Profis 16.04.2013 - 17:50 Uhr
Zu früh für Abgesänge
Es geht noch was in dieser Spielzeit, findet Thomas Tuchel - trotz schlechter Punkteausbeute
Aus dem heiß diskutierten Rennen um die Startplätze für internationale Wettbewerbe hat sich Mainz 05 erst einmal selbst herauskatapultiert. Mit der Heimniederlage gegen den Hamburger SV ist der Abstand zu jenen interessanten Rängen zwar noch nicht uneinholbar gewachsen, der kraftlose Auftritt hatte jedoch eine Signalwirkung. Und er ließ zunächst auch Trainer Thomas Tuchel etwas ratlos zurück. „Dieses Spiel war weit unter unseren Möglichkeiten und weit unter dem, was wir von uns erwartet haben. Das war einfach zu wenig, technisch, taktisch, spielerisch, athletisch und mental.“ Die Überraschung war für den Trainer groß, weil die Mannschaft durch starke Leitungen in der Trainingswoche und in Gesprächen eigentlich einen starken Eindruck hinterlassen hatte.
Nun sah sich der 05-Coach aber in einen diffusen unguten Bauchgefühl bestätigt, das ihn nach den Erlebnissen der vergangenen Wochen beschlichen hatte. „Wir hatten ja schon öfter Gegner, die hier mit dem erklärten Ziel hergereist sind, in der Coface Arena etwas reißen zu wollen. Zum Beispiel Schalke 04 oder Werder Bremen, die hier trotz unseres Chancenplus‘ noch jeweils einen Punkt entführt haben. Aber gewonnen haben wir keines der Spiele.“ Diese Erlebnisse hätten sich über Wochen wiederholt. Die Mannschaft sei immer wieder in der Lage gewesen ansprechende Leistungen abzurufen – ohne aber den Ertrag in Form von Punkten einzufahren. Hinzu kam erhebliches Verletzungspech, das einige Spieler immer wieder zurückgeworfen und andere dauerhaft in die Pflicht genommen habe. Eine Entwicklung, die auch zermürben kann. „Woran soll man sich den hochziehen, wenn man für konsequente Leistung konsequent nicht belohnt wird? Trotzdem hat sich die Mannschaft immer wieder hingestellt und alles abgerufen was geht. Das kostet aber einfach Körner.“, fragt der Trainer. Vor eine Woche, nach der Niederlage beim 1. FC Nürnberg, wählte Tuchel das Bild, seine Mannschaft stecke im Entwicklungsschritt zu mehr Effizienz in der Offensive in einem Stau. Nach dem HSV-Spiel könnte man ergänzen, der Nullfünfer müssten auch mal gerade eben die Ausfahrt zur Raststätte mit Tankstelle nehmen.
Aber: Irgendwann läuft der Verkehr ja auch wieder flüssiger. Und der eben benannten Entwicklung will sich Thomas Tuchel längst nicht ergeben, geschweige denn in einen Abgesang auf die Saison einstimmen, für ein Saisonfazit sei es viel zu früh. „Wir könnten jetzt jammern, dass wir für unsere Arbeit nicht bekommen, nichts klappt, uns alles so schwer fällt und wir kein Glück haben. Auch wenn das bequem wäre, so denken wir nicht. Und so ticke ich nicht. Da geht noch was diese Saison. Fünf Spiele haben wir noch, da ist noch was zu holen für uns. Wir lassen jetzt hier nicht die Saison locker auslaufen und freuen uns, dass wir den Klassenerhalt geschafft haben. Im vergangenen Jahr waren wir mit den letzten drei Saisonspielen alle sehr unzufrieden. Ein solches Saisonende hat sich die Mannschaft auch nicht verdient.“
Zudem laufe die Weiterentwicklung seiner Mannschaft immer weiter, auch wenn diese am kommenden Samstag vor einer wirklich großen Prüfung steht – im Signal Iduna Park wartet am Samstag der amtierende Deutsche Meister Borussia Dortmund. Und der strotzt nach dem emotionalen Last-Minute-Halbfinaleinzug in der Champions League gegen Malaga sowie dem 6:1-Schützenfest in Fürth nur so vor Selbstbewusstsein. „Ich hätte natürlich lieber zwischen den Halbfinals gespielt als jetzt. Vorher ist sicher die schlimmere Lösung“, lacht Tuchel. „Ich rechne also mit einer Generalprobe für das Spiel gegen Real Madrid, mit dem Besten vom Feste.“ Helfen könnten seinem Team da Zutrauen in die eigene Leistung und Gelassenheit, auch wenn das Guthaben auf dem Mannschaftskonto in diesen Rubriken nach den vergangenen Ergebnisse nicht gewachsen sein dürfte. „Sicherlich ist es schwierig in der aktuellen Situation und vor dem Aufeinandertreffen mit einem Gegner, der gerad auf allen Ebenen performt, Gelassenheit und Selbstvertrauen zu beschwören. Aber es ist machbar. Und darauf bauen wir ein Stück.“ Und wer weiß, vielleicht hat dann ja auch Fortuna in den letzten Zügen der Saison mal ein Herz und die Nullfünfer bekommen das Stauende in Sichtweite.