Profis 28.09.2022 - 18:30 Uhr
Weißhaupt: Klassenerhalt mit Mainz, Freiburg im Herzen
Unter Trainer Frank schoss Weißhaupt den FSV 1996 zum Verbleib in Liga zwei, später erlebte er die "beste Zeit seiner Karriere" beim SCF
Vor dem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 am Samstag (15.30 Uhr, live auf Sky und 05ER.fm) beim SC Freiburg den passenden Gesprächspartner zu finden, fällt nicht schwer. Marco Weißhaupt drängt sich förmlich auf: Der einstige offensive Mittelfeldspieler schoss als 05-Profi eines der wichtigsten Tore der Mainzer Zweitliga-Geschichte, stieg später mit dem SC Freiburg in die Bundesliga auf und war dort Stammspieler. Aktuell gehört sein Sohn Noah Weißhaupt zum Kader des Tabellendritten der Fußball-Bundesliga.
"Ich beschäftige mich auch heute mit allem, was mit Fußball zu tun hat", sagt der 50-Jährige Ex-05ER, der heute wieder in seiner thüringischen Heimat lebt. Er habe sich jedoch "aus der aktiven Vereinsarbeit zurückgezogen", trainiere privat Kinder, helfe seiner Freundin in der Gastronomie und gehe oft und gerne ins Stadion. Zuletzt beim 3:2-Sieg der Freiburger in Leverkusen.
Bundesliga mit Mainz 05 und dem SC Freiburg
Weißhaupt wechselte Anfang 1996 vom Hamburger SV an den Bruchweg, absolvierte in der Rückrunde der sensationellen Nichtabstiegs-Saison unter Trainer Wolfgang Frank insgesamt 13 Spiele für den FSV und erzielte im letzten Saisonspiel den Treffer zum legendären 1:0-Sieg gegen den VfL Bochum, der den Mainzern den Klassenverbleib in Liga zwei sicherte. Ein Kraftakt, der in Mainz lange Zeit als die Mutter aller Abstiegskämpfe galt.
Nach dem Klassenverbleib zog es Weißhaupt zu Rot-Weiß Erfurt in die Regionalliga, ehe sich eine neue Chance im Profibereich auftat: Beim SC Freiburg, wo der gebürtige Erfurter in die Bundesliga aufstieg, 79 Bundesliga- und 33 Zweitligaspiele bestritt und 25 Tore erzielte. Später spielte Weißhaupt noch bei Hansa Rostock Bundesliga, wodurch er in seiner Karriere insgesamt zu 176 Begegnungen in den beiden höchsten deutschen Spielklassen kam.
Gespräche mit Heidel und Strutz überzeugten Weißhaupt
Als der flinke Offensivmann zum Jahreswechsel 1995/96 nach Mainz kam, stand der FSV mit zwölf Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. Die Mannschaft schien so gut wie abgestiegen. Rein rechnerisch nicht, aber es sah alles danach aus. Trainer Frank krempelte sein Team in der langen Winterpause taktisch komplett um, führte als einer der ersten Trainer in Deutschland die Viererkette und das raumorientierte Verteidigen ein.
"Für mich ging es darum, wieder Fußball zu spielen", erinnert sich Weißhaupt. "Ich hatte mehrere Angebote, aber die Gespräche mit Christian Heidel und Harald Strutz waren es, die mich bewogen haben, nach Mainz zu gehen. In meinem jungen Alter war es schwierig, in die Bundesliga hineinzukommen. Wenn man Legenden wie Yordan Letschkov, Harald Spörl, Jörg Albertz oder Hasan Salihamidczic vor sich hat, ist es für einen jungen Spieler, der aus der dritten Liga im Nordosten kommt, schwer Fuß zu fassen und sich durchzusetzen. Die Gespräche in Mainz haben mir das Gefühl gegeben, mithelfen zu können, das Unmögliche vielleicht doch möglich zu machen", begründet Weißhaupt seinen Wechsel nach Rheinhessen.
Team-Spirit als Basis für den sensationellen Klassenerhalt
Zu seinem Trainer hatte der Neuzugang, wie er sagt, ein enges Verhältnis. "Er hat mich montags immer zum Essen beim Italiener eingeladen, dort sind wir viele Sachen durchgegangen. Er hat mir einiges erzählt, auch vom Leben im Allgemeinen. Ich habe auch immer noch im Kopf, dass wir unglaublich viele Videoanalysen gemacht, permanent Videos geschaut haben. Frank hat versucht, uns die ganze Taktik und Systematik seiner Spielidee in den Köpfen zu implantieren, damit wir das auf dem Platz umsetzen", erinnert sich der ehemalige Mittelfeldspieler.
