauchte immer seinen Moment, um runterzukommen. Das hat diese Aussage letztlich widergespiegelt, dass er gesagt hat: ‚Ok, ich habe mein Ding gemacht‘, auch, wenn er sich innerlich sicherlich riesig gefreut hat, dass es funktioniert hat. Es war auch eine Bestätigung für seine Arbeit und die mutigen Umstellungen, die er im Winter vorgenommen hatte. Ich glaube, innerlich hat er eine andere Form der Euphorie empfunden, als er nach außen gezeigt hat. Zudem war er sehr getrieben und hat auch in Momenten des Erfolgs schnell wieder nach vorne geblickt.
Sebastian: An Spieltagen konnte man ihn kaum ansprechen, die Anspannung war ihm anzusehen und greifbar. Zwischendurch hätten es die Leute bestimmt auch gerne gesehen, dass er nach außen vielleicht etwas mehr Emotionen zeigt. Er war vom Typ her aber schlicht und ergreifend kein extrovertierter Mensch, der sich gerne feiern lassen hat. Das war sein Charakter, der ihn ausgemacht hat. Er hat sich nicht verbiegen lassen und ist der Mensch und Trainer geblieben, der er immer war. Wenn er etwas erreicht hatte, hat er immer schnell wieder an andere Dinge gedacht: 'Was kommt jetzt, was können wir noch erreichen, wie geht es in die Saisonplanung?' So wirklich auskosten konnte er solche Erfolge nicht, auch, wenn es für ihn eine riesige Genugtuung war.
Euer Vater hat zweimal sehr erfolgreich in Mainz gearbeitet – es gab dennoch jeweils ein abruptes Ende. Hat er seine Beweggründe damals mit der Familie geteilt?
Benjamin: Er hat viele Dinge sehr persönlich genommen. Wenn verloren wurde, hatte er persönlich verloren. Ich kann mich an diese Zeit auch nur noch dunkel erinnern. Es gab große Diskussionen, aber schlussendlich hat er dann die Entscheidung getroffen. Wenn er nicht mehr zu hundert Prozent dahinterstehen konnte, hat er es durchgezogen. Darüber haben wir mit ihm eher im Nachhinein gesprochen und gemerkt, dass er eingesehen hat, dass er in dem Moment nicht die nötige Geduld hatte. Daraus hat er gelernt, aber in diesem Moment war er eben sehr geradeheraus und konsequent, weil es seine Überzeugung war. Ich glaube, er wäre besser beraten gewesen, damals die Füße still zu halten und es in Mainz durchzuziehen. Wie es sich dann entwickelt hätte, weiß man natürlich nicht, vielleicht hätte man es am Ende mit diesem verschworenen Haufen tatsächlich wuppen können, in die Bundesliga auszusteigen, wovon ja auch Kloppo bis heute überzeugt ist.
Sebastian: Ich glaube, die Familie konnte da nicht wirklich viel bewirken. Wenn er seine Entscheidung getroffen hatte, dann blieb es auch dabei.
Hat euer Vater sich wertgeschätzt gefühlt als Trainer?
Sebastian: Ich glaube, er hat da gar nicht so viel darüber nachgedacht, wieviel Lob oder Zustimmung er bekommt. Das Entscheidende für ihn war immer, dass die Ziele im Verein erreicht wurden – dann war er 'zufrieden'. Er war auch nicht der Typ, der grundsätzlich gerne Lob über sich gehört hat, keiner der vorgeprescht ist. Aufmerksamkeit - beispielsweise, wenn Leute ihn in der Öffentlichkeit erkannt haben -war ihm eher unangenehm. Daddy ging in der Arbeit auf – wenn da alles passte, war er zufrieden.
Benjamin: Ich glaube aber auch, dass es abhängig von den Stationen war. Oft sieht man, wie in Mainz und auch häufig im Leben, im Nachgang, dass es eine Wertschätzung gibt, dass er ein positives Bild hinterlassen hat. Da bekommt er die Wertschätzung, die er auch verdient. Was ihn vor allem getroffen hat, war, wenn Fans ihn persönlich angegriffen oder beleidigt haben.
Ihr arbeitet heute in den Scoutingabteilungen der Konkurrenz von Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt: Wie eng ist die Verbindung zu Mainz 05 noch und wie intensiv habt ihr die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt?
