Verein 14.02.2024 - 16:30 Uhr
"Flanke Sauer, Tripp steht hinten am Sechzehner…“
In der vergangenen Woche ist der ehemalige 05ER Charly Tripp 80 Jahre alt geworden. Im Gespräch erinnert er sich an legendäre Jahre und Tore am Bruchweg.
Aus den zurückliegenden Bundesligaspielen des 1. FSV Mainz 05 sind besonders die Angriffszenen hängen geblieben. Immer wieder dasselbe Dilemma: Gute bis beste Torchancen herausgearbeitet, aber keiner da, der die Aktionen zum erfolgreichen Abschluss bringt und die dringend benötigten Tore erzielt. Die Fans sehnen einen echten Torjäger herbei. Einen, wie ihn der Klub vor vielen Jahren in seinen Reihen hatte. Einen, der entscheidende Tore in wichtigen Spielen erzielte, an die sich die Älteren in Mainz heute noch gerne erinnern. Einen, wie Charly Tripp, den Mittelstürmer des FSV, der einer der Schlüsselspieler in der erfolgreichen 05-Mannschaft der mittleren 1960er Jahre war und der vor ein paar Tagen gerade seinen 80 Geburtstag gefeiert hat.
Tripps großes Jahr in Mainz war die Saison 1965/66. In 30 Spielen erzielte der aus Hessen stammende Stürmer 24 Tore, dabei gelangen ihm drei Hattricks. Die personell ungeheuer stabile 05-Mannschaft - in einer Zeit, in der es noch keine Auswechslungen gab, absolvierten fünf Akteure alle Spiele - wurde nach einem mäßigen Start durch eine selten unterbrochene Siegesserie Dritter in der Regionalliga, zwei Punkte fehlten dem Team von Trainer Heinz Baas nur zur Teilnahme an der Bundesliga-Aufstiegsrunde.
Lebendige Erinnerungen
1964 kam der Jüngere der Tripp-Brüder als 20-Jähriger vom VfL Marburg an den Bruchweg, zum FSV, der bereits ein Jahr zuvor den Marburger Spielmacher Kurt Sauer geholt hatten. 1966 kam auch Charlys drei Jahre älterer Bruder, der Rechtsaußen Georg Tripp aus Offenbach, dazu. Charly Tripp löste sofort Erwin Bader - mit 18 Saisontoren ein Leistungsträger des Vorjahres - als Mittelstürmer ab. Obwohl Tripp zunächst nicht an diese Quote herankam, waren seine elf Tore in 25 Einsätzen sehr ordentlich für einen Neuling in der Regionalliga. Tripps bedeutendstes Tor im ersten Jahr entschied eins der legendären 05-Spiele dieser Ära: Im Wiederholungsspiel des DFB-Pokal-Achtelfinales beim hohen Favoriten TSV München 1860 schoss der Stürmer in der 85. Minute das 2:1-Siegtor. "Es war ein Eckball kurz vor Schluss“, erinnert sich der Torjäger, der heute in Hasbergen, einem Vorort von Osnabrück lebt und sich an die Entstehung dieses Treffers noch genau erinnert: "Kurt Sauer hatte die Ecke hereingebracht und ich habe eingeköpft“, sagt Tripp. "Wir haben 2:1 gewonnen gegen die damals beste Mannschaft Deutschlands.“ Dass Tripp diesen in Mainz unvergessenen Treffer mit dem Kopf erzielte, war kein Zufall. Er habe viele Kopfballtore gemacht, sagt er rückblickend. Und das sei das Resultat einer speziellen und häufig wiederholten Trainingsform gewesen. "Heinz Baas war unser Trainer. Er hat diese Situation mit uns immer wieder trainiert nach dem eigentlichen Training: Flanke Sauer, Tripp steht hinten am Sechzehner, läuft ein, Kopfball. Wir haben das immer wieder genau eingeübt. Baas war sowieso mein bester Trainer überhaupt und sehr akribisch in allem.“
Geplatzter Bayern-Wechsel
Es war im Übrigen auch Sauer, der Tripp nach Mainz gelockt hatte. “Er hat mich aufgesucht zusammen mit Walter Schütter, der damals im 05-Vorstand war, die haben mich überzeugt. Ich hatte mit Sauer in Marburg zusammengespielt, er ist vier Jahre älter als ich. Weil er in Mainz spielte, bin ich gerne gewechselt. Ich habe anfangs sogar mit ihm zusammen gewohnt. Ich war 20 Jahre alt, als ich nach Mainz kam, meine Mutter musste sogar noch den Vertrag unterschreiben, weil man damals erst mit 21 volljährig geworden ist“, erinnert sich der frühere Torjäger. "Das erste Punktspiel war beim FK Pirmasens, daran erinnere ich mich noch gut. Pirmasens war die stärkste Mannschaft in der Liga. Wir haben 1:1 gespielt, und ich habe kurz vor Schluss das Ausgleichstor gemacht. Es war mein erstes für Mainz 05, ein Kopfballtor.“ Natürlich. Tripp etablierte sich schnell als erfolgreicher 05-Stürmer. "Ich war kopfballstark. Ich war auch sehr schnell, war in Marburg Stadt-Jugendmeister über 100 Meter, bin 11,0 Sekunden gelaufen. Ich vergleiche mich ein bisschen so vom Typ her mit Miroslav Klose“, sagt er heute. Im Jahr mit den 24 Toren erhielt Tripp eine Auszeichnung, die er heute noch in Ehren hält. Im April 1966 wählten ihn die Zuschauer des Südwestfunks zum "Sportler des Monats“. Vor Wilfried Dietrich, dem legendären Ringer aus Schifferstadt.
