Profis 27.10.2022 - 09:30 Uhr
"Das weiß ich noch, als wenn es gestern gewesen wäre"
Claudius Weber war dabei und erzielte ein Tor im ersten Bundesligaspiel von Mainz 05 beim FC Bayern München - damals noch im Olympiastadion. Der 44-Jährige erinnert sich lebhaft und mit Freude an diese Zeit
Nach der englischen Woche mit zwei Liga-Erfolgen und dem Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals, in dem der 1. FSV Mainz 05 am 1. Februar 2023 in der MEWA ARENA den FC Bayern München empfängt, stellt sich die Mannschaft von Bo Svensson am zwölften Spieltag nun bei jenen Bayern in der Allianz Arena vor. Wir haben aus diesem Anlass mit einem ehemaligen 05ER telefoniert, der dabei war, als der FSV 2004 zum ersten Mal ein Bundesligaspiel beim FC Bayern bestritt und an diese Partie vom 15. Spieltag eine ganz besondere Erinnerung hat. Claudius Weber erzielte seinerzeit beim 2:4 der Elf von Jürgen Klopp das Tor zum 2:4-Endstand. Es war das erste und einzige Bundesligator des Stürmers, der 2001 vom VfB Gießen ins Oberliga-Team der 05-Amateure gewechselt war, sich in die Zweitliga-Mannschaft am Bruchweg hinaufarbeitete und insgesamt zehn Zweitliga- sowie acht Bundesliga-Einsätze hatte, der auch 38-mal in der Regionalliga spielte. Insgesamt bestritt Weber 90 Regionalliga-Partien.
Die Freude, aus Mainz angerufen zu werden, über seine Mainzer Zeit und speziell dieses Spiel im November 2004 im alten Olympiastadion zu erzählen, ist dem inzwischen 44-Jährigen deutlich anzumerken. Und Weber wundert sich darüber, dass offenbar viele in Mainz heute noch der Meinung sind, er habe das letzte Tor im Olympiastadion geschossen. "Das stimmt so natürlich nicht. Die Bayern haben die Saison dort noch bis Mai zu Ende gespielt und sind dann erst umgezogen. Ich habe das letzte Mainzer Tor in diesem Stadion geschossen. So ist es richtig“, räumt Weber auf mit eventuellen Irrtümern.
"Es fällt mir nicht schwer, mich an damals zu erinnern"
An Mainz, sagt er, erinnere er sich immer wieder gerne und auch ständig. "Mainz 05 ist ja mittlerweile ein gestandener Verein, seit vielen Jahren fester Bestandteil der ersten Liga und eigentlich aus der Bundesliga gar nicht mehr wegzudenken. Ich habe nicht in der MEWA ARENA gespielt, gehöre aber zur 05-Traditionself, da kommen über Klaus Hafner immer diverse Nachrichten und da sind natürlich auch ehemalige Mannschaftskameraden dabei. Ich bin nicht im ständigen Kontakt, aber verschiedene Benefiz-Veranstaltungen mit der Traditionself habe ich mitgemacht. Es fällt mir nicht schwer, mich an damals zu erinnern. Ich hatte sieben Jahre am Stück im bezahlten Fußball, aber nach dem Weggang von Mainz ging meine Karriere auch dem Ende entgegen", erzählt er. "Ich habe noch Regionalliga gespielt, in Wehen und Lübeck. Mit der Insolvenz in Lübeck 2008 und dem gleichzeitigen Herzinfarkt meines Schwiegervaters, der eine Firma zu leiten hatte, in die ich eingestiegen bin, war das mit der aktiven Zeit zu Ende." Bereut habe er das nicht, allerdings eine gewisse Zeit lang doch vermisst. "Wenn jemand mit Herzblut Fußballer ist, gibt es nichts Schöneres, als mal in der Bundesliga gespielt zu haben. Es war eine sehr wichtige Zeit für mich. Wenn dich Leute in der Stadt ansprechen, sich nach Erfolgen mitfreuen, oder mitleiden nach Niederlagen. Wenn das nicht das ist, was ein Fußballer möchte, was dann?"
Weber hat nach seiner Aktivenzeit ins Arbeitsleben gefunden, hat auch eine Spielerberatungs-Agentur gegründet, die junge, talentierte Fußballer auf ihrem eventuellen Weg ins Profigeschäft begleitet, die aber nicht nur vermitteln, sondern in etlichen Bereichen betreuen will "Ich bin da mittlerweile außen vor“, sagt er. "Seitdem ich wieder voll im Arbeitsleben stecke, habe ich dafür keine Zeit. Das machen Kollegen. Ich habe meinen Namen und die Homepage eingebracht." Bis zum Ablauf der vergangenen Saison trainierte Weber die weibliche B-Jugend des U17-Bundesligisten SC Dortelweil in Bad Vilbel. "Aktuell teile ich mir mit einem Ex-Kollegen und Freund die Jugendleitung beim FC Gießen und trainiere dort die U16."