Sebastian: Ich treffe mich oder schreibe regelmäßig mit Walter Notter, Stephan Kunert, Christian Heidel oder Martin Schmidt. Es macht immer Spaß, die bekannten Gesichter zu treffen. Ich wohne hier und habe den Kontakt auch immer wieder gesucht. Früher habe ich bei den Mainzer Amateuren gespielt, wenn auch mehr schlecht als recht (lacht) – das prägt einen, man ist in der Stadt zuhause, fiebert mit und ist komplett verbunden mit dem Klub. Das geht weit über Sympathie hinaus.
Benjamin: Es ist eine Herzensangelegenheit, weil man die Entwicklung des Klubs von Anfang an miterlebt hat. Auch die Stadionbesuche am Bruchweg haben immer einen speziellen Touch, weil das die Heimat von Mainz 05 ist und unser Vater dort lange gearbeitet hat. Das hat immer etwas Vertrautes. Wenn man zusätzlich die alten Bilder im Kopf hat und dann das Neue sieht, hat man dennoch diesen intensiven Bezug zur Vergangenheit.
Welche Werte hat euch euer Vater vermittelt?
Sebastian: Er war mit uns, gerade als junge Spieler, immer sehr kritisch. Wenn wir nachgelassen haben, hat er uns gepusht und auf unsere Ziele eingeschworen. Er hat das auch in allen Bereichen vorgelebt und war ein empathischer Mensch, zu dem man mit allem kommen konnte. Ihn konnte man immer anrufen, und er wusste gefühlt auch immer Rat. Es gab in vielen Bereichen einen bereichernden Austausch – man hat sich bei ihm teilweise wie ein Spieler gefühlt, mit Rundum-Betreuung. Dass wir jetzt im Fußball-Bereich arbeiten dürfen, haben wir unseren Eltern zu verdanken. Wir sind brutal dankbar, dass wir Daddy hatten. Für mich war er immer schon ein großes Vorbild.
Benjamin: Akribie, Leidenschaft und ein gewisses Feuer für das, was man macht - das hat er zuhause vorgelebt. Er hat uns immer vermittelt, dass wir hart dafür arbeiten müssen, wenn wir etwas wirklich erreichen wollen, dass nichts zufällig passiert, man mehr machen muss als andere und auch nach Rückschlägen immer wieder aufstehen muss. Auch, wenn er natürlich nicht so häufig zuhause war, hat er immer versucht, ein offenes Ohr für uns zu haben. Man konnte ihn nachts um zwei anrufen oder er hat Motivationsschreiben mit dem Faxgerät geschickt. Zwischenmenschlich, aber auch fachlich haben wir sehr viel von ihm mitgenommen, von dem wir bis heute profitieren.
Das Areal am Bruchweg heißt seit einigen Wochen WOLFANG FRANK CAMPUS: Auch ihr wart bei der Eröffnungsfeier zu Gast. Was bedeutet euch diese Anerkennung?
Sebastian: Als ich das erste Mal davon gehört hatte, war ich gleich Feuer und Flamme – sowas über seinen eigenen Vater zu hören, macht einen unglaublich stolz und auch sehr emotional. Die Eröffnung hat alles getoppt, auch wenn es für mich an der ein oder anderen Stelle sehr schwer war, die Tränen zurückzuhalten. Gerade, wenn man das Video sieht und seine Stimme hört. Im Zusammensein mit dem alten Präsidium und den vielen Wegbegleitern, war das eine ganz große Geste. Man sieht, dass viele Menschen etwas mit ihm verbindet. Es war ein wunderbarer Abend.
Benjamin: Es war nicht irgendein Tag, sondern sein Todestag, der für mich ohnehin immer sehr speziell ist. Dass an diesem Tag so etwas verkündet wird, war emotional eine große Geschichte. Da kamen viele Erinnerungen hoch, mit denen man etwas verbindet. Es war einfach eine Riesengeste, die nicht selbstverständlich ist: Er war zwar keine 20 Jahre in Mainz, man sieht aber, wie man in der kurzen Zeit trotzdem etwas hinterlassen kann. Es waren intensive Jahre, in denen etwas bewegt wurde und sich entwickelt hat. Dass das so honoriert wird, ist großartig und etwas, das bleibt. Auch für mich war der Film emotional sehr berührend, seine Stimme wieder zu hören und die Bilder zu sehen.
