Profis 20.10.2022 - 11:30 Uhr
Clemens über den FSV, den FC & private Herausforderungen
Der in Köln groß gewordene Christian Clemens hat auch eine Vergangenheit als 05ER, spielt heute in Danzig und pendelt aktuell zwischen Polen & seiner Heimat.
Unter normalen Umständen wäre es keine Frage, dass Christian Clemens am Freitagabend spätestens um 20.30 Uhr (Restkarten für die Partie im Online-Ticketshop erhältlich) vor dem Fernseher sitzen würde, um sich das Spiel zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und dem 1. FC Köln anzuschauen, das den elften Spieltag der Bundesliga eröffnet. Der Fußballprofi, der für beide Klubs aktiv war, hat allerdings derzeit keine normalen, sondern wie es im Sprachgebrauch heißt, tatsächlich andere Umstände. "Wir erwarten diese Woche unser zweites Kind", erklärt der 31-jährige Rechtsaußen des polnischen Erstligisten Lechia Gdansk, zu Deutsch Danzig. "Das machen wir alles in Köln. Deshalb ist meine Familie im Moment dort, und ich bin hauptsächlich in Polen. Ich will aber bei der Geburt dabei sein", sagt Clemens. Und deshalb könne es passieren, dass die Fußball-Partie hinten anstehen müsse. "Ich hoffe, es läuft alles so ab, dass ich die Zeit habe, mir das Spiel trotzdem noch anzuschauen. Ich möchte es natürlich gerne sehen."
Bewegte Karriere
Clemens hat eine lange und turbulente Reise hinter sich, bis zu seinem neuen Engagement in Danzig, wo der Offensivspieler seit dem Winter 2021/22 unter Vertrag steht. Geboren in Köln, spielte er in der Jugend des 1. FC Köln. Ab der Saison 10/11 gehörte der schnelle und schusskräftige Rechtsfuß, der meist auf beiden Außenbahnen oder als Achter eingesetzt wurde, zum Kölner Profikader und gab sein Bundesligadebüt im September 2010. Der Profi absolvierte 144 Bundesligaspiele für den FC, für Mainz 05 und Schalke 04, dazu 65 Zweitliga-Begegnungen für die Kölner und Darmstadt 98. Clemens durchlief alle deutschen U-Nationalmannschaften und bestritt dabei 38 Länderspiele für den DFB. Er spielte für Schalke sechsmal in der Champions League, für die 05ER und den FC sechsmal in der Europa-League. Der Offensivmann erlebte zudem Auf- und Abstiege und kämpfte sich nach schweren Verletzungen zurück. Er war in Darmstadt Stammspieler und rutschte in die Arbeitslosigkeit, nachdem es bei den Hessen einen großen personellen Umbruch gegeben hatte, sein Vertrag nicht verlängert worden war. "Das halbe Jahr Arbeitslosigkeit war nicht einfach für mich", sagt er rückblickend. "Ich hätte das eine oder andere machen können, aber es musste auch passen. Ich wollte nicht irgendwas machen. Dass sich das am Ende dann in Danzig ergeben hat, war für mich sehr gut."
Der Wechsel nach Polen kam zustande durch den damaligen Trainer der Danziger. "Das Lustige ist, der Ex-Trainer von Lechia wohnt fünf Minuten von mir weg in Köln. Ich kenne ihn von früher, er war Trainer von Fortuna und Viktoria Köln. Wir haben des Öfteren gegeneinander gespielt. So ist der Kontakt entstanden", erzählt Clemens.
Zufrieden trotz Sprachbarriere
Thomasz Kaczmarek heißt der Mann, der jedoch Ende August in Danzig entlassen wurde, "weil die Saison leider nicht so läuft, wie wir uns das alle erhofft haben. Wir haben gerade eine schwierige Phase." Seit Mitte September ist Marcin Kaczmarek, der frühere Coach von Widzew Lodz, nun Trainer beim Klub von der Ostseeküste, der auf Platz 17 der Tabelle steht.
Clemens fühlt sich dennoch ganz wohl in Polen. "Mit der Sprache ist es noch ein bisschen schwierig, aber mit Englisch geht es dort gut. Es ist dadurch auf jeden Fall besser geworden. Ich lerne auch Polnisch, aber diese Sprache ist gar nicht so einfach", sagt er. Zum Glück habe ich vier Mitspieler, die Deutsch sprechen. Mit einem habe ich auch früher in der Nationalmannschaft gespielt. Das war ebenfalls ein Grund, warum ich nach Danzig gewechselt bin." Der Ex-05ER spielt dort unter anderem mit dem früheren Hoffenheimer und Freiburger U20-Nationalspieler Marco Terrazzino zusammen.
