Profis 05.10.2022 - 18:00 Uhr
Denkwürdig & emotional: Rückblick auf die 05-Heimsiege über Leipzig
Unvergessene Duelle mit dem Kontrahenten des kommenden Wochenendes
Die gemeinsame Bundesliga-Geschichte der beiden Klubs ist noch jung. Erst seit 2016 gibt es in der höchsten deutschen Spielklasse Begegnungen zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und Leipzig. An einige davon mag man am Rhein nicht gerne erinnert werden, denn sie endeten mit deutlichen Niederlagen für den FSV. Auch Marco Rose, als Fußball-Profi seinerzeit einer der Mainzer Aufstiegshelden im Team von Jürgen Klopp, und seit kurzem neuer Cheftrainer beim aktuellen DFB-Pokalsieger, wird sich im Vorfeld der Partie am Samstag (15.30 Uhr, hier geht's zum Online-Ticketshop) in der MEWA ARENA wahrscheinlich nicht viel damit beschäftigen, sondern eher darauf schauen, wie er es schaffen kann, die Kräfteverhältnisse wieder etwas mehr ins Lot zu bringen. Denn der Favorit kommt diesmal auf Augenhöhe zum Duell der Tabellennachbarn. Zudem wird sich Rose mutmaßlich auch der Tatsache bewusst sein, dass die Bilanz seiner Mannschaft in Mainz negativ (3 05-Siege, 1 Remis, 2 Auswärtssiege) ausfällt und dass die Leipziger die beiden letzten Spiele hier verloren haben.
Bo Svensson dürfte seine Spieler in der Vorbereitung auf die Partie sicherlich nicht nur einmal auf den 1:0-Sieg der 05ER zum Auftakt der vergangenen Saison hinweisen und darauf, dass dieser Auftritt seiner Mannschaft so ziemlich alles beinhaltete, was dem Cheftrainer wichtig ist und was der 43-Jährige immer wieder einfordert. Mentalität, Identifikation, Gemeinschaftsgefühl, gegenseitige Hilfestellung sowie das Umsetzen klarer taktischer und fußballerischer Vorgaben. Zeigen, für was die Mannschaft steht, was sie ausmacht. Auch unter schwierigsten Voraussetzungen.
Allen Widerständen getrotzt
"Was für eine überragende Performance", titelte das Portal "Sport aus Mainz" über dieses Spiel am 15. August 2021: "Was Svenssons Mannschaft gegen Leipzig auf den Platz brachte, ging in die Reihe der epischen Erfolge des Klubs ein. Mit einer taktischen und kämpferischen Meisterleistung, durchsetzt mit spielerischen Glanzstücken und gekrönt durch ein Tor von Moussa Niakhaté bezwangen die Rheinhessen den Vizemeister mit 1:0. Damit versetzten sie nicht nur die 10.500 Fans, die in der Pandemie erstmals wieder dabei sein durften, sondern auch ihren Coach in Ekstase. In der Pressekonferenz sagte Svensson: "Wir haben zweimal trainiert, ohne zu wissen, was der nächste Tag bringt."
Zwölf Spieler aus dem Profikader fehlten, elf wegen einer Corona-Infektion, beziehungsweise weil sie als nicht Geimpfte ebenfalls in Quarantäne mussten, dazu der noch gesperrte Anton Stach. Und auch die Co-Trainer Babak Keyhanfar und Patrick Kaniuth waren nicht dabei; stattdessen gab Niko Bungert ein Comeback auf der Trainerbank, nachdem er seinen Urlaub extra unterbrochen hatte. Der Cheftrainer schickte eine Besetzung aufs Feld, wie sie unter normalen Umständen undenkbar gewesen wäre.
Stolzer Cheftrainer
"Diese Elf aber machte von Anfang an klar, dass sie nicht gewillt ist, auch nur einen Millimeter von Svenssons Art des Fußballspielens abzuweichen. Die Mainzer traten mutig auf, angesichts des jugendlichen Alters einiger Akteure konnte man auch sagen: frech. Sie beschränkten sich nicht auf hohe Laufintensität und Zweikampfbereitschaft, sondern spielten schnell und kombinationssicher nach vorne", so "Sport aus Mainz" weiter. All das schien die Gäste zu überraschen und zu beeindrucken. Die 10.500 Fans waren begeistert. Und gerieten vollends aus dem Häuschen, als Niakhaté das 1:0 erzielte.
Die zweite Halbzeit entwickelte sich zu einer grandiosen Rasenschlacht. Mit bedingungslosem Kampf des FSV. Der Sieg sei sehr schön, sagte Svensson, mehr noch aber begeisterte ihn, wie die Mannschaft aufgetreten war. "Ich bin sehr stolz auf die Gruppe. Was ich inhaltlich gefordert habe, hat sie prima umgesetzt. Wie die Spieler miteinander agiert haben, sich so als Mannschaft zu präsentieren, das ist der entscheidende Punkt." All das zusammen ergab eines der begeisterndsten Fußballspiele in der Geschichte des Klubs.
