Profis 25.04.2021 - 16:10 Uhr
Mit Frische, Mut & "weit mehr" als Mentalität
05-Cheftrainer Svensson macht nicht zuletzt den mutigen Matchplan für den Sieg über den Rekordmeister verantwortlich - "Ja, das ist Selbstlob"
Auf der Pressekonferenz nach dem Mainzer Paukenschlag gegen den FC Bayern erlebten Fans und Journalisten am frühen Samstagabend einen seltenen Moment. Angesichts des teils furiosen, und stets leidenschaftlichen, Auftritts seines Teams gegen den Rekordmeister sprach er sich und seinem Trainerteam ein Kompliment aus. "Wir haben taktisch einen guten Plan gehabt. Ja, das ist jetzt Selbstblob", schob der Däne schmunzelnd hinterher. Der Cheftrainer hatte es sich an diesem denkwürdigen Nachmittag, ebenso wie seine Profis, mehr als verdient.
Für das Duell mit dem Rekordmeister hatte sich der Anhang der 05ER für die Hintertortribüne etwas einfallen lassen. "Für immer Mainz 05 e.V." stand dort zu lesen. Eine Choreographie, die sich in diesen Zeit leerer Ränge mehr als sehen lassen konnte, die Sehnsucht nach dem gemeinsamen (Fußball-) Erlebnis widerspiegelte und einen angemessenen Rahmen bot rund um diesen erst dritten Bundesliga-Heimsieg über den Serienmeister aus dem Süden. Was die 05-Profis schließlich ab 15.30 Uhr auf dem Rasen ihrer geschmückten Heimspielstätte fabrizierten, ließ den Heißhunger auf die Rückkehr der Fans wohl noch einmal ein neues Level erklimmen.
Komplimente vom Champions-League-Sieger
Der Blick auf die Startelf Svenssons Wahl mag überrascht haben im Vorfeld der Begegnung, hatte sich der Ex-Profi, der mit dem FSV als Spieler selbst drei Siege über die Bayern hatte feiern dürfen, in Jonny Burkardt, Robin Quaison sowie Karim Onisiwo doch für drei nominelle Spitzen entschieden, die den Tabellenführer später schwer beschäftigen sollten. Während sich die beiden erstgenannten mit ihren blitzsauberen Treffern für ihren unermüdlichen Einsatz und die Spielfreude belohnten, ging Onisiwo zwar leer aus, holte sich aber bei seiner Auswechslung gleichfalls berechtigten Beifall seiner Teamkollegen ab. Die drei Offensiven hatten in einem furiosen ersten Durchgang großen Anteil daran gehabt, dass die Gäste immer wieder Probleme im Spielaufbau hatten, ermöglichten den defensiven Kollegen das Nachrücken teilweise bis tief in des Gegners Hälfte und setzten darüber hinaus weitere Nadelstiche. Dass die 2:0-Pausenführung der Rheinhessen für die Bayern als durchaus schmeichelhaft zu bezeichnen war, sprach Bände und entlockte auch dem Münchner Trainer ein Extra-Lob: "Ich muss Mainz ein Riesenkompliment machen. Sie haben es sehr gut gemacht, haben aggressiv verteidigt, kompakt gestanden und ihr Tor herausragend verteidigt. Wir hatten kaum eine Chance", so Bayern-Coach Hansi Flick im Anschluss an den vergebenen Matchball im Kampf um die neunte Deutsche Meisterschaft in Serie.
