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Profis 17.09.2013 - 15:55 Uhr

Dosenöffner und dichte Atmosphäre

Warum Führungstore und Fans den Unterschied machen können

Es gibt sie, Spiele wie diese. Sie sind zäh wie Kaugummi, hüben wie drüben fehlen hochkarätige Chancen oder spannende Strafraumszenen, und irgendwie wartet jeder auf das erste Tor, in der Hoffnung, es möge für die eigene Mannschaft fallen und das Spiel öffnen. Am vergangenen Samstag warteten mehr als 30.000 05-Fans vergeblich auf einen Treffer für ihre Mannschaft. Tief stehende Schalker, die durch einen Sonntagsschuss von Kevin-Prince Boateng nach einem Fehlpass von Shinji Okazaki das Tor des Tages schossen, feierten sich hinter für den ersten Auswärtssieg der Saison. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Wenn die Torchancen von Eric Maxim Choupo-Moting oder Elkin Soto, die das Aluminium auf der falschen Seite passierten, reingegangen wären, dann wäre es ganz anders gelaufen. Schalke hätte aus der Deckung kommen müssen. Und das hätte Räume für neuerliche Mainzer Chancen auf ein Tor ergeben. Aber hätte, hätte, Fahrradkette - neben der letzten Konsequenz im Sechzehner fehlte den 05ern der Dosenöffner in Form eines Tores für diese schwere Partie.

Doch was macht man, wenn der Dosenöffner nicht aus dem Spiel heraus kommt? Wenn ein Nicolai Müller wie beim Spiel gegen Schalke im entscheidenden Moment zwar in bester Position steht, aber übersehen wird? Wenn ein Elkin Soto den Ball nur wenige Zentimeter höher über statt unter die Latte setzt? Wenn der Schiedsrichter das Foul an Shinji Okazaki kurz nach der Pause nicht pfeift und nicht auf den Elferpunkt zeigt? Wenn es die Mannschaft trotz aller Bemühungen aus eigener Kraft nicht zu schaffen scheint? Dann, so Thomas Tuchel, kann es helfen, wenn der Funke von der Tribüne auf den Rasen überspringt und dem Spiel neues Feuer gibt.

„Die Mannschaft spürt die Unterstützung von den Rängen. Gerade wenn es zäh ist in einer Partie, gerade dann braucht man das Publikum. Es geht nicht darum, dass die Fans 90 Minuten durch singen oder uns die ganze Zeit abfeiern. Aber wenn sie bei jeder Einzelaktion dabei sind, jeden Zweikampf erleben, jeden gewonnenen Ball feiern. Wenn die Fans gefühlt mitgrätschen, mitpassen, mitrennen – dann können sie von der Tribüne aus noch mal einen zusätzlichen Impuls geben und das Spiel positiv für uns beeinflussen“, so Thomas Tuchel.

Eine kühne These? Mitnichten – der Analytiker Thomas Tuchel führt Beweise ins Feld. „Damals in meinem ersten Jahr, da haben wir am Bruchweg 0:1 hinten gelegen gegen Hertha BSC. Das Spiel war zäh wie Kaugummi, und auf den Rängen war es ruhig“, erinnert sich Tuchel. Doch dann wechselte der Fußballlehrer Adriano Grimaldi ein – und damit auch die Hexenkesselatmosphäre im Stadion. „Adriano lief einfach mal den Keeper an und brachte Jaroslav Drobny dazu, den Ball ungestüm auf die Tribüne ins Aus zu schießen. „Und plötzlich war Druck auf dem Kessel. Es wurde richtig, richtig laut. Die Spieler haben wir das auch später so bestätigt: Sie haben dann sofort das Gefühl bekommen jetzt geht noch was, jetzt ist Stimmung, jetzt legen wir noch mal eine Schippe drauf. Und dann ging noch was“, grinst Tuchel. In der Tat ging noch was – die 05er drehten das Spiel in den letzten 20 Minuten und gewannen 2:1 gegen die Hertha aus Berlin.

Nun erwarten die 05er am Samstag Bayer 04 Leverkusen und damit den nächsten Champions-League-Teilnehmer in der Coface Arena. Und Thomas Tuchel geht davon aus, dass das Spiel in den Anlagen ähnlich wird wie das gegen Schalke 04. „Leverkusen hat Qualität ohne Ende, die Mannschaft ist sehr ballsicher und hat eine richtig gute Struktur im Spiel. Ich gehe aber nicht zwangsläufig davon aus, dass sie uns hoch angehen werden, trotz ihrer starken Offensive“, so der Trainer. Es könnte also wieder ein zähes Anlaufen gegen eine kompakte Abwehr werden – und wieder ein Spiel, in dem die Zuschauer den Unterschied machen könnten. Indem sie mit der Mannschaft eine dichte, enge Atmosphäre stricken, in der sich der Gegner verliert.