Profis 14.05.2015 - 12:49 Uhr
Abschied für den Eisenmann
Eine Legende geht: letztes Heimspiel für Nikolce Noveski
Das Heimspiel gegen den 1. FC Köln wird Nikolce Noveskis letzter Auftritt im Auftrag des 1. FSV Mainz 05 vor den eigenen Fans. Mit 36 Jahren ist für den Kapitän nach dieser Saison Schluss in Mainz. Nach bisher 253 Partien in der Bundesliga und 60 in der Zweiten Liga für den FSV, 23 Einsätzen im DFB-Pokal, zehn Europapokalspielen und 64 Länderspielen für die mazedonische Nationalelf. Nikolce Noveski tritt als Mainzer Rekordspieler in der Bundesliga ab, er bleibt für immer ein zentraler Bestandteil für den phänomenalen Erfolgsweg der Nullfünfer nach der Jahrtausendwende.
Viele Fans waren bereits Zeuge, als der damalige Trainer Jürgen Klopp während der Aufstiegsparty der Nullfünfer im Mai 2004 vor dem Staatstheater die potenzielle Neuverpflichtung Nikolce Noveski spontan auf dem Handy anrief, um ihn an der ausgelassenen Feier teilhaben zu lassen. Der 25-jährige Innenverteidiger war damals im besten Fußballeralter und noch in Diensten des Zweitligisten FC Erzgebirge Aue. Nach seinem Wechsel reihte sich Noveski zunächst hinter Manuel Friedrich und Tamas Bodog als dritter Innenverteidiger auf der Reservebank ein.
Ein Trainingsunfall, bei dem ausgerechnet Positions-Konkurrent Bodog unglücklich mit ihm zusammenprallte und verletzt ausschied, ebnete Noveski den Weg in die Mannschaft. Am folgenden Tag, es war der 16. Oktober 2004, gab der Mazedonier sein Bundesliga-Debüt für die Mainzer am Bruchweg gegen den SV Werder Bremen. Der Beginn einer denkwürdigen Karriere bei Mainz 05. Ein denkwürdiges Spiel dazu. Die Nullfünfer drehten die Partie in den Schlussminuten zu einem 2:1-Heimerfolg. Noveski hatte seine Feuertaufe in den Duellen gegen die international renommierten Angreifer Miroslav Klose und Angelos Charisteas mit Bravour bestanden.
Die Mainzer Fans schlossen Nikolce Noveski schnell ins Herz. Einerseits, weil er auch nach dem Abstieg aus der Bundesliga den Verlockungen anderer Klubs widerstand und sich zu einem der vereinstreuesten Spieler überhaupt entwickelte. Aber auch, weil Nikolce Noveski ein Musterprofi war, sein Kennzeichen: immer maximaler Einsatz, fleißig, zielgerichtet, dazu ein athletisch ausdefinierter Körper. Ein Innenverteidiger wie aus dem Lehrbuch, ein Eisenmann, unerbittlich in den Zweikämpfen, aber nie unfair oder überhart.
Am mazedonischen Muskelpaket prallte im vergangenen Jahrzehnt so mancher hoch dekorierte Angreifer ab. Noveskis Kapital, sein Körper, leistete ihm treue Dienste und nahm kaum Verletzungspausen. Und wenn schon, dann waren es Schrammen. In der Aufstiegssaison 2008/09 erlitt der Mazedonier eine ganze Serie von Platzwunden am Kopf, die am Spielfeldrand versorgt werden mussten. Tackern, verbinden, Brust raus und ab zurück aufs Feld. Ein Bild, das von Nikolce Noveski in Erinnerung bleibt.
Dabei war er stets mehr als der beinharte Zerstörer. Noveski lebte für den Fußball, blieb immer wissbegierig und entwickelte sich und seine Spielweise immer weiter. Unter Thomas Tuchel blühte er ein weiteres Mal förmlich auf und erschloss sich neue Potenziale in der Spieleröffnung. Eine bemerkenswerte Entwicklung für einen Profi jenseits der 30 Jahre. Noveski passte sich damit den modernen Anforderungen an das Spiel der Innenverteidiger an.
Die öffentliche Wahrnehmung war stets geprägt von Noveskis hoch professionellen Darbietungen. Ein gegnerischer Angriff wurde gefühlt eben immer erst dann gefährlich, sobald Noveski überspielt war. Patzte er allerdings einmal, dann stockte allen Mainzer Fans der Atem. Diese Momente der Schwäche waren selten, manche davon bleiben vielleicht gerade deshalb in Erinnerung. So wie jene zwei Eigentore in der Partie gegen Eintracht Frankfurt am 19. November 2005 innerhalb von nur drei Minuten gleich zu Spielbeginn. Den Makel machte er durch seinen eigenen Anschlusstreffer zum 1:2 beinahe selbst wieder wett, am Ende holten die Nullfünfer noch ein 2:2.
Eigentlich eine grandiose Geschichte, auf die sich die Medien prompt stürzten. Da aber machte Nikolce Noveski nicht mit. Öffentliche Aufritte oder das Rampenlicht, das war nie seine Welt. Introvertiert, oft nachdenklich, so erlebten ihn die Mitspieler in den vergangenen Jahren am Bruchweg. Und trotzdem war er seit 2007 immer der logische Kapitän dieser Mannschaft. Kein Lautsprecher, eher ein ausgleichender Ruhepol. Aber ein unumstrittener Leistungsträger, die ordnende Hand auf dem Feld, eine Orientierung für alle Mitspieler. An seiner Seite reiften auch Talente wie Neven Subotic oder Niko Bungert zu gestandenen Bundesligaspielern.
Jetzt, im Spätherbst seiner Karriere, ist es ruhig geworden um Nikolce Noveski. Noch ruhiger als ohnehin schon, möchte man beinahe anmerken. Sportlich hat die nächste Generation der vereinstreuen Innenverteidiger aus Niko Bungert und Stefan Bell das Kommando übernommen. Noveski kommt in dieser Saison auf sieben Einsätze. Seinen besten hatte er am vergangenen Wochenende in Stuttgart als einer der stärkeren Mainzer Feldspieler. Aber auf Strecke kommt er nicht mehr an die Konkurrenten heran, da ist der Profizirkus Bundesliga gnadenlos und macht vor keinem 36-jährigen Mainzer Denkmal halt.
Der Abschied vom FSV in diesem Sommer war daher absehbar, aber jetzt, da dieser Moment naht, greift plötzlich doch Wehmut um sich. 11 Jahre Mainz 05 stecken voller gemeinsamer Erinnerungen: zwei Aufstiege, drei Ausflüge in die Europa League, der Umzug in die Coface Arena. Aber da ist vor allem auch Stolz im Rückblick auf die gemeinsame Zeit, in der kein anderer Spieler den sportlichen Weg der Nullfünfer so geprägt hat wie Nikolce Noveski. Danke, lieber Nikolce. Mach’s gut, Eisenmann!