Dabei ließ der 56-Jährige elementare Beobachtungen der ersten 45 Minuten gar noch unerwähnt. Denn die 05ER hatten nicht nur mit Kampfgeist und dem eingangs erwähnten Plan überzeugt, sondern auch spielerische Glanzpunkte gesetzt. "Wir waren mutig, haben sauber gespielt, waren griffig", freute sich Svensson." Mentalität, Charakter und Einstellung sind gerade hier in Mainz die Basis für alles. Es war heute aber weit mehr als das", so ein sichtlich zufriedener Cheftrainer, der in Durchgang eins, neben zwei Aluminium-Treffern von Danny da Costa und Danny Latza, auch gleich mehrere starke Szenen von Nationalkeeper Manuel Neuer gesehen hatte. Der Gegner hingegen hatte sich abgemüht, fand durchs Zentrum nie ins Spiel und wurde von den Mainzern immer wieder auf die Außenbahnen verwiesen, wo Phillipp Mwene und da Costa den zur Pause entnervt ausgewechselten Bayern-Stars Leroy Sané und Kingsley Coman kaum Raum zur Entfaltung ließen.
"Um erfolgreich gegen die Bayern zu sein, benötigt man viele Komponenten", erläuterte Svensson. "Einen Plan, der funktioniert, Einzelspieler, Teamgeist und eine Top-Top-Leistung. Die erste Halbzeit war sehr sehr gut, nicht nur wegen der Chancen vorne. Wir wissen alle, welche Qualität bei Bayern vorne steht und haben nicht viel zugelassen, auch nicht nach der Pause, als wir weniger Entlastung hatten. Die Art und Weise über 90 Minuten war schon sehr beeindruckend. Ich bin stolz Trainer dieser Mannschaft zu sein, aber nicht erst seit heute."
Frische, die überzeugt
Was die gezeigte Leistung der 05ER nur zweieinhalb Tage nach dem kräftezehrenden Auftritt von Bremen zusätzlich aufwertete, war die Tatsache, dass mit den insgesamt fünf vollzogenen Startelf-Wechseln nicht im Ansatz ein Qualitätsverlust einhergegangen war. "Wir brauchten Frische auf dem Platz", erklärte der Mainzer Trainer nach der Partie. "Und es freut mich umso mehr für die Spieler, die zuletzt nicht so viel gespielt hatten. Alle haben es gut gemacht, es zeigt die Qualität in der Breite unseres Kaders." Dass ausgerechnet einer dieser Neuen, nämlich der seit Januar nur als Joker zum Zug gekommene Quaison, sich gegen die Münchner gar zum Bundesliga-Rekordtorschützen kürte, wurde zur schönen Randnotiz. 29 Mal hat der Schwede nun im 05-Trikot jubeln dürfen, blieb aber bescheiden und wollte diesem kleinen, aber feinen Detail keine allzu große Bedeutung beimessen. "Es war ein sehr disziplinierter Auftritt von der ersten bis zur letzten Minute. Das Tor war einfach, weil Phillipp eine perfekte Flanke geschlagen hat", so der Angreifer.
Dass des Trainers Sicht der Dinge schlussendlich auch von seinen Profis geteilt wurde, untermauerte indes die Mainzer Nummer eins, die trotz der bayerischen Offensiv-Wucht unverhofft einen Nachmittag der ruhigeren Art hatte verleben dürfen und die Idee des Trainers als einen der ausschlaggebenden Faktoren dafür bezeichnete: "Wir hatten einen guten Plan, der aufgegangen ist, waren mutig, haben Räume gefunden und Chancen gehabt", so Robin Zentner, der dem Eigenlob seines Chefs damit volle Berechtigung zuschrieb.
Was der Sieg nun für den Kampf um den Klassenerhalt bedeutet, werden die kommenden Wochen zeigen. Und auch Svensson wollte sich auf keinerlei Rechenspiele einlassen: "Ich war in der Schule nicht der allerbeste in Mathe, deswegen lasse ich das weg", so die humorvolle Antwort des Trainers auf die Frage eines Journalisten. "Den Fokus darauf zu legen, wäre jetzt seltsam. Unsere alltägliche Arbeit ist entscheidend. Das ist die Kernaufgabe. Nur so haben wir eine Chance in der Bundesliga." Im Nachholspiel gegen Hertha BSC am Montag kommender Woche gilt es, an den Auftritt gegen die Bayern anzuknüpfen, und einen weiteren großen Schritt zu vollziehen.