Er könne sich nach der langen Zeit nicht mehr an alles genau erinnern, "aber noch gut daran, dass wir sehr lange im Trainingslager in Zypern waren, weil in Deutschland ein eisiger Winter herrschte und die Plätze in Mainz nicht bespielbar waren. Wir waren gefühlte drei Monate dort, aber auch das war ein weiterer Mosaikstein dafür, was wir hinterher erreicht haben. Wir sind als Mannschaft zusammengewachsen, hatten viel gemeinsam erlebt, bevor das erste Spiel überhaupt angepfiffen wurde", so Weißhaupt.
Entscheidender Treffer gegen den VfL Bochum
Mainz 05 war die klar beste Rückrundenmannschaft. "Durch die vielen Siege stieg die Euphorie in der Stadt, bei den Fans, auch bei Auswärtsspielen. Wir waren eine Einheit, wie eine Walze, die man nicht mehr aufhalten kann." Am 9. Juni 1996 gab es das große Finale vor 12.000 Zuschauern am ausverkauften Bruchweg gegen den VfL Bochum. Weißhaupt erzielte nach sieben Minuten das entscheidende Tor. "Ich glaube, ich kriege einen Pass im Mittelfeld, kann durch zwei Spieler durchgehen, schieße einmal, der Torhüter hält, und dann schiebe ich den Ball mit der Innenseite halbhoch ein", erinnert sich der Torschütze. Es war die Rettung.
Seine beste Zeit sei aber jene in Freiburg gewesen, da habe alles gepasst. Schon in seiner Mainzer Zeit hatte man Weißhaupts Potenzial erkennen können. Der leichtfüßige Offensivspieler war im damaligen 05-Kader einer der technisch versiertesten Spieler, agierte im 4-4-2 meist links vorne, verfügte über ein gutes Dribbling und war schnell. "Ich bin nullkommanull unzufrieden mit meiner Karriere", erklärt er und ergänzt: "Ich kam aus der DDR und habe es geschafft, in die Bundesliga zu kommen, wovon Millionen Kinder träumen. Es war harte Arbeit, darauf bin ich stolz. Ich habe das erlebt, was viele möchten. Deshalb gucke ich immer gerne zurück", bilanziert der Thüringer.
FSV und SC als Aushängeschilder
Mittlerweile hat Weißhaupt zwei Söhne. "Der Älteste hat sich eher schulisch entwickelt, Noah ist am Ball geblieben", habe immer Fußball spielen wollen, das sei seine Leidenschaft. Mit dem ersten Jahrgang, den es beim SC Freiburg gab, ist er zum SC gewechselt und dort kontinuierlich seinen Weg gegangen. "Wenn ich gerade die letzten drei Jahre sehe, wie er sich nochmal entwickelt hat, auch von seiner Persönlichkeit, dann bin ich stolz als Vater. Für Noah war der SC Freiburg der perfekte Verein", ist Weißhaupt glücklich über die Entwicklung seines Sohnes, der mittlerweile im Bundesliga-Kader des Sport-Clubs zu finden ist.
Weißhaupt findet, Vereine wie Mainz und Freiburg oder Union Berlin seien Aushängeschilder, weil dort mit kontinuierlicher Arbeit und Demut gearbeitet, etwas geschaffen wird. "Man sieht, was dabei über Jahre hinweg herauskommt. Ich habe Mainz und Freiburg kennengelernt, das sind absolute Familien-Vereine. Und sie haben eine Philosophie. Man sieht es in Freiburg, Trainer Christian Streich ist ein Freiburger und bindet eigene Freiburger Talente ein. Seit Heidel und Martin Schmidt in Mainz wieder da sind, ist Ruhe im Verein. Bo Svensson ist, wie Streich, ein Glücksfall", so der ehemalige Spieler beider Klubs.
In das Duell seiner beiden Ex-Klubs gehen die Freiburger als Favorit, "doch Mainz ist auswärts unbequem und gegen Freiburg sowieso. Das weiß ich noch aus meiner Zeit und das ist auch heute noch so", so Weißhaupt. Dass er den Gastgebern die Daumen drückt, ist klar. Sohn Noah dürfte wieder zum Spieltags-Kader gehören und auf seinen Einsatz hoffen. "Wenn es dann unentschieden ausgeht, ärgere ich mich aber auch nicht", ergänzt der Ex-05ER diplomatisch.