Profis 13.04.2021 - 10:00 Uhr
"So gewinnt man auch nur einmal"
"Überrascht" sei er gewesen: 05-Cheftrainer Bo Svensson weitete seine Kritik nach dem Sieg in Köln am Tag nach der Partie aus, lobte seine Profis aber auch für den Umgang mit dem durchwachsenen Auftritt
Ob er an seiner am Sonntagabend nach dem glücklichen Last-Minute-Sieg in Köln geäußerten Kritik festhalte, wurde Bo Svensson am Montag im Rahmen einer digitalen Medienrunde gefragt. Oder aber das Spiel mit etwas Abstand inzwischen mit anderen Augen sehe? Ein klares "nein" hatte der 05-Cheftrainer als Antwort parat, zu lang sei die Mängelliste im Spiel seines Teams gewesen, betonte der Däne. Auch die von den Spielern im Anschluss mehrfach erwähnte Halbzeitansprache habe aus seiner Sicht nur teilweise Früchte getragen.
Dass die 05ER im Laufe der Rückrunde, in der sie bislang 21 Zähler aus elf Partien einfahren konnten und damit Rang fünf belegen, noch in die Euphorie-Falle tappen nach nun fünf Partien ohne Niederlage, dürfte ausgeschlossen sein. Denn Svensson mahnt, warnt oder lobt stets ergebnisunabhängig. Die vielbeschworene "Leistungsgarantie" ist und bleibt der Maßstab des Tun und Handelns. Natürlich, so der Cheftrainer, sorge dieser Sieg für einen "positiven Schub. Weil wir ein wichtiges Spiel gewonnen haben, was unsere Situation verbessert". Das große Aber jedoch sollte prompt folgen. Es führte gar dazu, dass das Trainerteam kurzerhand beschlossen habe, die zu monierenden Themen über die Woche zu verteilen.
"Von Minute eins an hat etwas gefehlt", schilderte der Trainer seinen Eindruck. "Es gab soviele Punkte, dass wir entschieden haben, nicht alle heute anzusprechen. So gut der Sieg tut, so gewinnt man auch nur einmal. Das ist mir genauso klar wie den Jungs." Während der Däne also äußerst kritisch mit dem Auftritt seines Teams umging, lobte er seine Profis für deren Analysen nach dem Schlusspfiff. "Wir haben sehr ehrgeizige Jungs, die wissen, dass wir unseren internen Anspruch (Svensson: "Die Prinzipien und Werte, die in dieser Gruppe stecken bleiben der Klebstoff für das, was wir aufbauen wollen") nicht erfüllt haben in Köln." Dies hätten die Spieler in den Interviews auch zum Ausdruck gebracht. So jedenfalls, erklärte Svensson, habe er sein Team noch nicht spielen gesehen. "Ich war überrascht", musste er zugeben. "Es sah ein bisschen so aus, als hätten sie nicht zugehört."
Die Liste ist lang
Denn "grundlegend wussten wir, was auf uns zukommt. Trotzdem hatten wir eine sehr schlechte Zweikampfquote, haben im Anlaufen die Positionsaufgaben nicht erfüllt, von vorne bis hinten, es gab viel zu große Abstände. Die Ordnung gegen den Ball war einfach nicht gut. Wir hatten kaum Balleroberungen, die Lösungen mit Ball waren zudem schlecht." Hinzu sei das fehlende Durchsetzungsvermögen gekommen, "wir waren gedanklich überall einen Tick zu spät", wählte der 41-Jährige klare Worte, die nicht zuletzt vollkommen kompromisslos unterstreichen sollen, dass eine solche Leistung in den kommenden Wochen nicht erneut ausreichen werde.
Drei Punkte gegen alle Wahrscheinlichkeit
Wohl zugehört hatte das Team dann allerdings in der Halbzeitpause, in die die Mainzer, trotz zwischenzeitlicher Führung, mit einem glücklichen Remis gegangen waren. Wachgerüttelt habe der Trainer die Mannschaft, ließen sich die Spieler gleich reihenweise zitieren und zeigten dann zumindest ein anderes, besseres Gesicht, freilich ohne dem Ideal des Trainers an diesem Abend auch nur nahe zu kommen, wie dieser sagte.
"Ich habe die Probleme in aller Deutlichkeit angesprochen, vielleicht gab es Verständnisprobleme. Zwar war es dann nach der Pause keine gute Leistung, aber einen Tick besser. Wir standen etwas tiefer, weil wir in diesem Spiel nicht in der Lage waren, hoch anzulaufen. Da hat die Wachheit gefehlt, was ich bei uns so zuletzt nicht erlebt habe." Es war keinesfalls Kritik als Mittel zum Zweck, sondern vielmehr fundiert, klar belegbar, inhaltlicher Natur und schlussendlich auch Ergebnis einer sichtbaren Spielentwicklung. Nach 90 Minuten hatten die Gastgeber immerhin 22 zu neun Torschüsse verzeichnen können, hatten mehr als 60 Prozent Ballbesitz gehabt und obendrein die bessere Zweikampfquote vorzuweisen.
Dass die 05ER diese Begegnung schließlich doch noch, und gegen alle Wahrscheinlichkeit, für sich entscheiden konnten, darf jedoch als neue Qualität betrachtet werden. Mentalität, Glaube und Leidenschaft trieben den FSV in der Schlussphase noch einmal entscheidend an und gipfelten in diesem von Moussa Niakhaté initiierten Flügellauf von Phillipp Mwene, dessen kluge Rückgabe Barreiro zum Endstand verwandeln konnte.
Langer Atem in der Rückrunde, Qualität im letzten Drittel
"Wir haben in der Rückrunde schon mehrfach in der Schlussphase Spiele entschieden, das ist auf jeden Fall ein Mentalitätswandel, den wir erleben", erinnerte Torhüter Robin Zentner. Und in der Tat: Fünf Mal trafen (und punkteten) die Rheinhessen in der Rückrunde bereits in der Schlussviertelstunde, demgegenüber stand an den ersten 17 Spieltagen nur ein Torerfolg. Hinzu kamen am Sonntag die drei blitzsauberen Spielzüge vor den Treffern inklusive eiskalter Vollendung. Ein klar artikuliertes Manko der Vorwoche(n) und insofern doch noch ein Bereich, in dem Fortschritte erzielt wurden - dem letzten Drittel des Feldes.
Nach dem trainingsfreien Dienstag läuten die 05ER am Mittwochvormittag die heiße Phase der Vorbereitung auf die nächste bedeutende Partie gegen Hertha BSC (Sonntag 18 Uhr) in der OPEL ARENA ein. Mit der richtigen Mischung aus Kompaktheit und Effizienz soll dann auch der Klub aus der Hauptstadt mindestens auf Distanz (derzeit zwei Zähler Vorsprung) gehalten werden.