Profis 15.07.2022 - 12:40 Uhr
Barreiro: "Mentaltraining tut mir enorm gut"
Das Mainzer Eigengewächs arbeitet seit er 17 ist mit Sportpsychologen zusammen / "Wenn der Kopf nicht bei der Sache ist, kann man so gut sein wie man möchte"
Reflektiert, fokussiert und immer mit 100 Prozent bei der Sache: Leandro Barreiro wirkt mit 22 Jahren bereits sehr gefestigt. Das Eigengewächs der 05ER hat in seiner noch immer jungen Karriere als Fußballer bereits einige Erfahrungen gesammelt, sei es beim FSV in der Bundesliga oder im Kreise der luxemburgischen Nationalmannschaft. Geholfen haben ihm dabei nicht nur seine sportlichen Qualitäten, sondern auch seine Fortschritte im mentalen Bereich. Seit er 17 ist, arbeitet Barreiro mit Sportpsychologen an der Persönlichkeitsentwicklung. "Mentaltraining tut mir enorm gut und ist einfach wichtig, damit ich mich jeden Tag besser kennenlerne und verstehe, warum ich mich in bestimmten Situationen so oder so fühle. Oder auch, um etwas zu verändern, damit ich mit manchen Dingen besser umgehen kann. Das ist ein Prozess, der nie aufhört."
Blauer Himmel, das Bergpanorama im Hintergrund und himmlische Ruhe. Die Rahmenbedingungen für ein Interview könnten schlechter sein, als auf der Terrasse des Teamhotels der 05ER in Grassau, ganz in der Nähe des Chiemsees. Seit Mittwoch weilt der Mittelfeldspieler mit den Rheinhessen im Sommertrainingslager, nachdem er zu Wochenbeginn zusammen mit den anderen Nationalspielern in die Vorbereitung eingestiegen ist. Trotz der vier Partien, die er mit der luxemburgischen Nationalmannschaft in der Nations League im Juni absolviert hat, fühlt sich der 22-Jährige "komplett fit. Das hat alles super gepasst, auch nach den Spielen mit der Nationalmannschaft hatte ich eine super Zeit, in der ich abschalten konnte vom Fußball."
Erstmals durfte Barreiro die Luxemburger Auswahl beim 2:2 gegen die Färöer als Kapitän auf das Feld führen. Ein besonderer, stolzer Moment sei das gewesen, auch für seine Familie. "Das zeigt auch, dass sich die harte Arbeit der letzten Jahre lohnt." Verantwortung übernimmt das Mainzer Eigengewächs schon immer gerne. Auch als er mit 18 Jahren erstmals zu den Profis der 05ER stieß, war er froh, Kollegen helfen zu können, habe gleichzeitig aber auch versucht, möglichst viel mitzunehmen und aufzusaugen von den älteren Mitspielern. "Natürlich habe ich jetzt mehr Erfahrung durch die Spiele, aber das gehört einfach schon immer zu mir und meinem Charakter", erzählt Barreiro.
#MentalHealthAwareness
"Ich möchte auch an andere appellieren, offen darüber zu sprechen"
Seine Persönlichkeit zu festigen und sich in dieser Hinsicht täglich weiterzuentwickeln, daran arbeite er schon seit jungen Jahren, "ohne es Mentaltraining zu nennen. Meine Familie wusste schon früh, welchen Weg ich einschlagen wollte. Als ich nach Mainz ins NLZ gewechselt bin, habe ich angefangen mit einem Sportpsychologen zu arbeiten. Seitdem mache ich das", berichtet Barreiro. Er sei schon immer enorm fokussiert gewesen, den Blick ganz klar in Richtung Profikarriere gerichtet. Als die Erfolge und nächsten Schritte manchmal etwas später gekommen seien als erhofft oder gewünscht, habe er sich manchmal zu viel Druck gemacht. Die Arbeit im mentalen Bereich hat dem Luxemburger geholfen, mit diesen Gefühlen umzugehen. "Ich habe gelernt, dass alles zu seiner Zeit kommt, dass es nicht der richtige Weg ist, sich den ganzen Druck selbst aufzuerlegen." Zu realisieren, "dass ich noch sehr jung bin, dass Fußballer zu sein mit Höhen und Tiefen verbunden sein kann", half Barreiro dabei, sich nach und nach in der Bundesligamannschaft der 05ER zu etablieren und seinen Charakter zu festigen.
Vor einigen Wochen veröffentlichte der 22-Jährige auf seinem Instagram-Account einen Post mit dem Hashtag #MentalHealthAwareness. Damit wollte er nicht nur seine Geschichte zu diesem Thema erzählen: "Mein Post sollte die Wichtigkeit unterstreichen. Ich möchte auch an andere appellieren, offen darüber zu sprechen. Im Fußball ist das Thema immer noch zu klein. Aber man sollte sich nicht dazu gezwungen fühlen. Ich habe das Glück, in diesem Bereich mit einer sehr guten Person zusammenzuarbeiten, das tut mir gut", so Barreiro. Dass man ein Problem haben müsse, um mit Psychologen zu arbeiten, sei vielleicht früher so gewesen. "Mittlerweile ist man da weiter. Wenn man damit mal gute Erfahrungen gemacht hat, merkt man, wieviel positive Sachen man daraus ziehen kann, die einen im Alltag helfen können. Ich bin froh, dass ich das mache und werde es auch weiterhin tun. Es gehört zu mir und ich lerne dabei viel über mich."
Pflege und Entwicklung des Mannschaftsgefühls
Dank der über die Jahre gewonnen Erkenntnisse macht sich der 22-Jährige auch keinen Druck für die kommende Saison, in der die Konkurrenz für ihn im Mittelfeld nicht kleiner geworden ist. "Ich will wie immer 100 Prozent geben und die Sachen verbessern, an denen ich zu arbeiten habe. Gleichzeitig aber auch Dinge, die gut laufen, nochmal besser machen. Da geht es nicht um konkrete Zahlen, das ist für mich nicht der richtige Weg." Konkurrenz sei ohnehin immer gut, dadurch werde man stärker, so der Luxemburger. Als wichtige Aufgabe sieht Barreiro zudem die Entwicklung und Pflege des Mannschaftsgefühls. "Die Jungs, die neu dazugekommen sind, sind super Typen. Unsere Aufgabe ist es, sie möglichst schnell zu integrieren, damit sie sich wohl fühlen.“ Auch dabei wolle er stets seine Hilfe anbieten.