Profis 02.02.2023 - 14:05 Uhr
Die Tugenden nicht auf den Platz gebracht
Die 05-Verantwortlichen waren beim Pokal-Aus gegen die Bayern mit dem eigenen Auftritt in der ersten Halbzeit unzufrieden / Schmidt: "Das war nicht Mainz 05"
Der Einzug in die Runde der letzten Acht des DFB-Pokals ist dem 1. FSV Mainz 05 am Mittwochabend verwehrt geblieben. Die Mannschaft von Bo Svensson verlor ihre Achtelfinal-Partie in der ausverkauften MEWA ARENA gegen den FC Bayern München, auch in dieser Höhe verdient mit 0:4. Dazu musste Silvan Widmer verletzt vom Platz, Alexander Hack sah in der Schlussphase die Gelb-Rote Karte. Wenige Minuten zuvor war bereits Svensson von Schiedsrichter Deniz Aytekin des Platzes verwiesen worden und erlebte die letzten Spielminuten nicht mehr an der Seitenlinie.
Den Traum vom Viertelfinale schnell begraben
Die vor diesem mit Spannung erwarteten Duell mit dem Rekordmeister und -pokalsieger häufig gestellte Frage, ob die zuletzt bei den Bayern ausgebliebenen Erfolge in der Bundesliga ein Vorteil für die Gastgeber sein könnten, erwies sich schnell als rein hypothetisch. Denn den Mainzern gelang es in den ersten 45 Minuten nicht, an die Leidenschaft und Spielfreude heranzureichen, die der Cheftrainer nach dem begeisternden 5:2-Sieg vier Tage zuvor an gleicher Stelle gegen den VfL Bochum erwartet und eingefordert hatte. So wurde dieser Pokal-Auftritt zu einer ernüchternden Angelegenheit für alle 05ER, die sich deutlich mehr von der Partie erhofft hatten, den Traum vom Einzug ins Viertelfinale aber schon vor dem Halbzeitpfiff begraben mussten.
Enttäuschung über 0:3 zur Pause
Sowohl Trainer Svensson als auch Sportdirektor Martin Schmidt machten keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. Gegen eine Mannschaft wie die Bayern von vorneherein mit einem Weiterkommen zu rechnen, wäre vermessen gewesen, dessen waren sich die Verantwortlichen bewusst. Aber etwas schwerer hätten es die Mainzer dem ob der jüngsten Ergebnisse unter Druck geratenen Gegner schon machen können, auch darin waren sich beide einig.
Stattdessen führte das Team von Julian Nagelsmann ohne Probleme zur Pause mit 3:0. "Ich glaube mit der Performance der zweiten Hälfte hätten wir es vielleicht etwas spannender machen können, aber wir waren in den ersten 45 Minuten nicht da, das war nicht Mainz 05", resümierte Schmidt. "Da waren unsere Tugenden nicht auf dem Platz. Die Arbeit gegen den Ball, das Tempo, das Anlaufverhalten. Wir haben etwas getrödelt, anstatt im vollen Tempo anzulaufen. Das hat sich nach dem Seitenwechsel geändert und wir haben das Spiel etwas ausgleichen können", erklärte der Sportdirektor. In der ersten Halbzeit sei man hingegen in jedem Zweikampf zu spät gekommen. "So war gegen die Bayern nichts auszurichten.“
Zentner: "Das ist nicht gut genug"
Der verletzt fehlende 05-Torhüter Robin Zentner wollte sich in der Pause vor den TV-Mikrofonen gar nicht mit der Leistung der Münchner befassen, sprach stattdessen von einem bis dato "schlechten Spiel" seiner 05ER. "Wir sind nicht einmal richtig im Zweikampf, das geht alles viel zu leicht für die Bayern. Wenn wir den Ball mal gewinnen, ist er zu schnell wieder weg", erklärte der 27-Jährige frustriert.
Die Analyse des Cheftrainers ging in dieselbe Richtung: "Wir waren vor der Pause deutlich unterlegen. Das lag an Bayern, aber auch viel an uns. Wir waren zu passiv, ohne Mut, sind immer eher einen Schritt zurück als nach vorne gegangen und waren in allen Belangen unterlegen. Damit müssen wir kritisch umgehen", lautete Svenssons Urteil. "Wir haben uns nichts zugetraut, waren gedanklich zu langsam, hatten zu viel Respekt und dann hast du im Endeffekt keine Chance", so der 43-Jährige weiter. In der zweiten Halbzeit sei der Auftritt seiner Mannschaft deutlich besser gewesen. "Das war absolut in Ordnung und eigentlich so, wie wir es von Anfang an spielen wollten", zeigte sich der 05-Coach zufriedener mit dem Auftritt seiner Elf im zweiten Durchgang.
Krankheitsbedingte Wechsel in der Startelf
Eine Erklärung, warum die Vorstellung in den ersten 45 Minuten so weit weg vom eigenen Anspruch gewesen war, hatte Svensson direkt nach dem Spiel nicht parat. "Das müssen wir mit den Jungs aufarbeiten, wir hatten uns das ganz anders vorgestellt", sagte er. "Mit der zweiten Halbzeit bin ich zufrieden. Die Jungs haben da alles gegeben, was vor der Pause nicht der Fall war."
Ob die passive Anfangsphase an der eher defensiv ausgerichteten Aufstellung gelegen hat, ist schwer zu beurteilen. Der Trainer betonte, seine Formation aufgrund der Umstände in den letzten Tagen gewählt zu haben. Die eingewechselten Jae-sung Lee und Karim Onisiwo hätten krankheitsbedingt zwei Tage lang nicht trainiert und seien daher keine Optionen für die Startelf gewesen. "Wie gut Jae-sung uns im Pressing tut, hat man gesehen", lobte Svensson. Und auch Onisiwo, der dreifache Torschütze beim 5:2 gegen Bochum, hatte seine Szenen.
Mit dem Gesicht der zweiten Hälfte zu Union
Dass die Mainzer sich nach dem Seitenwechsel steigerten, lag wohl einerseits an Svenssons emotionaler Pausenpredigt, aber auch an den personellen Umstellungen. Plötzlich liefen die 05ER in vollem Tempo an, verdichteten die Räume im Mittelfeld, eroberten Bälle und kamen zu Chancen, hatten bei ihren Abschlüssen aber kein Glück. Den Bayern ging es zunächst ähnlich. Der Favorit nutzte schließlich aber eine seiner Möglichkeiten und traf in Person von Alphonso Davies zum 4:0-Endstand.
Den DFB-Pokal müsse man nun schnell abhaken, forderte Schmidt. "Wir sind rausgeflogen. Jetzt müssen wir uns wieder der Bundesliga, unserem Alltag widmen. Schon am Samstag bei Union Berlin. Das wird eine sehr große Herausforderung. Der müssen wir uns stellen, aber natürlich mit dem Gesicht der zweiten Halbzeit. Das Gesicht der ersten Hälfte wollen wir nicht mehr sehen. Das war nicht gut."