Der Schritt, nach Polen zu gehen, sei definitiv richtig gewesen für ihn, sagt Clemens. Köln und der FC sind dennoch immer eine Herzensangelegenheit für ihn, wie er sagt. "Köln bedeutet mir viel. Ich wohne da, habe mein Häuschen hier und auch meine Zukunft wird definitiv in Köln liegen nach meiner Karriere. Ich bin dem FC immer noch sehr verbunden." Er habe mit dem Klub sehr viel miterlebt, Einzug in den Europapokal, Abstieg, Aufstieg, Verletzungen. "Ich bin in meinem Jugend- und Herzensverein Profi geworden, das ist für mich was Besonderes", sagt er. Besonders war auch sein Tor des Monats im Spiel gegen den SC Freiburg 2011. Beim Kölner 4:0-Sieg erzielte Clemens erstmals zwei Treffer in einem Bundesligaspiel. Einer davon war jener direkt verwandelte Eckball, der dann zum Tor des Monats gewählt wurde. Wie so etwas geht? "Hartes Training", sagt er lachend. "Es gehört natürlich Glück dazu, aber man munkelt, dass ich das auch so wollte. Der Schnitt muss halt stimmen."
Gute Erinnerungen die Zeit beim FSV
Zum FSV war Clemens im Winter 14/15 gewechselt. "Ich wollte wieder mehr spielen und so kam das mit Mainz zustande. Und es war der richtige Schritt." Am Bruchweg erhielt er damals einen bis zum 30. Juni 2016 gültigen Vertrag. Im ersten Rückrundenspiel, beim 5:0-Sieg gegen den SC Paderborn absolvierte er 90 Minuten. Das war noch unter Trainer Kasper Hjulmand, der dann von Martin Schmidt abgelöst wurde. Bei dessen Debüt erzielte Clemens im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt sein erstes Bundesligator für die Rheinhessen. Ende April 2016 nutzte der FSV eine Kaufoption und stattete Clemens mit einem Vertrag bis 2019 aus. Der Wechsel zurück nach Köln hatte dann wieder mit Verletzungen und dem Wunsch nach mehr Spielpraxis zu tun. Clemens wechselte zurück in die Heimat und spielte beim 0:0 am 22. Januar 2017 erstmals gegen seinen vorherigen Verein. Die Entscheidung für diesen Wechsel sei nur gefallen, weil die Anfrage aus Köln gekommen sei. "Wenn es ein anderer Verein gewesen wäre, hätte ich das nicht gemacht, denn ich habe mich in Mainz super wohlgefühlt. Doch wenn die Heimat ruft, dann ist es für jemanden wie mich schwer, nein zu sagen“, betont er. Er habe eine tolle Zeit beim FSV erlebt", sagt der heute 31-Jährige. "Wir haben auch international gespielt. Ich persönlich und wir als Mannschaft hatten da eine überragende Saison."
Die aktuelle Stärke seiner beiden Ex-Vereine in der Bundesliga komme für ihn nicht überraschend. "Ich glaube, man hat die Entwicklung bei Mainz ja schon länger gesehen und bei Köln gerade in der letzten Saison. Köln und Steffen Baumgart, das passt sehr gut. Bo Svensson kenne ich auch noch aus der Mainzer Zeit. Der macht genauso einen super Job, deshalb wundert es mich nicht, dass diese beiden Mannschaften im oberen Mittelfeld der Liga stehen. Und ich gehe davon aus, dass beide dort auch am Ende landen werden. Sie spielen ähnlichen Fußball, haben eine ähnliche Auffassung davon, wie sie spielen wollen. Mit großer Intensität und großem Aufwand. Das wird eine spannende und interessante Auseinandersetzung." Seine Prioritäten liegen am Freitag bei seinem Heimatverein. "Tut mir leid, aber natürlich drücke ich dem FC die Daumen. Ich weiß aber auch selbst wie es ist, in Mainz zu spielen als Gegner. Das wird definitiv nicht einfach für die Kölner. Ich rechne mit einem sehr intensiven, spannenden, aber auch offensiven Spiel, in dem beide ihr Ding durchziehen. Egal, was passiert."