Euer Vater gilt als Visionär der 90er Jahre: Inwieweit hat er euch an seinem Verständnis des Trainerdaseins teilhaben lassen?
Sebastian: Man hat das komplette Programm mitbekommen, er hat sich unheimlich detailliert auf wirklich jede Trainingseinheit vorbereitet, hatte zuhause unzählige Ordner, in denen er alles gesammelt hat. Von Aufstellungen, über Gegnerbeobachtungen bis hin zu esoterischen Geschichten oder Sprüchen – da war er in allen Bereichen sehr neugierig, hat einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Er hat tatsächlich auch versucht, uns so zu formen, wie er es bei seinen Spielern getan hat. Fußball war das ultimative Thema bei ihm – und wir waren mittendrin. Es ist bis heute unsere Leidenschaft geblieben.
Benjamin: Auch im Urlaub hat er alles akribisch vorbereitet und abgeheftet. Wir haben heute noch Trainingspläne von Mainz 05 aus der Saison 96/97 zuhause. Darüber hinaus hat er uns taktisch viel mit auf den Weg gegeben. Er hat immer geguckt, wo man sich noch verbessern kann, ob im taktischen oder im zwischenmenschlichen Bereich in der Mannschaftsführung.
Gibt es prägende Erinnerungen oder Erlebnisse, die ihr mit eurem Vater, vielleicht auch abgesehen vom Fußball, verbindet?
Sebastian: Der Fußball-Bezug war schon extrem, die einschneidenden Momente drehten sich zu 99 Prozent um den Sport. Es war eher selten, dass man ganz klassisch als Vater und Sohn angeln gegangen ist - die ganze Familie hat sich komplett nach dem Fußball ausgerichtet. Dieses typische Familienleben hatten wir nicht. Was kein Problem war, weil alle die Leidenschaft geteilt haben.
Benjamin: Viel Platz für andere Sachen blieb ganz einfach nicht. Neben der Schule gab es den Fußball. Wenn wir dann am Wochenende ein Spiel hatten, hatte er den Anspruch, auch seine Söhne wie Profis darauf vorbereiten. Das hat er uns mit auf den Weg gegeben. Wir sind eine fußballbekloppte Familie. Die Momente abseits vom Fußballgeschehen gab es mit Sicherheit auch, aber sie waren, wie Sebastian sagte, eher selten.
Wie hat er seine Zeit am Bruchweg mit etwas Abstand rekapituliert?
Sebastian: Mainz war für ihn trotz der vielen weiteren Stationen immer etwas Besonderes, weil die Zeit sehr prägend für ihn war. Er stand regelmäßig mit den Verantwortlichen im Kontakt und hat immer wieder die Nähe gesucht. Die Zeit am Bruchweg hatte ihn berührt. Der Erfolg hat so unglaublich zusammengeschweißt, und er hat sich schlussendlich auch in der Stadt unglaublich wohl gefühlt. Er hat immer in den höchsten Tönen von Mainz gesprochen, das war für ihn eine zweite Heimat. Nochmal etwas im Nachwuchsbereich zu machen und dort Impulse zu setzen, wäre für ihn vielleicht nochmal die perfekte Aufgabe gewesen.
Benjamin: Ich glaube, dass er sich schlussendlich, zumindest indirekt, bestätigt gesehen hat in seiner Einschätzung. Dass er damals nicht so falsch lag, größer zu denken – auch als Mainz 05. Die Verbundenheit war immer da und ich glaube, dass der Klub für ihn immer eine Herzensangelegenheit geblieben ist, weil es die erste große Duftmarke war, die er in Deutschland hinterlassen hat. Das war sehr prägend.
Ihr wart Spielerberater, seid jetzt Scouts – Trainer wolltet ihr nie werden?
Sebastian: Ich habe schon etwas damit geliebäugelt, das Problem war, dass zu der Zeit, in der man sich dafür hätte entscheiden müssen, die Fußstapfen des Vaters gefühlt zu groß waren. Im Nachhinein habe ich es ein bisschen bereut, nicht zumindest mal die Trainerscheine gemacht und mir angeschaut zu haben, ob es mir liegt. Ich hätte es schon spannend gefunden, aber der Zug war irgendwann abgefahren.
Benjamin: Die Trainerscheine nicht gemacht zu haben, um nochmal einen tieferen Einblick zu bekommen, bereue ich im Nachhinein zwar auch etwas, für mich wäre der Trainerjob an sich aber definitiv nichts gewesen. Auch, weil wir hautnah erlebt haben, was dieser Job mit sich bringt in all seinen Facetten.