Anschließend wäre Charly Tripp beinahe der erste 05ER gewesen, der zum FC Bayern München in die Bundesliga wechselt. Der Transfer platzte erst in letzter Sekunde. "Ich hatte einen Vertrag bei Mainz 05. Deshalb konnten die Mainzer die Höchstsumme verlangen. Heute kann man fast drüber lachen. Bei einem Wechsel, wenn der Vertrag ausgelaufen war, konnte der Verein 25.000 D-Mark verlangen, bei bestehendem Vertrag jedoch 75.000 Mark. Dem damaligen Bayern-Manager Robert Schwan war das zu teuer. Er war ein knallharter Geschäftsmann. Ich war mit drei anderen Spielern, zwei vom 1. FC Saarbrücken und einem von Trier glaube ich nach München eingeladen. Ich habe sogar bei einem Freundschaftsspiel mitgemacht unter falschem Namen und habe ein Tor geschossen. Doch Schwan sagte, ich sei zu teuer. Er hat drei Ersatzspieler der Bayern nach Saarbrücken verkauft und hat dann im Gegenzug einen vom FCS genommen. Da bin ich dann durchgefallen“, erinnert sich Tripp an diese Episode. Der Mittelstürmer erreichte in der Folgesaison die alten Quoten nicht mehr, wurde von seinem Bruder Georg überflügelt, der sein erstes Jahr in Mainz wegen Verletzungen weitgehend verpasst hatte, im zweiten aber bereits auf 18 Saisontore kam.
Erfolgreiche Jahre in Osnabrück
1968 wechselte Tripp nach 118 Spielen und 65 Toren für die Rheinhessen zur Nord-Spitzenmannschaft VfL Osnabrück. Mit dem VfL wurde er dreimal in Folge Meister seiner Regionalligastaffel, dann zweimal Vizemeister hinter dem FC St. Pauli, 1973/74 schließlich Dritter hinter den Hamburgern und dem Bundesliga-Absteiger Eintracht Braunschweig. Den Aufstieg schaffte er trotz fünf Playoff-Teilnahmen nicht. Auch seine Tore wurden seltener, 24 Treffer in 191 Partien belegen jedoch keinen Einbruch von Tripps Fähigkeiten. Vielmehr wurde der Stürmer zum Libero umgeschult, bevor er im Herbst 1974 den Profifußball wegen eines Achillessehnenrisses ad acta legte.
"Ich wäre damals sehr gerne in Mainz geblieben“, erzählt er. "Warum ich überhaupt gewechselt bin: Willi Schenk war Kassierer bei Mainz 05 und ebenso wie ich kaufmännischer Angestellter bei der Wiederaufbaukasse. Schenk hat zu mir gesagt: 'Charly, wenn du irgendwie die Möglichkeit hast einen Verein zu kriegen, dann bekommen wir 25.000 Mark, damit kann ich dann wenigstens noch Gehalt bezahlen‘. Wir hatten ja nur sehr wenige Zuschauer damals. Nur in den Pokalspielen war es voll. Da habe ich mir gedacht, ehe ich mich reamateurisieren lasse, wenn der Verein gar kein Geld mehr hat, gehe ich nach Osnabrück. Zwei Jahre später ist Mainz 05 freiwillig in die Amateurliga gegangen, mein Bruder ist zum FC Metz in die 1. Französische Liga gewechselt.“ Georg Tripp hat inzwischen die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft und wohnt in Frankreich.
Daumen drücken für seine 05ER
Heute, so Charly Tripp, könne er sagen, seine schönste Zeit sei die beim FSV gewesen. "Ich war der Jüngste, die anderen haben sich so um mich gekümmert, als wenn sie meine Erziehungsberechtigten gewesen wären. Das war ganz hervorragend. So etwas von familiär. Noch heute rufen wir uns gegenseitig an zu Geburtstagen und so weiter. Vor allem mit Carlo Storck, Manfred Zimmer, Norbert Liebeck, Horst Schuch, Horst Klinkhammer und Helmut Hasshoff halte er Kontakt. "Wir hatten auch Treffen in Mainz. Der Verein hat uns mal eingeladen , das war für mich einmalig, dass sich der Verein so um die ehemaligen Spieler gekümmert hat.
Eines hat sich Charly Tripp zum 80. Geburtstag gewünscht: "Ich hoffe, dass Mainz 05 es trotz allem schafft, in der Bundesliga zu bleiben.“