Ein Heimsieg zum perfekten Zeitpunkt
Ein gutes halbes Jahr zuvor waren keine Zuschauer zugelassen beim Rückrundenauftakt gegen die Leipziger. Als der Schiedsrichter diese Partie nach einer sechsminütigen Nachspielzeit abpfiff, feierten die Fans einen 3:2-Sieg, den Leandro Barreiro mit der Szene des Tages perfekt gemacht hatte. Dem Eigengewächs gelang in der 50. Minute seines 33. Bundesligaspiels sein erstes Bundesligator. Ein herrlich anzuschauendes, vom soeben verpflichteten Danny da Costa glänzend vorbereitetes, und vielleicht sogar eines, dass die Wende einer bis dahin so katastrophal verlaufenen Saison mit einleitete.
Barreiros Schuss besiegelte den Sieg des Tabellenvorletzten über den Tabellenzweiten. Den ersten Heimerfolg der Mainzer in der damaligen Runde, den zweiten Dreier insgesamt, die Punkte acht bis zehn. Es war lange her, dass ein Fußballspiel des FSV so viele positive Geschichten hergegeben hatte. Da traten die angesichts ihrer acht beziehungsweise zehn Punkte Rückstand auf die nächstbesseren Konkurrenten schon fast totgesagten Rheinhessen den Beweis an, dass noch jede Menge Leben in ihnen steckt. Da hörte Bo Svensson zum ersten Mal als 05-Cheftrainer den Narrhallamarsch in der Arena. Und dann waren da noch die Leihgaben der Frankfurter Eintracht, die maßgeblich zum ersten Mainzer Heimsieg in dieser Saison beitrugen: Dominik Kohr und eben da Costa.
"Dominik und Danny haben gezeigt, warum sie so wertvoll sein können. Sie bringen auch spielerisch viel mit", sagte Svensson danach. Vor allen Dingen aber hatte das Duo den Vorteil, völlig unbelastet von der bisherigen Saison zu sein, weil sie sich nicht den Kopf über die so grauenvoll verlaufene Hinrunde zermartern mussten. Wie sich herausstellte, war dieser Erfolg der Beginn jener erfolgreichen Aufholjagd zum sensationellen Klassenverbleib.
Dosenöffner für den Klassenerhalt
Die Serie spektakulärer und richtungsweisender Mainzer Heimerfolge gegen Leipzig wird schließlich komplettiert vom begeisternden 3:0-Sieg am 29. April 2018. Es war der 32. Spieltag der Saison, als die Mannschaft des damaligen Trainers Sandro Schwarz zum vorentscheidenden Schlag im Abstiegskampf ausholte und sich mit drei Punkten Vorsprung vom Relegationsplatz absetzte.
Schwarz bedankte sich nachher als allererstes bei den Anhängern. "Großes Kompliment an die Zuschauer, die für eine unfassbare Atmosphäre gesorgt haben. Das hat schon damit angefangen, als wir mit dem Bus angekommen sind, wie positiv die Leute auf uns reagiert haben. Danach hatten wir über 95 Minuten eine sensationelle Stimmung. Die hat uns getragen. Die Mannschaft hat das gebraucht und mit Leistung zurückgezahlt. Das ist Mainz 05. Noch zwei Etappen mit dieser Konsequenz und Leidenschaft absolvieren, dann sind wir auf einem guten Weg"“, sagte der 05-Trainer. Es brauchte tatsächlich aber nur noch eine Etappe, denn der FSV gewann eine Woche später das Auswärtsspiel in Dortmund mit 2:1 und sicherte sich damit bereits am vorletzten Spieltag den Ligaverbleib.
Um dieses Duell mit den Sachsen in die richtigen Bahnen zu lenken, benötigten die 05ER eine etwas glückliche Elfmeter-Entscheidung und Pablo De Blasis, der zum 1:0 traf. Als Alex Maxim in der Schlussphase das erlösende 2:0 erzielte, war bei den Leipzigern die Luft raus. Der bärenstarke Alex Hack hatte mit einer Balleroberung den schönsten Angriff des Spiels eingeleitet, links raus auf Gerrit Holtmann gespielt, dessen Pass nach innen verlängerte der ebenfalls enorm starke Yoshinori Muto mit der Hacke für Maxim, der perfekt vollstreckte, ehe Ridle Baku dem Ganzen mit dem 3:0 die Krone aufsetzte. Der Nachwuchsmann erzielte seinen ersten Bundesligatreffer im ersten Spiel und löste damit in den Mainzer Reihen emotionale Gefühlsausbrüche und feuchte Augen aus. Eine Erinnerung für die Ewigkeit.