Ihr habt reichlich Erfahrungen sammeln können, in Leicester oder Liverpool, seid jetzt beide in der Bundesliga tätig. Welche Erfahrungen habt ihr im Fußball-Business gemacht, gerade im Ausland?
Sebastian: Liverpool war die ultimative Erfahrung, wenn man sieht, wie die Leute den Verein leben. Da gibt es in der Stadt gefühlt keinen, der nichts für Everton oder Liverpool übrighat. Diese andere Fußballkultur mal mitzubekommen, war überragend. Wir waren schon verwöhnt mit den Klubs, bei denen wir bislang arbeiten durften, auch die Zeit in Leicester mit der englischen Meisterschaft – mit Shinji Okazaki und Christian Fuchs waren sogar zwei ehemalige 05ER dabei - oder bis Sommer in Dortmund und jetzt in Frankfurt. Das sind alles wertvolle Erfahrungen, die ich sammeln durfte. Ich kann aber auch verstehen, dass Leute das Fußballgeschäft zunehmend kritisch sehen, weil vielleicht das familiäre Gefühl hier und da ein bisschen verloren gegangen ist. Auf der anderen Seite hat das große Interesse dazu geführt, dass jetzt so viel Geld im Spiel ist. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
Benjamin: Als wir unsere Spielerberatungsagentur aufgegeben hatten, konnten wir in Leicester erstmals Einblicke ins Scouting sammeln. Gerade zu Beginn war es sehr interessant, das Ganze mal aus einer anderen Perspektive zu erleben. Das war eine Rückkehr zu den Wurzeln, wieder näher am Verein und in den Stadien zu sein. Dann kam die Möglichkeit, das Ganze beim BVB zu machen, und besser hätte ich es mir nicht ausmalen können. Ich empfinde das als großes Privileg und habe großen Spaß an meiner Arbeit.
Noch einmal zurück zu Mainz 05 und eurem Vater: Er hatte schon in den 90er Jahren die Vision einer besseren Infrastruktur und betonte früh die Notwendigkeit eines neuen Stadions, wo er Mainz 05 später auch noch mehrfach hat spielen sehen dürfen. Nicht Wenige behaupten, dass der Verein ohne seine Impulse und Denkweise nicht dort stehen würde, wo er heute steht. Erleben wir heute den Klub, der den Idealen eures Vaters entsprechen würde?
Sebastian: Ich glaube schon, viel besser geht es ja nicht. Wenn man die Entwicklung betrachtet, samt Rückschlägen, war es immer die große Kunst von Mainz 05, mit genau diesen Nackenschlägen umzugehen, nie aufzugeben und wieder aufzustehen. Und doch ist der Verein heute schon ein etablierter und gefühlt ewiger Bundesligist, der da auch hingehört. Sicherlich hätte das seinen Vorstellungen entsprochen. Nicht weniger wichtig wäre ihm aber die erfolgreiche, nachhaltige Arbeit im Jugendbereich, Nachhaltigkeit im Allgemeinen, eine gewisse Konstanz bei den handelnden Personen – das war immer seine Idealvorstellung. Dass man in einem familiären Klub einen engen Draht zueinander hat. Das zeichnet Mainz 05 für mich als Außenstehenden bis heute aus. Ich glaube, wenn er das sehen könnte – und er hat es ja auch noch gesehen – ist es das, was er sich damals ausgemalt hat. Es ging in seinem Arbeiten und Handeln immer um Visionen.
Benajmin: Mainz galt zur damaligen Zeit nicht unbedingt als Fußballhochburg. Da war es ihm immer wichtig, groß zu denken, ambitionierte Ziele zu haben, auf die man hinarbeiten kann. Er hat die Aufstiege und Rückschläge immer verfolgt und ich glaube, dass er in einer gewissen Art stolz darauf war, was entstanden ist. Mittlerweile wird Bundesliga-Fußball in Mainz fast schon als selbstverständlich wahrgenommen, was es aber nicht ist. Die letzte Saison hat gezeigt, wie knapp es am Ende war. Gleichzeitig aber auch, dass nichts unmöglich ist. Bo Svensson hat einen fantastischen Job gemacht in einer fast aussichtslosen Situation. Eine schöne Parallele zu damals.