Das Highlight der fußballerischen Laufbahn
Im ersten Auswärtsspiel des Aufsteigers aus Mainz beim FC Bayern 2004 gelang Weber das Tor zum 2:4 und der Stürmer bereitete das 1:3 von Christof Babatz vor. Zwei Torbeteiligungen in einem Spiel gegen die Münchner, das gelingt nicht jedem. "Unser letztes Tor im Olympiastadion selbst geschossen und das vorletzte vorbereitet. Gegen jeden Gegner würde das sowieso in Erinnerung bleiben, aber die Ironie ist, dass es gerade gegen Bayern war, meinen Lieblingsverein seit frühester Kindheit. Dass es gerade dort funktioniert hat, war für mich noch überwältigender. Es ist und bleibt das Highlight meiner fußballerischen Laufbahn.“
Claudius Weber kann sich an das komplette Spiel erinnern. Das merkt man an seiner Erzählweise sehr schnell. Natürlich auch an seinen Treffer. "Ich weiß, dass Toni da Silva auf der linken Seite noch in der eigenen Hälfte ein Pass zentral auf Babatz gespielt hat. Der hat ihn nach rechts zu Fabian Gerber auf den Flügel befördert, der eine halbhohe Flanke in den Strafraum, etwa auf elf, zwölf Metern reinbrachte. Ich habe den Ball praktisch im Fallen volley ins lange Eck geschoben. Das Babatz-Tor habe Robert Nikolic eingeleitet mit einer Balleroberung, so Weber. Der Rechtsverteidiger habe ihn dann die Linie entlang geschickt. "Ich bin mit dem Ball zur Grundlinie, habe Hasan Salihamidczic mit einem Haken ins Leere laufen lassen und an die Strafraumkante auf Babatz abgelegt, er ihn reingemacht hat.“
Für einen Spieler wie Weber war der erste Auftritt in München das Größte. Schon die Bayern-Aufstellung hatte es in sich: "Ganz ehrlich. Zu Beginn des Spiels denkst du, du spielst jetzt gegen Kahn, Lucio, Kuffour, Demichelis, Salihamidczic, Ballack, Scholl und Zé Roberto, gegen Makaay und Pizarro. Da bist du voller Ehrfurcht. Und da waren ja auch noch Schweinsteiger, Hashemian oder Deisler im Kader.“ Sobald er jedoch das Feld betreten habe, sei er nur auf irgendeine Toraktion aus gewesen. "Ich habe Zweikämpfe gegen Lucio im Kopfball gewonnen, ein Laufduell gegen Salihamidczic. das weiß ich noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Das sind Dinge, die bleiben für immer. Es bleibt aber auch, dass wir 2:4 verloren haben."
Klopp hatte der Mannschaft vorher gesagt, sie solle sich nicht verstecken mutig ihre Stärken einbringen. Klopps Worte seien gewesen: Wenn man nicht ans Gewinnen glaube, müsse man erst gar nicht hinfahren. "Und mit den Fans im Rücken, die uns ja seinerzeit auf jedes Auswärtsspiel in Scharen gefolgt sind, hat das einen immer noch etwas mehr nach vorne gepusht. Mich hat es unheimlich motiviert, immer eine solche rot-weiße Kulisse zu sehen. Und so schlecht waren wir ja auch nicht. Wir haben zwar in der Halbzeit 0:3 zurückgelegen, aber wir sind mit zwei geschossenen Toren nach Hause gefahren und haben die zweite Hälfte mit 2: 1 gewonnen."
"So gering sehe ich die Chancen für die 05er auch gar nicht"
Die Situation vor dem Spiel am Samstag ist anders als damals, obwohl die Rollen nach wie vor eindeutig verteilt sind. "Natürlich ist Bayern haushoher Favorit, aber mit harter Arbeit und 90-minütiger Konzentration ist auch gegen sie was möglich. Als Bayern-Fan hoffe ich auf einen Sieg, aber als Ex-Mainzer wäre es mir recht, wenn Bayern schon verliert, dann wenigstens gegen Mainz 05. So gering sehe ich die Chancen für die 05er auch gar nicht“, sagt Weber, der sich die Partie natürlich im TV anschaut. "Ich versuche auch, beim Pokal-Spiel in Mainz dabei zu sein."